Löhne 27. Mai 2016 Jürgen Voges Lesezeit: ca. 2 Minuten

„Gegenmodell zur Rente mit 67“

Mit einem deutlichen Einkommenszuwachs geht die Tarifrunde für die Metall- und Elektroindustrie zu Ende. Selbst der vom Dieselskandal gebeutelte VW-Konzern hat im Großen und Ganzen den Metall-Abschluss aus Nordrhein-Westfalen übernommen. Bei VW wird zudem die Altersteilzeit verlängert.

Die Beschäftigten bei VW müssen mit dem jüngsten Tarifabschluss nicht für die Dieselaffäre bezahlen.
Foto: Julian Stratenschulte/dpa

Bei Volkswagen standen die Tarifverhandlungen ganz im Zeichen der Dieselaffäre. Das Unternehmen hat für die finanziellen Folgen manipulierter Abgaswerte 16,2 Mrd. € zurückstellen müssen und 2015 einen Rekordverlust verbucht.

Dennoch konnte die IG-Metall in den VW-Tarifverhandlungen durchsetzen, dass die Beschäftigten „genauso behandelt werden, wie ihre Kollegen bei Audi, bei Porsche, bei BMW oder auch bei Daimler“, sagte IG-Metall-Verhandlungsführer Hartmut Meine nach dem Abschluss. Es habe keinen Krisenbeitrag der VW-Mitarbeiter gegeben. „Die Beschäftigten haben diese Krise nicht verursacht und wir haben von Anfang an gesagt: Wir sind nicht für die Diesel-Krise verantwortlich und wir sind nicht bereit, dafür zu bluten.“

In den westdeutschen VW-Werken steigen die Entgelte ab 1. September um 2,8 % und ab 1. August 2017 um 2 %. In der Metall- und Elektroindustrie, deren Vertrag zwei Monate früher als der VW-Haustarif auslief, gibt es ab 1. Juli 2,8 % mehr und ab 1. April 2017 noch einmal 2 %. Der Abstand zwischen der ersten und der zweiten Entgelterhöhung ist bei VW etwas größer. Auch die Einmalzahlung von 150 €, die der Abschluss in der Fläche für die Monate April bis Juni vorsieht, fehlen im VW-Abschluss.

Stattdessen wird den westdeutschen VW-Beschäftigten ein Rentenbaustein von 200 % gutgeschrieben. Zudem verlängerten die VW-Tarifparteien ihren Vertrag über Altersteilzeit bis zum Jahr 2022. Er erlaubt VW-Mitarbeitern, die 1967 oder früher geboren sind, im Alter von 60 Jahren aus dem Berufsleben auszuscheiden. „Das ist das Gegenmodell zur Rente mit 67“, sagte IG-Metall-Bezirksleiter Meine, und sei vor allem für Beschäftigte wichtig, „die Jahre im Dreischichtmodus arbeiten mussten“. Die Altersteilzeit erleichtere zudem dem Unternehmen die Personalplanung. Volkswagen stehe angesichts der Digitalisierung der Produktion sowie des Einstiegs in Elektromobilität und autonomes Fahren vor einer Umstrukturierung der Belegschaft.

Bei der Altersteilzeit gelten ab 2017 für die Jahrgänge 1961 bis 1967 differenzierte Regelungen. Altersteilzeit, so VW-Verhandlungsführer Martin Rosik, könne „künftig auf unterschiedliche Beschäftigtengruppen und auf besondere Situationen“ zugeschnitten werden. Damit lassen sich „erfahrene Kompetenzträger halten und Altersteilzeit verstärkt dort einsetzen, wo Aufgaben künftig entfallen“, umreißt VW-Personalvorstand Karlheinz Blessing die Zielsetzung des Unternehmens. Die Laufzeit des VW-Tarifvertrages beträgt 20 Monate, beim Flächentarifvertrag sind es 21 Monate. Der VW-Haustarif wird im Jahr 2018 nur noch einen Monat nach dem Flächentarifvertrag auslaufen. Laut Bezirksleiter Meine will die IG Metall schon lange die Tarifverhandlungen bei VW und in der Fläche synchronisieren: „Volkswagen ist das größte Unternehmen der Branche in Deutschland und sollte auch in der Tarifpolitik eine Führungsrolle einnehmen.“ Das lehne VW aber bislang ab.

Die Mitgliedsfirmen der 13 regionalen Arbeitgeberverbände, die in Deutschland Metalltarifverträge abschließen, haben zusammen 1,9 Mio. Mitarbeiter. Die deutsche Metall- und Elektroindustrie beschäftigt insgesamt aber 3,8 Mio. Frauen und Männer. Zwar richten viele nicht tarifgebundene Unternehmen ihre Entgelte am Metall-Tarifvertrag aus. Die IG Metall hat in der jetzt abgeschlossenen Tarifrunde auch versucht, die Zahl der tarifgebundenen Firmen zu erhöhen. Nach eigenen Angaben startete die Gewerkschaft in gut 200 Betrieben Aktionen zum Thema Tarifbindung, nahm in 100 Betrieben Verhandlungen über einen Tarifvertrag auf und stellte in 40 Betrieben mit insgesamt rund 10 000 Beschäftigten die Tarifbindung her.

Der IG-Metall-Bezirksleiter für Niedersachsen und Sachsen-Anhalt, Hartmut Meine, schloss in Sachsen-Anhalt den bundesweit ersten Heranführungstarifvertrag für ungebundene Unternehmen ab. „Der Vertrag ermöglicht es nicht tarifgebundenen Firmen, in einem Zeitraum von vier Jahren über Zwischenschritte beim Entgelt, bei der Arbeitszeit oder beim Weihnachtsgeld das Niveau des Flächentarifvertrags zu erreichen“, sagte Meine. Wie in ganz Ostdeutschland gebe es auch in Sachsen-Anhalt Fachkräftemangel. Firmen ohne Tarifbindung hätten große Schwierigkeiten, qualifizierte Mitarbeiter zu finden.

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