Deshalb flutet China die Welt mit Solarpaneelen
China hat riesige Überkapazitäten in der Solarindustrie geschaffen und treibt Konkurrenten in aller Welt in den Ruin. Fragt sich bloß, warum.
Laut chinesischem Energieministerium verbaute das Land 2023 Solarmodule mit einer Kapazität von 216 GW. 15-mal so viel wie Deutschland (14,1 GW). Auch 2024 sollen es wieder bis zu 220 GW werden. Mehr als alle anderen Länder auf der Welt zusammen. Die meisten Zellen werden nicht auf Hausdächern verbaut, sondern in gigantischen Solarkraftwerken im strukturschwachen Westen Chinas, etwa in der Inneren Mongolei. Doch selbst dieser massive Zubau im Inland kann die Überkapazitäten der chinesischen Solarindustrie nicht mehr abnehmen. Paneele made in China fluten den Weltmarkt zu Spottpreisen. Was Verbraucher freut, wird zum echten Problem für die Branche. Hersteller können am Standort Deutschland nicht mehr mithalten. Meyer Burger zog kürzlich die Konsequenzen und gab seinen verbliebenen Fertigungsstandort im sächsischen Freiberg auf. Wozu aber forciert China ausgerechnet diese Industrie derart?
China bekämpft seine Wachstumsschwäche mit verstärktem Export
Jacob Gunter vom Merics-Institut (Mercator Institute for China Studies) sieht gleich drei Ursachen: „Die Solarindustrie repariert im Grunde drei Hauptprobleme auf einmal, die Peking gerade versucht zu lösen“, sagt er gegenüber dpa. „Erstens ist es ein neuer Wachstumstreiber. Zweitens ist Chinas immer dominantere Position auf dem globalen Markt für Solarpaneele geopolitisch enorm nützlich für Peking. Drittens hilft sie, das Problem durch die Agenda für Dekarbonisierung zu lösen.“
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Das erste der genannten Probleme rührt aus der Immobilienkrise her. Mindestens ein Fünftel der chinesischen Wirtschaftsleistung wurde in der Vergangenheit im Bau und in den angeschlossenen Industrien erwirtschaftet. Doch der Sektor hat sich überhitzt. Immobilienentwickler mit Schulden von wenigstens einer halben Billion US-Dollar stehen vor der Pleite. China erlebt einen heftigen Konjunkturdämpfer. Die kommunistische Partei bietet der Bauwirtschaft mit den Solarparks eine Alternative, erläutert der Vorsitzende des chinesisch-europäischen Forums für den Wandel zu sauberer Energie, Cheng Zhang: „Verglichen mit Investments in Immobilien ist der Multiplikatoreffekt dieser Industrie aber noch zu klein.“ Sprich: die Solarindustrie kann längst nicht auffangen, was derzeit an Aufträgen im Wohnungsbau wegbricht.
China produziert am Markt vorbei
Für Merics-Experte Gunter ist das nur ein Nachteil des chinesischen Solarhypes. Dazu kommt: Die Preise verfallen wegen des Überangebots so schnell, dass die Unternehmen mit ihrer Fertigung keine Gewinne mehr erzielen können. Gunter: „Die Blase ist bereits da. Chinesische Hersteller von Solarpaneelen fertigen viel mehr Paneele, als in China und eigentlich auch auf der Welt im Moment verbraucht werden können.“ Nicht wirtschaftliches Kalkül, sondern Pekings Industriepolitik stecke hinter einem so überdimensionierten Ausbau der Industrie. „Das Maß an Überkapazität bedeutet, dass Hersteller von Solarpaneelen in anderen Märkten nicht mit dem Preis mithalten können“, sagt Gunter. Cheng stimmt dieser Einschätzung zu: „Überkapazität ist ein immer ernsteres Problem geworden.“
Selbst in China gibt es Kritik an den Dumping-Verkäufen
Inzwischen äußern selbst Ökonomen in China Kritik. Der Wirtschaftswissenschaftler Huang Yiping von der Peking-Universität warnte, dass Überkapazitäten die internationale Handelsordnung stören könnten, zitieren ihn mehrere örtliche Medien. Die Folge könnten Einfuhrzölle gegen chinesische Waren sein, was letztlich Chinas Innovationskraft schaden könne.
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China-Kenner vermuten aber neben den wirtschaftlichen Erwägungen auch noch einen geopolitischen Hintergrund für die Industriepolitik Chinas. Laut Gunter will China mit seiner Dominanz in der Solarindustrie ein Gegengewicht zu den USA schaffen. Ein weltweites De-facto-Monopol auf Solarpaneele hätte den Vorteil, dass man westliche Länder mit einem Ausfuhrstopp unter Druck setzen könnte. Damit könnte China reagieren, falls etwa die USA ihre Ausfuhrbeschränkungen, etwa für Halbleiter, weiter verschärfen, so Gunter.
Auch China strebt Klimaneutralität an
Das offensichtlichste Argument für eine starke Förderung der Solarindustrie besteht zudem in der Dekarbonisierung, die auch China anstrebt. Ab 2025 soll der CO2-Ausstoß in der Volksrepublik zurückgehen. Bis zur Klimaneutralität, die 2060 erreicht sein soll, ist es allerdings noch ein langer Weg. Denn derzeit stammen noch 60 % der Energie in China aus der Verbrennung von Kohle. (dpa/aw)