Entscheidend ist die Unternehmenskultur
Hays-Vorstand Klaus Breitschopf über die Erfolgsfaktoren eines agil aufgestellten Unternehmens.
Führungskräfte müssen in der agilen Welt die Mitarbeiter mehr unterstützen denn kontrollieren, sagt Klaus Breitschopf.
Auf dem Weg in die agile Organisation gilt es, einige Herausforderungen zu überwinden. So zeigt unser aktueller HR-Report „Agile Organisation auf dem Prüfstand“, dass die Prozesse in Unternehmen noch zu starr und die Mitarbeiter zu wenig bereit sind, sich zu verändern. Ein weiterer wesentlicher Punkt lautet: Führung muss sich an die agile Organisation anpassen. Denn in vielen Unternehmen werden noch herkömmliche Führungsmuster gelebt, die durch Hierarchie, Anweisungen und Kontrolle geprägt sind.
studierte Betriebswirtschaftslehre an der Universität Mannheim.
Der Personaldienstleister Hays ist auf die Vermittlung hoch qualifizierter Experten spezialisiert. Er beschäftigt mehr als 9000 Mitarbeiter in 33 Ländern.
Die agile Organisation zeichnet ein entgegengesetztes Bild. Im Mittelpunkt stehen autonom handelnde Teams, die selbst über Spielregeln entscheiden. Was sie dabei leitet, sind zuallererst die Bedürfnisse der Kunden. Anstatt detaillierte Pläne strikt zu befolgen, setzen agile Teams eher auf iterative Prozesse. Folglich bildet nicht die klassische Linienorganisation das Rückgrat der agilen Organisation, sondern Projekte divers zusammengesetzter Teams. Sie sind besser und schneller in der Lage, sich an das Markttempo anzupassen und Kundenbedürfnisse aufzugreifen.
Bedeutet dies, dass sich Führung in der agilen Welt verflüchtigt? Meine Antwort lautet: nein. Denn um die Türen in Richtung agiler Strukturen zu öffnen, kommt es nur in zweiter Linie auf die richtigen digitalen Lösungen oder Werkzeuge an. Der entscheidende Faktor ist vielmehr eine offene und veränderungsbereite Unternehmenskultur. Diese wiederum wird in hohem Maße durch die Rolle der Führung geprägt.
Es sind aus meiner Sicht vor allem drei Handlungsfelder, auf die sich Führungskräfte konzentrieren sollten, um die agile Organisation zu untermauern.
Das erste Handlungsfeld betrifft die innere bzw. mentale Haltung, mit der Führungskräfte künftig ihre Aufgabe angehen. In einer agilen Welt gilt es, loszulassen und sich aus dem Kontrollmodus zu verabschieden. Die Mitarbeiter entscheiden selbst, auf welche Weise sie ihre Ziele erreichen wollen. Diese Eigenverantwortlichkeit der Mitarbeiter zu fördern und ihnen Selbstorganisation zu ermöglichen, steht daher auf der Agenda der Anforderungen an agile Führung ganz oben, wie unser HR-Report ergeben hat.
Eine neue Führungshaltung bedeutet im Kern also, Mitarbeiter zu unterstützen und nicht zu kontrollieren. Damit unterliegt die Führungsrolle einem großen Wandel. In den Mittelpunkt rückt noch stärker, was Führung ohnehin zuerst ausmacht: Kommunikation – sowohl die Gespräche mit jedem einzelnen Mitarbeiter als auch mit dem gesamten Team.
Im ersten Fall werden Führungskräfte in der agilen Welt zu Coaches ihrer Mitarbeiter und helfen ihnen dabei, ihre Karriere und Kompetenzen weiterzuentwickeln. Für das Gesamtteam und ihre Aufgaben bzw. Rollen werden sie zu Sinnstiftern, die aufmalen, welchen Beitrag sie zum übergeordneten Unternehmensziel leisten. Am besten, indem sie im übertragenen Sinne Bilder malen, die emotional binden. Denn Leitplanken zu setzen und das große Ganze aufzumalen, wird in sich stärker selbst steuernden Teams zu einer Kernaufgabe von Führung.
Interessant in diesem Kontext ist Scrum, mit die bekannteste agile Methode, die vor allem in der Softwareentwicklung angewandt wird. In Scrum-Teams gibt es eine Person, die das Produkt, also den Inhalt verantwortet. Und eine andere Person kümmert sich um die menschlichen Themen, damit alle Teammitglieder über einen passenden Rahmen für gute Leistung verfügen. Vielleicht trennen Organisationen in der näheren Zukunft ebenfalls stärker nach fachlicher und mitarbeiterbezogener Führung. Trotz dieser breiten Diskussion über eine neue Haltung handeln viele Führungskräfte noch in der Tradition der alten Welt.
Dies verweist direkt auf die Auswahl der passenden Führungskräfte für die agile Organisation als das zweite Handlungsfeld. Bei einer agilen Führung spielen fachliche Kompetenzen keine überragende Rolle mehr, stattdessen rücken die persönlichen Kompetenzen von Menschen in den Vordergrund – wie ihre Fähigkeit, gut zu kommunizieren, Teams zu moderieren, mit Menschen empathisch umzugehen oder unsichere Situationen auszubalancieren.
Leider – auch dies zeigt der empirische Befund des HR-Reports – werden Führungskräfte immer noch stärker aufgrund ihrer fachlichen und nicht ihrer sozialen Kompetenzen befördert. Doch erstere sind in der agilen Organisation weniger gefragt, diese sind direkt in den agilen Teams angesiedelt. Daher sollten Organisationen einen Weg finden, sich bei der Wahl ihrer Führungskräfte auf diese weichen Faktoren zu konzentrieren. Sicher ist es schwieriger, diese zu erkennen und zu dokumentieren. Aber die naheliegende Lösung, die besser messbaren fachlichen Kompetenzen als Basis von Personalentscheidungen zu nutzen, führt in der agilen Organisation in die Sackgasse.
Die Organisationsstrukturen sind das dritte und zugleich härteste Handlungsfeld. Die Unternehmens- und die Führungskultur ändern sich nur bedingt aus sich selbst heraus, zum Beispiel mithilfe eines Change-Management-Ansatzes.
Anders sieht es aus, wenn Unternehmen ihre strukturellen Rahmenbedingungen verändern, wie ihre Entscheidungs- und Kommunikationswege sowie die Arbeitsabläufe. Wenn sich diese stärker in Richtung der Kundenbedürfnisse orientieren, flachere Hierarchien aufgesetzt werden oder die Aufbauorganisation verändert wird, richtet sich die Kultur an der veränderten Situation neu aus. Wenn es Unternehmen also ernst meinen mit einer agilen Organisation, sollten sie auf dieser Ebene handeln. Dann bedingen sich veränderte Strukturen und neue Kulturformen gegenseitig – und gleichzeitig bewegt sich die Rolle der Führung.
Halten wir fest: Über ein anderes Führungsverhalten, eine veränderte Auswahl von Führungskräften und andere Strukturen entwickeln sich Unternehmen in eine agile Organisation. Ausgemacht ist dies jedoch nicht. Daher sollten Organisationen die Grundzüge agiler Methoden selbst auf ihre Veränderungsprozesse anwenden. Es geht um iterative Prozesse, die auf „Trial and Error“ basieren und mit kritischen Entwicklungen offen umgehen. In der agilen Welt ist nichts in Stein gemeißelt. Es ist ein evolutionärer Prozess, in dem sich Organisationen ständig an neue Marktgegebenheiten und Kundenanforderungen anpassen müssen.