Elektro- und Digitalindustrie 2024 mit Produktionsrückgang – Flaute bei Automatisierung dramatischer
Nach drei Wachstumsjahren stehen die Zeichen in der deutschen Elektroindustrie auf Rückgang. Der ZVEI spricht von einer Wachstumsdelle, doch je nach Branche dürfte das erste Halbjahr 2024 schwer werden.
„Insgesamt recht ordentlich“ ist das Jahr 2023 laut Gunther Kegel für die deutsche Elektro- und Digitalindustrie gewesen, bilanziert der ZVEI-Präsident im Rahmen der heutigen ZVEI-Jahresauftaktpressekonferenz des Zentralverbands der Branche. Auf Basis der Zahlen bis einschließlich November konnte demnach die reale, preisbereinigte Produktion zum dritten Mal in Folge gesteigert werden – gegenüber dem Vorjahr um 1,4 %. Die nominalen Erlöse der Branche erreichten im vergangenen Jahr laut dem Branchenverband mit 242 Mrd. € erneut eine Rekordmarke und legten um 8 % zu. „Zur Wahrheit gehört aber auch, dass die Unternehmen noch historisch hohe Auftragsbestände abarbeiten konnten, als die Neubestellungen spätestens ab dem zweiten Quartal bereits zurückgingen“, stellte Kegel fest.
Batterieproduktion legte 2023 zu – generell wuchs die Beschäftigtenzahl
Gewohnt unterschiedlich ist das Bild in den verschiedenen Teilbranchen. Am besten schnitt dabei die Produktion von Batterien ab. Sie legte um 7 % zu. Ein Produktionswachstum verzeichneten zudem die elektronischen Bauelemente (+6 %), die Energietechnik (+4 %) und die Automation (+3 %). Einen deutlichen Rückgang gab es dagegen mit -13 % bei den Gebrauchsgütern. Erfreulich ist, auch für Kegel, dass die Branche bei der Beschäftigung nochmals zulegte. Allein in Deutschland beschäftigte sie zuletzt 910 000 Menschen – 12 000 mehr als noch 2022. Auch sei in den durch die Coronakrise gebeutelten Lieferketten inzwischen Entspannung eingetreten.
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2023 konnten zudem die Ausfuhren laut ZVEI-Angaben erneut gesteigert werden. Sie legten 4 % auf 256 Mrd. € zu. Mehr als die Hälfte – 133 Mrd. € – verblieb in der Europäischen Union. „Angesichts wachsender geopolitischer Spannungen wird der europäische Binnenmarkt immer wichtiger“, hob der ZVEI-Präsident hervor. „Will die EU zwischen den USA und China weiterhin eine eigenständige Rolle einnehmen, muss sie den Binnenmarkt konsequenter auf Wachstum ausrichten und von industriefremder Regulierung wie dem EU-Lieferkettengesetz ablassen“, so Kegel. Er mahnte auch pragmatischere und strategischere Politik an: „Es kommt vielmehr darauf an, dass wir Geschwindigkeit aufnehmen, als dass wir in Schönheit sterben.“ Dabei bezog er sich darauf, dass bei Handelsabkommen „irgendwelche Sozialstandards in die Abkommen aufgenommen werden sollen“. Das verzögere entsprechende Abschlüsse und biete anderen Kräften im Weltmarkt Vorteile. Kegel verwies explizit darauf, wie schnell China Handelsabkommen schließt.
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Trotz der „erfreulichen Zahlen“ sprach Kegel von „Bremsspuren, die wir erkennen können“. Angesichts des aktuell schwierigen konjunkturellen Umfelds mit Inflation, der vergleichsweise noch hohen Zinsen und der hohen Energiepreise zeigt sich der ZVEI für 2024 zurückhaltend. Das Geschäftsklima liege „im negativen Bereich“, so der ZVEI-Präsident, sowohl, was das Ist, als auch, was die Prognose angehe. Eine ganze Reihe von Unternehmen würde schon über Kurzarbeit nachdenken. „Die Branche steht vor einer Wachstumsdelle“, sagte Kegel. Auf Jahressicht erwarte sein Verband, dass die reale Produktion um 2 % nachgeben werde.
Automatisierung steht 2024 vor stärkerem Produktionsrückgang
Die Delle von 2 % beim realen Produktionsrückgang „verteilt sich in den Branchen sehr unterschiedlich“, erläutert Kegel auf Nachfrage. Die Auftragseingänge im Bereich Batterien, Netzausbau, in jenen Bereich der Elektro- und Digitalindustrien, die ganz unmittelbar am Umbau unserer Energiesysteme arbeiten, seien „noch sehr hoch, sehr stabil“. Ein deutlich größerer Teil des Rückgangs entfällt ihm zufolge auf den klassischen B2B-Industrieausrüstungsteil, also Automatisierung und Elektrifizierung. „In diesen Bereichen sehen wir einen deutlich dramatischeren Rückgang, sodass wir davon ausgehen können, dass alles, was wir im Kern der Automatisierung haben, es im nächsten Jahr zumindest im ersten und zweiten Quartal schwerer haben wird.“ Falls es danach bei den Auftragseingängen wieder frischen Wind gebe, „dann bekommen wir vielleicht das Jahr noch vernünftig über die Ziellinie. Wenn er nicht kommt, dann wird es ein sehr schwieriges Jahr, weil in der Tat doch unsere Auftragseingänge des vergangenen Jahres deutlich niedriger waren als unsere Umsätze.“ Der Anteil des Automatisierungssektors an den ZVEI-Mitgliedsunternehmen liegt bei etwa 20 %.
Bremsspuren werde es entsprechend auch bei den Unternehmenszahlen 2024 geben. „Wir gehen also davon aus, dass wir in der Branche sicherlich mit etwas schwächeren Jahresüberschüssen rechnen müssen als im Jahr 2023, bei dem viele Unternehmen noch Rekordumsätze gefahren haben“, so Kegel.