Waffenlieferungen an die Ukraine
29. Mrz 2023
Von Peter Odrich
Lesezeit: ca. 4 Minuten
Challenger-Panzer für die Ukraine reißen ein großes Loch in die Kampfkraft der britischen Armee
Die an die Ukraine gelieferten Kampfpanzer des Typs Challenger werden eigentlich von den britischen Streitkräften selbst benötigt. Ihre künftige Ausrüstung und Aufgaben werden intensiv diskutiert.
„Es war mir eine große Ehre, mit dem ersten ukrainischen Kampfpanzer Challenger 2 eine Spritztour zu unternehmen“, schrieb der ukrainische Verteidigungsminister Oleksii Reznikov am gestrigen Dienstag auf Twitter. „Diese Panzer sind kürzlich in der Ukraine angekommen.“
Damit ging eine Ankündigung des britischen Premierministers Rishi Sunak in Erfüllung, der im Januar als erster Regierungschef die Lieferung von Kampfpanzern westlichen Typs an die Ukraine angekündigt hatte.
In der Regierung in London wird um die Lieferung weiterer 14 Panzer gerungen. Es geht dabei einmal um die Kosten und zum anderen um die damit verbundene weitere Schwächung der britischen Streitkräfte.
Britische Waffenlieferungen an die Ukraine gehen zulasten der eigenen Armee
Schließlich ist das Vereinigte Königreich nach den Vereinigten Staaten der zweitgrößte westliche Waffenlieferant für die Ukraine. Das geht stark zulasten der militärischen Bestände. Die Notwendigkeit weiterer umfangreicher Lieferungen, zu denen durchaus auch Flugzeuge gehören könnten, wird allerdings weder in der britischen Politik noch in der Bevölkerung bestritten. Die Frage, zulasten welches Ressorts das finanziell aber gehen soll, ist in der Regierung umkämpft.
Großbritannien hat eine lange Geschichte der Panzerentwicklung. Es setzte diese Waffe als erste Nation überhaupt ein, im September 1916 auf den Schlachtfeldern in Nordostfrankreich. Im Zweiten Weltkrieg wurden mit extremem Aufwand viele Hundert britische Panzer auf dem Seewege an die von der Wehrmacht hart bedrängte sowjetische Armee geliefert. Auf den westlichen Schlachtfeldern waren die meisten britischen Panzer aber den deutschen Entwicklungen unterlegen. Das änderte sich mit neuen Typen erst gegen Kriegsende.
Wie Großbritannien seine Panzer vom Ersten Weltkrieg bis zum Fall der Mauer entwickelte, zeigt diese Bildergalerie:
Die Konstruktion des Challengers beruht auf einer Tradition des britischen Panzerbaus, der auf schwer gepanzerte und bewaffnete Typen setzt. Hier sind die direkten Vorgänger des Challengers, die Chieftains, bei einer Parade in Berlin im Sommer 1989 zu sehen. Das ungewöhnliche Tarnschema sollte helfen, die Stahlriesen in den Straßenschluchten – und im Kriegsfall den Trümmern – Berlins zu verstecken.
Foto: Imke Paust/gemeinfrei
Großbritannien war die erste Nation, die im Ersten Weltkrieg Panzer einsetzte und das auch noch in großer Zahl. Ihre Aufgabe war es, die vorrückende Infanterie zu unterstützen, indem sie feindliche Stellungen zusammenschoss. Im Schlamm und von Schützengräben und Granattrichtern durchzogenen Gelände bewiesen sich die Vorteile von Gleiskettenantrieben.
Foto: John Warwick Brooke/public domain
In der Zwischenkriegszeit wurden einige britische Panzertypen von zweifelhafter Qualität entwickelt. Der Covenanter auf diesem Bild ist von Nieten übersäht, weil seine Herstellerfirma Loks baute, aber keine Erfahrungen mit Panzern hatte. Die schmalen Ketten ließen den Panzer bei weichem Boden einsinken, und die Kühler am Bug der Wanne waren gegen Beschuss empfindlich.
Foto: IWM, public domain
Der Churchill wurde ursprünglich als Panzer zur Begleitung der Infanterie in der Tradition des Ersten Weltkriegs entwickelt worden und war entsprechend langsam und schwer gepanzert. Nach der Landung der Alliierten in der Normandie im Juni 1944 erwies er sich als leistungsfähiger Kampfpanzer gegen seine deutschen Gegenspieler.
Foto: IWM/public domain
Der britische Kampfpanzer Centurion war in den 1950er-Jahren mit seiner schweren Panzerung, guten Geländegängigkeit und starken Feuerkraft ein so ausgewogen konstruierter Kampfpanzer, dass er von etlichen Nato-Staaten in Dienst genommen wurde. Das Foto zeigt ein als Museumsstück ausgestelltes Exemplar der israelischen Streitkräfte auf den Golanhöhen. Der Panzer erinnert an die sogenannte Schlacht im Tal der Tränen während des Jom-Kippur-Krieges, als rund 100 israelische Centurion eine weit überlegene Zahl syrischer Panzer zusammenschossen.
Foto: Peter Steinmüller
Ein Leopard 1 aus deutscher Produktion (l.) und ein britischer Chieftain bei der Erprobung durch die niederländischen Streitkräfte im Jahr 1968. Der Chieftain, Nachfolger des Centurions, hatte bereits eine 120-mm-Kanone mit großer Reichweite und Durchschlagskraft. Leopard, Centurion und US-Panzer waren mit einer 105-mm-Kanone ausgestattet.
Foto: Eric Koch for Anefo/ CC0 1.0
Außer in den Iran konnte Großbritannien keine Chieftain-Panzer ins Ausland verkaufen. Die europäischen Nato-Staaten und Kanada entschieden sich mit Ausnahme Frankreichs für den Leopard 1. Bei ihm ging die Beweglichkeit zulasten der Panzerung. Das Foto zeigt einen der Prototypen, das Modell A 2, mit dem Porsche, Jung Jungenthal, Luther & Jordan an der Ausschreibung teilnahmen im Deutschen Panzermuseum Munster.
Foto: Steinmüller
Die USA setzten im Kalten Krieg 30 Jahre lang auf den M60, der sich technisch wenig von seinem Vorgänger M48 aus den 1950er-Jahren unterschied. Ebenso wie der Leopard und spätere Versionen des Centurion war der M60 mit einer britischen L7-Kanone des Kalibers 105 mm ausgerüstet.
Foto: Staff Sgt. Fernando Serna/public domain
Die westlichen Kampfpanzer des Kalten Krieges wurden für den Kampf gegen die Panzerverbände des Warschauer Paktes konstruiert. Ausgestattet waren diese mit Kampfpanzern der T-Baureihe, beginnend mit dem T-55. Sowjetische Kampfpanzer waren bei Panzerung, Ergonomie, Reparaturmöglichkeiten und Optik ihren westlichen Gegenstücken weit unterlegen. Nato-Planer erwarteten von ihren Besatzungen, dass sie einer vier- bis zehnfachen Übermacht standhalten konnten. Das Foto zeigt einen T-55 der irakischen Streitkräfte.
Foto: SPC Maria Mengrone, 100th MPAD, U.S. Army/public domain
Zur westöstlichen Panzerschlacht kam es kurz nach Ende des Kalten Krieges während der Operation Desert Storm zur Befreiung Kuwaits von der irakischen Invasion im Jahr 1991. Britische Challenger zerstörten rund 300 feindliche Panzer und Fahrzeuge, ohne einen eigenen Panzer zu verlieren.
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