Chinesische Investoren kaufen weniger Firmen in Europa und Deutschland
Chinesische Unternehmen investieren deutlich zurückhaltender in Europa. Das Transaktionsvolumen sank zuletzt um 65 %.
Die Zeiten, in denen insbesondere der deutsche Mittelstand den Ausverkauf an chinesische Investoren fürchten musste, sind vorerst vorbei. Investoren aus der Volksrepublik haben ihr Engagement in Europa deutlich zurückgefahren, wie eine Auswertung der Unternehmensberatung EY zeigt. Die Zahl der Transaktionen sank im Vergleich zum Vorjahr von 155 auf 139. Noch viel stärker nahm das Transaktionsvolumen ab. Der Wert der Beteiligungen, die in chinesische Hände übergingen, nahm von 12,4 Mrd. $ auf 4,3 Mrd. $ ab. Die Studienautoren weisen allerdings darauf hin, dass bei der Mehrzahl der Übernahmen keine Angaben zum Kaufpreis vorliegen und die Daten entsprechend nur eine Tendenz widerspiegeln.
Auch in Deutschland weniger chinesische Zukäufe
Auch in Deutschland traten chinesische Investoren seltener in Erscheinung als im Vorjahr: Die Zahl der Übernahmen und Beteiligungen sank von 35 auf 26, das Investitionsvolumen ging von 2,0 Mrd. $ auf knapp 290 Mio. $ zurück. Damit belegt China im Ranking der bedeutendsten Investorenländer im vergangenen Jahr nur Platz zwölf. Zum Vergleich: US-Unternehmen stemmten 242 Übernahmen in Deutschland, Geldgeber aus Großbritannien 128 Transaktionen.
„Die aktuelle Zurückhaltung chinesischer Unternehmen hat mehrere Gründe: Zum einen haben die Pandemie und die lang anhaltenden und massiven Eindämmungsmaßnahmen in China, die erst Ende letzten Jahres beendet wurden, zu Reisebeschränkungen und strengen Quarantäneregeln geführt. Das hat die Einleitung und erfolgreiche Umsetzung von Transaktionen erschwert“, erläutert die EY-Expertin Yi Sun. „Zum anderen hatten Expansionsmaßnahmen für viele chinesische Unternehmen nicht mehr den hohen Stellenwert wie in der zweiten Hälfte des vergangenen Jahrzehnts.“
Zudem sähen sich chinesische Unternehmen in vielen europäischen Ländern in einigen Sektoren wie Infrastruktur teils erheblichem politischen Widerstand ausgesetzt, so Sun. „Daher lassen die chinesischen Investoren inzwischen sorgfältig prüfen, ob Übernahmekandidaten solche heiklen Diskussionen bei Regierungen und in der Öffentlichkeit auslösen könnten.“
Chinesen kaufen weniger Industrie-, aber mehr Hightechunternehmen
Auch das belastete politische Verhältnis zwischen den USA und China hemme die Transaktionsaktivitäten, so Sun: „Wenn Übernahmekandidaten Produktionsstätten oder R&D-Zentren in den USA haben, werden potenzielle chinesische Bieter oftmals gar nicht erst eingeladen, da eine Ablehnung durch die zuständige US-Behörde befürchtet wird.“
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Im vergangenen Jahr gab es europaweit erstmals mehr Unternehmensübernahmen und -beteiligungen im Hightechsegment, wozu in erster Linie Software- und Halbleiterunternehmen zählen, als in klassischen Industriebranchen: Die Zahl der Übernahmen von Hightechunternehmen stieg gegen den Trend von 27 auf 32, gleichzeitig sank die Zahl der Industrieunternehmen von 30 auf 25. Im Industriesektor wurden mit neun Transaktionen die meisten Deals in Deutschland gezählt, bei Transaktionen im Hightechbereich liegt Großbritannien mit sechs Deals an der Spitze – vor Frankreich (fünf) und Deutschland (vier).
In Deutschland wurden zudem besonders viele Transaktionen im Gesundheitsbereich gezählt, wozu neben Biotechunternehmen auch die Branchen Pharma und Medizintechnik zählen. Europaweit gab es in diesem Segment 17 Transaktionen, von denen neun auf Deutschland entfielen.