Ampel-Aus: Wirtschaft drängt auf sofortige Investitionen
Die politischen Spannungen in Deutschland haben eine neue Dringlichkeit erreicht, und erste Reaktionen aus der Wirtschaft sind eindeutig. Führende Stimmen warnen vor den Folgen der vorläufigen Haushaltsführung, die dringend benötigte Investitionen und Projekte auf Eis legen könnte.
Inhaltsverzeichnis
- Bauindustrie schlägt Alarm: Ohne Nachtragshaushalt drohen Baustopp und Infrastrukturkrise
- Deutsche Elektroindustrie will schnelle Neuwahlen
- Auch der Mittelstandsverbund fordert einen Neustart
- Startup-Verband: Deutschland braucht eine zukunftsorientierte Wirtschaftspolitik
- BSW-Solar: "Erfolgreiche Energie- und Klimaschutzpolitik benötigt handlungsfähige Mehrheiten im Bundestag"
- Bitkom stellt der gescheiterten Koalition ein schlechtes Zeugnis aus
- "Schnelle Vertrauensfrage, schnelle Neuwahlen", verlangt der Verband kommunaler Unternehmen (VKU)
Die politische Krise in Deutschland spitzt sich mit dem Rausschmiss von Finanzminister Christian Linder (FDP) aus der Koalition zu und trifft das Land in einem kritischen Moment. Wenige Tage vor dem Beschluss des Nachtragshaushalts 2024 steht die Regierung vor enormen Herausforderungen, während Unternehmen dringend Planungssicherheit und Investitionen benötigen.
„Stabile Energiepreise, ausreichende Mittel für Forschung und Entwicklung sowie Investitionen in unsere Infrastruktur – von Schiene über Straßen bis hin zu Brücken – sind für Deutschlands Zukunft unverzichtbar. Diese Prioritäten können nicht bis zu Neuwahlen Ende März 2025 warten. Wirtschaft und Gesellschaft brauchen jetzt Klarheit und einen verlässlichen Kurs, um die notwendigen Innovationen und den Ausbau zu sichern. Nur so können wir die Herausforderungen der Transformation erfolgreich meistern“, fasst Adrian Willig, Direktor des Vereins Deutscher Ingenieure (VDI), die Anforderungen an die Politik zusammen.
Bauindustrie schlägt Alarm: Ohne Nachtragshaushalt drohen Baustopp und Infrastrukturkrise
Tim-Oliver Müller, Geschäftsführer des Hauptverbandes der Deutschen Bauindustrie, teilte am Dienstag mit: „Die Ampel ist aus. Manche haben es herbeigeschworen, das Land trifft dies aber an seiner empfindlichsten Stelle: Wenige Tage vor dem Beschluss für den Nachtragshaushalt 2024 und den Haushaltsbeschluss für das kommende Jahr. Das ist bitter für unsere Wirtschaft und Industrie, die auf eine verlässliche Bundesregierung angewiesen sind, in diesen Tagen mehr denn je.“
Müller warnt, dass die vorläufige Haushaltsführung nur noch ein Mindestmaß an Ausgaben zulasse und so wichtige Investitionen nicht mehr an den Start gebracht würden. „Ohne Nachtragshaushalt 2024 laufen wir sogar Gefahr, dass Rechnungen, etwa die der Autobahn GmbH, in diesem Jahr nicht mehr beglichen werden können. Das heißt im Klartext: keine neuen Straßen, keine neuen Brücken, keine neuen Schienen.“
Unklar sei auch, was mit den Förderprogrammen im Wohnungsbau passiert. Ein Förderstopp wäre eine Katastrophe für die Baubranche. Müller ruft zur Besonnenheit auf und nimmt auch CDU-Chef Friedrich Merz in die Pflicht. „Alle sind nun aufgefordert, den Nachtragshaushalt zumindest für 2024 und am besten auch einen Nothaushalt für 2025 mitzutragen. Damit Deutschland nicht zum Stillstand kommt.“
Deutsche Elektroindustrie will schnelle Neuwahlen
Der Verband der Elektro- und Digitalindustrie (ZVEI) setzt sich für schnelle Neuwahlen ein. Wolfgang Weber, Vorsitzender der Geschäftsführung des ZVEI, findet deutliche Worte: „Eine politische Hängepartie kann sich die Wirtschaft nicht leisten. Unser Land hat Besseres verdient. Die Lage ist ernst, die Unternehmen brauchen schnell Entlastung: Bürokratie abbauen, die keinen Sinn stiftet. Den Strompreis auf ein wettbewerbsfähiges Niveau senken. Letztlich angebotsorientierte Rahmenbedingungen schaffen, die wieder Investitionen auslösen, Wachstum entfachen und damit zur Wohlstandssicherung aller beitragen.“
Er betont: „Solche Entscheidungen brauchen eine handlungsfähige, gefestigte Bundesregierung, auch um wirtschaftsorientiert auf die sich gerade konstituierende neue EU-Kommission und das neue Parlament einwirken zu können. Dass die Neuwahlen erst im März 2025 stattfinden sollen, halten wir für falsch. Deutschland braucht eine Regierung, die gestalten kann. Deshalb fordern wir Neuwahlen zum schnellstmöglichen Zeitpunkt.“
Auch der Mittelstandsverbund fordert einen Neustart
Ähnlich argumentiert „Der Mittelstandsverbund – ZGV e. V.“, der als Spitzenverband der deutschen Wirtschaft in Berlin und Brüssel die Interessen von ca. 230.000 mittelständischen Unternehmen vertritt. ZGV-Präsident Eckhard Schwarzer sagt: „Ein Neuanfang für Deutschland ist überfällig! Unser Land braucht jetzt Klarheit, Stabilität und eine Regierung, die Wachstum, wirtschaftliche Freiheit, Innovation und Bürokratieabbau statt -aufbau in den Mittelpunkt ihrer Arbeit stellt. Eine solche Regierung brauchen wir so schnell wie möglich. Bundeskanzler Olaf Scholz darf deshalb mit der Vertrauensfrage nicht bis Januar warten, sondern sollte sie umgehend im Bundestag stellen. Wir können uns angesichts der ernsten wirtschaftlichen Lage in Deutschland und unserer internationalen Herausforderungen weitere Monate Stillstand nicht erlauben.“ Mit Blick auf den entlassenen Finanzminister erklärt der Verein in einer Pressemitteilung: „Es wäre ökonomisch falsch gewesen, die Schuldenbremse auszusetzen.“
Startup-Verband: Deutschland braucht eine zukunftsorientierte Wirtschaftspolitik
Verena Pausder, Vorstandsvorsitzende des Startup-Verbandes, fordert derweil eine „Anpack-Mentalität“ in der Politik: „Wir brauchen einen unternehmerischen Aufbruch. Jetzt erst recht. Streit und Stillstand können wir uns nicht leisten. Deswegen ist eine handlungsfähige Regierung wichtiger denn je. Wir sind überzeugt: Mit internationaler Spitzenforschung, herausragenden Talenten, einer starken industriellen Basis und genug privatem Kapital haben wir in Deutschland alle Zutaten, um global erfolgreich zu sein. Für all das muss eine Bundesregierung einen zukunftsorientierten Rahmen schaffen.“
BSW-Solar: „Erfolgreiche Energie- und Klimaschutzpolitik benötigt handlungsfähige Mehrheiten im Bundestag“
Carsten Körnig, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes Solarwirtschaft e. V. (BSW-Solar) erteilt einer Rot-Grünen Minderheitsregierung eine Absage. „Eine erfolgreiche Energie- und Klimaschutzpolitik benötigt ausreichende Gestaltungsspielräume und handlungsfähige Mehrheiten im Bundestag.“ Für die Stromversorgung Des Landes sei die Solartechnik inzwischen „systemrelevant“ und zugleich ein bedeutender Wirtschaftsfaktor. „Jede parteitaktische oder ideologische Verzögerung gefährdet die Versorgung von Industrie und Wirtschaft mit günstigem Strom aus Erneuerbaren Energien“, warnt König. Er appelliert an die Politik „jetzt parteiübergreifend Entscheidungs- und Kompromissfähigkeit bei wichtigen energiepolitischen Fragestellungen zu beweisen, für Investitionssicherheit in der Energiewende zu sorgen und den Abbau von Marktbarrieren fortzuführen.“
Bitkom stellt der gescheiterten Koalition ein schlechtes Zeugnis aus
Bitkom-Präsident Ralf Wintergerst gibt sich wenig überrascht vom Ende der Ampel-Koalition. Überraschend seien für ihn „allein die sehr persönlichen Anwürfe in der öffentlichen Begründung“. In der Digitalpolitik herrsche seit mehr als einem halben Jahr Stillstand. „Die Fortschrittskoalition hat den angekündigten Fortschritt nicht gebracht“, so sein Fazit. „Stattdessen wurde die digitale Wirtschaft mit einem Bündel an Regulierungsmaßnahmen eingeschnürt und in ihrer Wettbewerbsfähigkeit mehr behindert als gefördert.“
„Schnelle Vertrauensfrage, schnelle Neuwahlen“, verlangt der Verband kommunaler Unternehmen (VKU)
Ein Ende mit Schrecken zieht auch Ingbert Liebing, Hauptgeschäftsführer des Verbands kommunaler Unternehmen (VKU), einem endlosen Schrecken vor. „Die Bundesregierung war schon vor dem jetzt vollzogenen Ende der Ampelkoalition kaum noch entscheidungs- und handlungsfähig. Dringend notwendige Entscheidungen werden schon viel zu lange immer wieder aufgeschoben.“ Statt Experimente brauche es jetzt schnell Klarheit. Konkret eine „schnelle Vertrauensfrage, schnelle Neuwahlen und schnell eine handlungsfähige neue Bundesregierung“, so Liebing.