Die deutsche Industrie leidet unter einem massiven Investitionsmangel
Pandemie und die Folgen des Ukrainekrieges haben der Industrie massive Ausfälle bei den Ausrüstungsinvestitionen zugefügt.
Wegen der russischen Invasion in der Ukraine mussten die deutschen Unternehmen ihre Investitionspläne überarbeiten. Mit dem Jahresbeginn 2022 war zunächst die gut begründete Zuversicht verbunden, dass sich nach zwei Jahren coronabedingter Einschränkungen das wirtschaftliche Leben und damit die Investitionstätigkeit wieder normalisieren würden.
Ewiges Wachstum – geht das? Ein Streitgespräch zwischen Ulrike Herrmann und Ifo-Präsident Fuest
In den Jahren 2020 und 2021 hatte sich ein erheblicher Investitionsstau gebildet. Auch deshalb, weil die Produktion von Investitionsgütern aufgrund von Produktions- und Lieferstörungen nicht reibungslos funktionierte.
Kostenschocks belasteten das Investitionsklima
Mit Kriegsbeginn wurden diese guten Investitionsperspektiven zunächst zerstört. Zusätzliche Lieferstörungen und Sorgen vor Energieknappheit, Kostenschocks vor allem durch explodierende Energiepreise sowie erneute Nachfrageschocks infolge der hohen Inflation und der nachlassenden Weltwirtschaft belasteten das Investitionsklima im vergangenen Jahr.
Deshalb lagen die für die Modernisierung der Volkswirtschaft wichtigen Ausrüstungsinvestitionen trotz der zwischenzeitigen Verbesserungen im Jahresdurchschnitt 2022 und auch noch zum Jahresende deutlich unter dem Vorkrisenniveau. Gegenüber dem unmittelbaren Stand vor dem Ausbruch der Coronapandemie bestand zum Jahresende 2022 noch eine Investitionslücke von rund 5 %, gegenüber dem letzten Höchststand von Anfang 2019 sind es rund 8 %.
Modellrechnung zu den Ausfällen bei Ausrüstungsinvestitionen
Die gesamten Ausfälle bei den Ausrüstungsinvestitionen in Deutschland in den letzten drei Jahren belaufen sich laut einer Modellrechnung des IW Köln preisbereinigt auf rund 75 Mrd. €. Für diesen Zweck wurde ein Szenario entworfen, in dem es Pandemie und den Krieg nicht gegeben hatte. Diese geschätzte Größenordnung veranschaulicht die langfristig wirksamen Einbußen am gesamtwirtschaftlichen Kapitalstock und die damit verbundene langwierige Belastung für die künftige wirtschaftliche Entwicklung.
Ebenso werden dadurch die massiven Investitionsbedarfe für die nächsten Jahre erkennbar, bedingt durch: den demografischen Wandel, die ökologische Transformation des Wirtschaftslebens, die fortschreitende Digitalisierung sowie die geoökonomischen Restrukturierungen.
Materialengpässe und Lieferkettenprobleme sind weniger geworden
Vieles von dieser notwendigen Investitionsoffensive dürfte allerdings in diesem Jahr nicht realisiert werden. Zwar haben sich die gesamtwirtschaftlichen Perspektiven für Deutschland in den vergangenen Monaten deutlich verbessert. Materialengpässe und Störungen in den Lieferketten haben sich entspannt. Die Energiepreise sind merklich gesunken. Während im vergangenen Spätsommer eine Rezession für das Jahr 2023 prognostiziert wurde, überwiegen nun wieder die positiven Nachrichten.
Industrie setzt auf erneuerbare Energien
Die Werte der aktuellen Prognosen liegen allerdings mehr oder weniger knapp über der Stagnationslinie. Die weiterhin bestehenden hohen Unsicherheiten bei den geoökonomischen Rahmenbedingungen, der nur moderat wachsenden Weltwirtschaft, der noch nicht wieder normalen Material- und Energiesituation sowie den deutlich höheren Finanzierungskosten lasten vorerst auf dem Investitionsklima.