Konjunktur: Die Industrie erholt sich unterschiedlich stark von Coronakrise und Krieg
Vom Wachstum profitieren nicht alle Branchen gleichermaßen. Besonders Automobilindustrie und Chemieindustrie hinken hinterher, ergibt die aktuelle Konjunkturampel des IW Köln.
Der Start in das Jahr 2023 ist der deutschen Industrie gelungen. So lag die saisonbereinigte Industrieproduktion um 1,9 % über dem Wert für den Dezember. Damit wurde der deutliche Rückgang am Jahresende 2022 wieder gut weggesteckt.
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In den großen Industriebereichen war die Lage jedoch durchwachsen. Starke positive Impulse kamen jüngst von den Vorleistungsproduzenten.
Chemieindustrie brach 2022 um ein Viertel ein
Hier wurde das Produktionsniveau vom Dezember um fast 7 % übertroffen. Vor allem die Chemieindustrie legte im Januar um fast 10 % zu. Das relativiert sich jedoch durch den starken Rückgang im Jahr 2022: Binnen Jahresfrist war die Chemieproduktion um 28 % abgesackt.
Der Jahresstart fiel bei Herstellern von Konsumwaren (–1,8 %) und Investitionsgütern (–0,6 %) weniger gut aus. Vor allem bei der Automobilproduktion war nach der guten Erholung vergangenen Jahres nun ein Rückgang von gut 5 % zu verzeichnen. Auch die Pharmaproduktion gab zum Jahresstart stark nach. Die Elektroindustrie legte dagegen deutlich zu.
Produktionslücke in der Industrie weiterhin nicht geschlossen
Je nach Branche erlebte die Industrie in den vergangenen drei Jahren ganz unterschiedliche Konjunkturen. Entsprechend weichen die aktuellen Produktionsniveaus vom Vorkrisenstatus ab. Trotz des Anstiegs im Januar hat sich die seit mehr als zwei Jahren hartnäckig bestehende Produktionslücke in der gesamten Industrie nicht weiter geschlossen.
Die Industrie bewegt sich seit dem Herbst 2020 kaum von der Stelle. Gegenüber dem Produktionsniveau vor der Coronapandemie und der russischen Invasion in der Ukraine bestand im Januar eine Produktionslücke in Höhe von knapp 5 %. Große Defizite gegenüber der Jahresproduktion von 2019 sind aktuell etwa in der Automobilindustrie mit knapp 14 % und in der Chemie mit 17,5 % zu verbuchen. Beim Maschinenbau fehlen noch knapp 4 %.
Elektroindustrie und Pharmaindustrie haben sich deutlich von der Coronakrise erholt
Dagegen liegt die aktuelle Produktion in der Elektroindustrie und in der Pharmaindustrie um mehr als 10 % über dem Vorkrisenniveau. Diese große Divergenz in der Industrie erklärt sich durch die starken Branchenunterschiede in den vergangenen Jahren bei der Nachfrage aus dem In- und Ausland, den Materialengpässen und Energiekosteneffekten.
Voraussichtlich wird die Produktionslücke in der deutschen Industrie in diesem Jahr nicht geschlossen werden. Die Prognosen zur Industrieproduktion signalisieren derzeit eher eine Stagnation. Das bezieht sich auf den Jahresdurchschnitt 2023 im Vergleich mit dem Vorjahr.
Lieferkettenprobleme belasten immer noch die Industrie
Auch die Einkaufsmanager halten sich weiter zurück. Noch immer laufen in wichtigen Industriezweigen die Produktionsprozesse aufgrund von Materialengpässen nicht normal. Der Materialmangel hat sich zwar in den letzten Monaten erheblich entspannt. Im Durchschnitt der Industrie berichten laut Ifo Institut aber noch immer rund 45 % von materialbedingten Produktionsproblemen – in der Automobil- und Elektroindustrie sowie im Maschinenbau sind es sogar über 70 %.
Auch die Nachfrage liefert keinen Anlass für eine Aufbruchstimmung in der Industrie. Zwar kann die Industrie noch immer relativ hohe Auftragsbestände vorweisen. Die Produktionsprobleme standen einer schnellen und reibungslosen Erledigung bislang im Wege.
Chinesen kaufen weniger deutsche Firmen
Neue Aufträge fallen jedoch mager aus. Trotz des Anstiegs im Januar 2023 lagen die Auftragseingänge der Industrie um fast 11 % unter dem Vorjahresniveau. Dabei gaben die Inlandsorder binnen Jahresfrist um gut 9 % und die Bestellungen aus dem Ausland um über 12 % nach.