Hände frei zum Verdrahten
Wago ist allgegenwärtig. Wo auch immer elektrische Leitungen verbunden werden, trifft man auf Komponenten aus dem ostwestfälischen Minden.
Dank fröhlicher Farben erinnern die Klemmen an Kinderspielzeug. Doch sie ermöglichen den Fluss der Daten-und Energieströme, und manch buntes Teil ist eigentlich ein kompakter Computer.
Gründung: 1951 in Minden.
Produkte: Komponenten für elektrische Verbindungs- und dezentrale Automatisierungstechnik sowie Interface Elektronik.
Mitarbeiter: rund 8000 weltweit.
Umsatz: 862 Mio. € im Jahr 2017.
Angefangen hat die Geschichte des Mindener Familienunternehmens Wago in den 50er-Jahren mit dem Patent auf die Federklemme als erste schraubenlose Anschlusstechnik. Mit ihr ist Wago groß geworden und heute auf dem Gebiet Weltmarktführer. Am ostwestfälischen Firmensitz, in Sondershausen (Thüringen) und an den sieben internationalen Standorten produziert Wago Klemmen, Feldbus-Komponenten, Stromwandler, I/O-Systeme und weiteres Rüstzeug der Digitalisierung und Automatisierung. Wo auch immer in der Industrie, Marine und Offshore, in Bahnen und Gebäuden, elektrische Leitungen miteinander verbunden und komplexe Automatisierungsanlagen gesteuert werden, kommen Wago-Komponenten zum Einsatz.
„Mit Interface-Elektronik und Automation zusammen machen wir etwa ein Viertel des Umsatzes, drei Viertel mit der elektrischen Verbindungstechnik“, sagt Sven Hohorst, CEO und Enkel eines der Firmengründer. „Wir versuchen, alle Geschäftsbereiche gleichermaßen zu entwickeln.“ Der Trend zur Industrie 4.0. und zu smarten Gebäuden kommt Wago zugute. Das Unternehmen wächst – und das nicht zu knapp. Seit 2009 gab es nach Firmenangaben jedes Jahr ein Umsatzplus, 2017 sogar 13 % mehr. Die Mitarbeiterzahl hat sich in den vergangenen zehn Jahren fast verdoppelt: auf rund 8000 weltweit. Deutschland ist der wichtigste Markt. Hier werden 28 % der Produkte abgesetzt. Weitere 42 % gehen ins restliche Europa.
„Wir hatten im letzten Jahr ein besonders positives konjunkturelles Umfeld: Das hat der gesamten Branche ermöglicht, sehr gut zu wachsen“, sagt Hohorst. „Was wir an überdurchschnittlichem Wachstum hinbekommen haben, ist zu einem guten Teil auf Innovationen zurückzuführen.“ Auf der Hannover Messe präsentierte Wago eine Weltneuheit: Reihenklemmen mit Hebeltechnik. „Die Klemme öffnet durch die Betätigung eines Hebels“, erläutert der Firmenchef. Sie bleibe offen, sodass „man mit beiden Händen den Leiter entsprechend vorbereiten und verdrahten und durch Schließen des Hebels den Anschluss herstellen kann“. Die Innovation beruht auf Eigenentwicklungen aus anderen Bereichen. Erfahrungen mit den Hebeln gab es bei der Universalklemme für Gebäudetechnik wie auch bei der Anschlusstechnik für Leiterplatten. Hohorst: „Diese Grundkonzeption haben wir auf Reihenklemmen als einen weiteren Schritt zur einfachen Handhabung übertragen. Man braucht kein weiteres Werkzeug als das intuitivste von allen: die menschliche Hand.“
Wago gehe marktbezogen vor und wolle so die Märkte entwickeln, meint der Firmenchef auf die Frage, wie hier Innovationen entstehen. Er sieht noch viel Potenzial in den Märkten, die Wago schon bedient. Deshalb investiert das Unternehmen seit Jahren einen Batzen Geld, vor allem in die deutschen Standorte. 2017 waren es knapp 100 Mio. €, mehr als ein Zehntel des Umsatzes, für 2018 ist eine noch höhere Summe geplant. „Wir gehen davon aus, dass wir diese Quote weiter fortsetzen“, sagt Hohorst, denn Innovationen gebe es nicht zum Nulltarif.
Was Wago den Kunden in Sachen Digitalisierung anbietet, etwa die bessere Anbindung der Sensoren an die Cloud, werde wo immer möglich zunächst prototypisch im eigenen Werk umgesetzt. Die junge Ingenieurin Noreen Juras darf sich deshalb über einen abwechslungsreichen Job in der Fertigungsentwicklung freuen. Nachdem sie im Februar ihren Bachelor gemeistert hat, landete sie in der Abteilung, in der sie die letzten Praxisphasen ihres dualen Studiums verbrachte. „Dieses Tätigkeitsfeld hat mich sehr angesprochen, weil es vielfältig ist“, sagt die frischgebackene Maschinenbauerin. In der Fertigungsentwicklung sei sie ein Bindeglied zwischen verschiedenen Abteilungen und kein Tag wie der andere. „Wir überlegen uns, wie unser neues Produkt aussehen könnte, mit welchen Mitteln wir das erreichen wollen und wie umsetzen.“
Knapp ein Viertel der Belegschaft besteht aus Ingenieuren aus Maschinenbau, Elektro- und der Automatisierungstechnik oder Wirtschaftsingenieurwesen. Noreen Juras ist wie viele der anderen Fachkräfte bei Wago ein „Eigengewächs“. Während ihres dualen Studiums an der FH Bielefeld absolvierte sie im Mindener Unternehmen ihren Praxisteil.
Juras wollte seit ihrem zehnten Lebensjahr Ingenieurin werden. Sogar ihr Hobby ist passend: Modellflugzeuge bauen. Als „cooler Typ“ fühlte sie sich unter den ganzen Männern in ihrem Studiengang immer gut aufgehoben. Auch fand sie die exzellenten Übernahmechancen als duale Studentin verlockend: „Man muss sich keine Gedanken machen, wohin es nach dem Abschluss geht.“
Im ostwestfälischen „Klemmen-Valley“ gibt es eine Reihe weiterer namhafter Spezialisten für Automatisierungs- und Verbindungstechnik. Hohorst sieht den Wettbewerb sportlich. „Wir haben einen sehr starken Cluster ,It‘s OWL‘, einen Kern von leistungsfähigen Mittelständlern, die für ganz Deutschland Referenz im Bereich der Automatisierung sind. Wago engagiert sich ebenfalls dort, wobei wir keine Produkte gemeinsam entwickeln, sondern Standards oder Technologien.“ Auch um Fachkräfte gebe es einen Wettbewerb, das steigere aber nur die Leistungsfähigkeit der Region. Man müsse eben ein attraktiver Arbeitgeber sein.
Das Familienunternehmen hat ein ganzes Maßnahmenbündel ergriffen, um das Leben der Angestellten zu erleichtern: Kinderbetreuung, flexible Arbeitszeiten, Rabatte in Geschäften für Wago-Mitarbeiter, darüber hinaus Entwicklungs- und Mentoringprogramme sowie Bildungsurlaub.