Diese Videos erklären die aktuelle Lage im Ukrainekrieg
Ist Russland gerade dabei, den Ukrainekrieg zu gewinnen? Und was können westliche Waffenlieferungen dagegen tun? Erklärungen von der Bundeswehr, Österreichs Bundesheer, dem Historiker Sönke Neitzel und Youtuber Bernhard Kast.
Im Krieg in der Ukraine scheint Russland in langsamen Schritten zu gewinnen. Die Gebietsgewinne in der Ostukraine sind ein schwerer Schlag für die ukrainischen Verteidiger. Wer sich selbst ein Bild über die weitere Kriegsentwicklung und die westliche Unterstützung machen möchte, wird in diesen Videos fündig.
Österreichischer Militärexperte warnt vor „totaler Zerstörung in der Ostukraine“
Die Gründe für die russischen Erfolge legt Oberst Berthold Sandtner in der österreichischen Nachrichtensendung ZIB dar. Für den Militärstrategen an der Landesverteidigungsakademie Wien zeigt der Erfolg der russischen Armee, wie sehr diese ihre Fähigkeiten seit Kriegsbeginn verbessert habe, sodass sie nun auch schwieriges Gelände mit Sümpfen und Flussquerungen überwinden könne. Sandtner warnt davor, dass nun in einer Entfernung von nur rund 80 km/h von Lysstschansk sich ein offenes Gelände auftue, in dem vor dem Krieg 500 000 Menschen gelebt hätten.
Nach den Erfahrungen mit der russischen Kriegsführung prognostiziert Sandtner den beiden großen Städten der Gegend, Kramatorsk und Slowansk, in nüchternem Österreichisch „die totale Devastierung“. Russland setze seine Raketenartillerie als „Dampfwalze“ ein, die „alles kurz und klein“ schieße. Die Lieferung von weitreichenden acht Raketensystemen vom Typ Himars an die Ukraine seien dagegen nur „ein Tropfen auf den heißen Stein“. Putin sei die weitgehende Zerstörung von Infrastruktur und Wohngebäuden egal, solange er nur sein Kriegsziel erreiche, den Donbas an Russland anzuschließen.
Oberst Berthold Sandtner zu den jüngsten russischen Eroberungen in der Ostukraine
Wie könnte der Leopard 2 der Ukraine helfen?
Inwieweit könnte der Ukraine in dieser Situation die Lieferung von Nato-Kampfpanzern helfen? Nur bedingt, argumentiert der Bernhard Kart. Der Betreiber des militärhistorischen Youtube-Kanals „Military History Visualized“ zeigt das am Beispiel des Leopard 2 A4. Etliche eingemottete Panzer dieses Typs hatte Spanien vor einigen Wochen der Ukraine angeboten. Zwar könnten die 120-mm-Kanonen des Leopard die Panzerung der meisten russischen Panzer durchschlagen. Allerdings komme die Munition aus Israel, das bisher keinen Lieferungen von Waffen aus seiner Produktion an die Ukraine zugestimmt hat. Möglicherweise gebe es aber weitere Bezugsmöglichkeiten auf dem Weltmarkt.
Der Leopard 2 begeht sein 40. Dienstjubiläum
Dank seiner zwei Rückwärtsgänge erreicht der Leopard im Rückwärtsgang eine Geschwindigkeit von 31 km/h. Das macht ihn ideal geeignet für das sogenannte Verzögerungsgefecht. Bei dieser Gefechtsart, die die Ukraine seit Wochen im Donbas erfolgreich anwendet, wird Gebiet aufgegeben, aber dabei aus wechselnden Stellungen – so der Bundeswehr-Ausdruck – „der Feind abgenutzt“, es werden möglichst viele russische Panzer vernichtet. Der entscheidende Nachteil des Leopard 2 tauchte bisher in der oft sehr emotionalen Diskussion über das Pro und Kontra der Lieferung schwerer Waffen nicht auf, aber sehr wohl in diesem Video: Die Straßen und Brücken in der Ukraine sind für ein maximales Fahrzeuggewicht von 44 t ausgelegt. Eine Kolonne von Leopard 2 A4 würde also in kürzester Zeit eine Straße ruinieren. Brücken könnte sie nur überqueren, wenn diese zuvor von Bautrupps verstärkt werden – was wiederum russischen Beschuss anlocken würde.
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Kann die Rüstungsindustrie Waffen an die Ukraine liefern?
Wenn es mit den Leopard 2 für die Ukraine nichts wird, welchen Einfluss hat die Unterstützung mit anderen Waffen auf den Kriegsverlauf? Das ist das Thema von Brigadegeneral Christian Freuding, dem Leiter des „Lagezentrums Ukraine“ im Bundesverteidigungsministerium, den die Bundeswehr in ihrem Youtube-Kanal zum dritten Mal zum Ukrainekrieg befragt. Die immer wieder erhobene Forderung, die Bundesregierung solle der Ukraine erlauben, direkt bei der Rüstungsindustrie das Notwendige zu bestellen, kontert Freuding mit dem Hinweis, dass damit keine hohen Stückzahlen und kurze Lieferfristen zu erwarten seien. Denn Rüstungsprodukte entstünden in Manufakturarbeit, „die stehen nicht im Regal oder auf dem Parkplatz“. Zwischen Bestellung und Auslieferung eines Waffensystems vergingen in der Regel zwischen 24 und 36 Monaten.
Kampfflugzeug FCAS droht die Bundesregierung mit dem Ende
Es bringt laut Freuding auch nichts, „einfach Stahl über die Grenze zu schieben“. Die Bundesregierung achte deshalb darauf, Pakete aus Waffensystem, Ausbildung, Munition und Ersatzteilen zu liefern, die der ukrainischen Armee wirklich nützten. Für die Panzerhaubitze 2000 stelle die Bundeswehr ein Fernwartungssystem bereit, das es den ukrainischen Soldaten in ihren Stellungen erlaube, mithilfe von Virtual-Reality-Elementen Unterstützung aus Deutschland zu bekommen. Die 18 von Deutschland und den Niederlanden gelieferten Panzerhaubitzen 2000 würden letztendlich eine schlagkräftige Artillerieeinheit bilden. Vom seit Langem angekündigten Flugabwehrpanzer Gepard sollen Freuding zufolge 15 Fahrzeuge bis Ende Juli die Ukraine erreichen.
Dass die Moral der ukrainischen Streitkräfte nicht einbricht, zeigt dem Brigadegeneral zufolge der geordnete Rückzug aus dem Gebiet um Luhansk. Sie hätten die Brücken hinter sich gesprengt und ihr schweres Gerät mitgenommen, sodass sie in neuen Verteidigungsstellungen die bereits stark dezimierten russischen Verbände weiter „abnutzen“ könnten.
Und was ist letztendlich das Ziel der Waffenlieferungen? Freudings Antwort darauf fällt eindeutiger aus als bei so mancher Stimme aus der Politik: „Die Ukraine so zu unterstützen, dass sie sich verteidigen kann, dass Russland diesen Krieg nicht gewinnt. Dass sich nicht Gewalt, Völkerrechtsbruch und Aggression durchsetzen, sondern dass am Ende der Kampf um die Freiheit obsiegt.“
Wie kann der Ukrainekrieg enden?
Der Militärhistoriker Sönke Neitzel von der Universität Potsdam nennt weit weniger idealistische Gründe für die Unterstützung der Ukraine. Vielmehr sollte der Westen eine profundes Eigeninteresse daran haben. Denn für ihn ist der aktuelle Krieg die Blaupause für künftige zwischenstaatliche Kriege, auf die sich die Demokratien jetzt einstellen müssen. Es sei ein Irrtum gewesen, zu glauben, „Kriege mit Panzern sind kalter Kaffee aus dem Kalten Krieg“. Man dürfe keineswegs davon ausgehen, dass bei einem russischen Sieg „Putins Appetit gestillt“ sei.
Die russischen Verluste in der Ukraine sorgten aktuell dafür, dass kein Angriff auf das Baltikum zu befürchten sei. Aber in zwei oder drei Jahren könne das anders aussehen.
Als die Rote Flotte im Schwarzen Meer auf Kollisionskurs ging
Von den in jüngster Zeit aufgetauchten Hitler-/Putin-Vergleichen hält der Historiker Neitzel nichts. Allerdings könne man aus den 1930er-Jahren lernen, wie Großbritannien und die USA rechtzeitig die Rüstungsproduktion hochgefahren hätten. Das hätte die EU nach der russischen Aggression gegen die Ukraine im Jahre 2014 versäumt. Bei Hightech-Waffensystemen ist der Westen Neitzel zufolge Russland weit überlegen, da dürfe man sich von Putins Hyperschallraketen keine Angst einjagen lassen. Wichtig sei, dass Europa seine Rüstungsprojekte bündele und sich nicht weiter verzettele.
Wie aber kann ein Plan für die Beendigung des Ukrainekriegs aussehen? Neitzel nennt dazu folgende Punkte:
- ein Waffenstillstand entlang der jetzigen Frontlinie
- Odessa bleibt in ukrainischer Hand, um über den Hafen Weizenexporte zu ermöglichen
- Eine Rückeroberung der Krim kommt schon deshalb nicht infrage, weil dies Putin zum Einsatz taktischer Atomwaffen provozieren könnte.