Bundesregierung will Rüstungsindustrie stärken
In einem vom Bundeskabinett beschlossenen Leitbild bekennt sich die Bundesregierung zu einer besseren Unterstützung der Sicherheits- und Verteidigungsindustrie.
Als konkreten Beitrag dazu wird in dem Strategiepapier der Bau von Marineüberwasserschiffen sowie die Ausrüstung für die Elektronische Kampfführung als nationale Schlüsseltechnologien eingestuft. Diese Maßnahme bedeutet gemäß den EU-Regelungen, dass entsprechende Aufträge nicht mehr zwingend europaweit ausgeschrieben werden müssen. „Die sicherheits- und verteidigungspolitischen Herausforderungen Deutschlands, der EU sowie der Nato sind in den zurückliegenden Jahren größer, volatiler und komplexer geworden“, heißt es in dem Dokument. Ziel der Bundesregierung sei es daher, auf eine innovative, leistungs- und wettbewerbsfähige Sicherheits- und Verteidigungsindustrie in Deutschland und der EU zurückgreifen zu können.
Behörden sollen ausländische Investionen prüfen
Als Maßnahmen nennt das Papier die Stärkung von Forschung und Entwicklung, das Schaffen von Rahmenbedingungen für eine effiziente Produktion, die Optimierung des Beschaffungswesen, eine verantwortungsvolle Exportkontrolle und den Schutz der eigenen Sicherheitsinteressen. Zu Letzterem zählt die behördliche Prüfung von ausländischen Investitionen in Unternehmen, die für die nationale Sicherheit relevant sind. Als Konsequenzen auf der europäischen Ebene erwähnt das Leitbild die Teilnahme an gemeinsamen Innovationsprogrammen, die Nutzung des Europäischen Verteidigungsfonds zur Vertiefung des Verteidigungsgütermarktes und die Harmonisierung der Exportkontrolle.
Beteiligt an der Erarbeitung des Papiers waren unter anderem das Bundeswirtschaftsministerium, das Verteidigungsministerium, das Auswärtige Amt, das Bundesforschungsministerium und das Bundesinnenministerium. Das Strategiepapier zielt nicht nur auf eine bessere Ausstattung für die Bundeswehr, sondern auch für zivile Behörden sowie Organisationen mit Sicherheitsaufgaben (BOS) wie Zoll und Polizei. Mit dem Leitbild wird erstmals die Formulierung getrennter Strategiepapiere für die zivile und militärische Sicherheit aufgegeben, wie sie zuletzt 2016 bzw. 2015 publiziert wurden.
Abkehr vom Kurs Ursula von der Leyens
Mit dem Benennen der verteidigungspolitischen Schlüsseltechnologien verabschiedet sich die Bundesregierung von dem von der damaligen Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen favorisierten Kurs, Rüstungsprojekte europaweit auszuschreiben, um so die Konkurrenz der Anbieter anzustacheln und Kosten zu sparen. Wirksam wurde dies etwa bei der Ankündigung des Verteidigungsministeriums zu Beginn diesen Jahres, vier Kriegsschiffe der Klasse „MKS 180“ von der niederländischen Werft Damen bauen zu lassen. Prompt hatte der unterlegene Anbieter German Naval Yards (GNY) in Kiel angekündigt, die Vergabe des milliardenschweren Auftrags juristisch überprüfen zu lassen. Ebenfalls zu Beginn des Jahres hatten mehrere Bundesländer, in denen Schiffe und Zulieferteile für die Deutsche Marine gebaut werden, in einem Brandbrief die Bundesregierung ermahnt, die Vereinbarung aus dem Koalitionsvertrag umzusetzen und den Bau von Marineüberwasserschiffen zügig als Schlüsseltechnologie einzustufen.
Dringender Bedarf an neuen Tankern
Beschleunigen dürfte sich dank des Strategiepapiers der Bau der beiden dringend benötigten Marinetanker vom Typ „Betriebsstofftransporter Klasse 707“. Ihre Anschaffung hatte die Bundeswehr im Juli 2019 genehmigt. Sie sollen bis zum Jahr 2024 die beiden vier Jahrzehne alten Tanker Spessart und Rhön ablösen, die mit ihren einfachen Außenhüllen längst nicht mehr dem Stand der Sicherheitstechnik entsprechen. 2018 hatten die beiden Schiffe wegen Mängeln an den Dieselmotoren sogar vorübergehend die Betriebszulassung verloren.
Politische Einmischungen in Rüstungsinvestitionen tragen jedoch stets das Risiko vermeidbarer Kostensteigerungen in sich. So warnte jüngst der Wehrbeauftragte Hans-Peter Bartels in den VDI nachrichten: „Wir haben ja gern Angst vor Monopolen, aber das Finanzieren von Scheinwettbewerb in der Vergangenheit war gelegentlich noch unwirtschaftlicher“. Als Beispiel nannte er den dritten Einsatzgruppenversorger für die Marine. Die „Bonn“ sei so teuer geworden wie die ersten beiden Neubauten des Typs zusammen, weil „vier Werften beteiligt waren, die sonst angeblich pleitegegangen wären.“
Das Interview mit Hans-Peter Bartels finden Sie hier:
- https://www.vdi-nachrichten.com/technik/bundeswehr-soll-weniger-geld-verbrennen/