Führungskräfte erwarten von Bundesregierung Schub für Digitalisierung
Entscheider aus Wirtschaft und Politik und auch die allgemeine Bevölkerung halten die Digitalisierung in Deutschland für rückständig – besonders in der Verwaltung und in anderen staatlichen Bereichen. Doch die Zuversicht ist groß, dass sich das mit der Ampelkoalition ändern wird.
Das Testat ist eindeutig: 94 % der Führungsspitzen aus Wirtschaft und Politik sehen Deutschland bei der Digitalisierung unverändert im Rückstand. Besonders im staatlichen Bereich wird die Digitalisierung unverändert kritisch bewertet. Nur 2 % der Entscheider halten Ämter, Behörden und den öffentlichen Dienst für gut aufgestellt. Ähnlich bewertet das die Bevölkerung: Lediglich 15 % meinen, dass Verwaltungen und Behörden bei der Digitalisierung schnell vorankommen. Für den Schulbereich denken dies 12 %, für den Verkehrssektor 10 %. Auch der Polizei und den Sicherheitsbehörden attestieren nur 12 % aller befragten Bürgerinnen und Bürger rasche Fortschritte.
Das ist das Ergebnis des Digitalreports 2022 des European Center for Digital Competitiveness der ESCP Business School Berlin und des Instituts für Demoskopie Allensbach. Der Digitalreport wurde heute, am 25. Januar, vorgestellt und erscheint bereits zum dritten Mal. Er basiert auf einer aktuellen repräsentativen Bevölkerungsumfrage sowie auf Ergebnissen einer Umfrage von rund 500 Topführungskräften aus Wirtschaft und Politik.
Großes Zutrauen: Hoffnung in Digitalisierungsschub durch neue Regierung
Am ehesten wird der Wirtschaft der digitale Wandel zugetraut. Noch vor einem Jahr hielten 35 % der Spitzenkräfte aus Wirtschaft und Politik die Industrie und Wirtschaft im Bereich Digitalisierung für gut aufgestellt, aktuell sind es 44 %.
Die Befragten haben hohe Erwartungen an die Ampelkoalition aus SPD, Grünen und FDP. „Der Regierungswechsel befeuert Hoffnungen, dass die Digitalisierung künftig entschiedener vorangetrieben wird als in den letzten Jahren“, sagt Renate Köcher vom Institut für Demoskopie Allensbach. Die Spitzenkräfte aus Wirtschaft und Politik seien hier in bemerkenswertem Umfang optimistisch: 82 % sind davon überzeugt, dass das Thema in Zukunft entschiedener vorangetrieben wird.
Bevölkerung glaubt an Digitalkompetenz der FDP – Unionsparteien sind Verlierer
In der Bevölkerung sieht das anders aus. Dort haben nur 37 % Hoffnung, dass die neue Regierung die Digitalisierung in Zukunft stärker fördert, während 32 % skeptisch sind. Je höher der sozialökonomische Status der Befragten, desto größer sei der Glaube an die möglichen Erfolge der Ampelkoalition, erklärte Köcher bei der Vorstellung der Studie.
Bürgerinnen und Bürger sehen vor allem die FDP als Motor eines politisch initiierten Digitalisierungsschubs. Beinahe jeder Dritte glaubt, dass sich die Liberalen dafür einsetzen. Der SPD trauen das nur 9 % zu, den Grünen und den Unionsparteien gar nur 7 %. Damit gelten CDU/CSU als größte Verlierer in puncto Digitalkompetenz. Im vergangenen Jahr waren noch 22 % überzeugt, dass sie hier führend sind. Allerdings traut weiterhin rund ein Viertel der befragten Bevölkerung weiterhin keiner Partei ein überzeugendes Digitalisierungskonzept zu, ein Drittel ist unentschieden.
Vor allem Schulen und Hochschulen sollen leistungsfähiger werden
Dafür ändern sich klar die Anforderungen an bestimmte Bereiche: Vor einem Jahr hielten es noch 34 % für wichtig, dass die öffentliche Verwaltung leistungsfähiger wird, aktuell sind es 47 %. Noch mehr legten die Erwartungen an Hochschulen und Schulen zu. Ende 2020 wünschten sich 52 % der Bevölkerung stärkere Digitalisierung, aktuell sind es 64 %
Bevölkerung sieht Chancen in Zukunftstechnologien
Die Chancen digitaler Zukunftstechnologien werden von der Bevölkerung sehr deutlich wahrgenommen. Aus Sicht der großen Mehrheit werden vor allem Drohnen (59 %), 3-D-Drucker (58 %) und KI (56 %) in Zukunft eine große Bedeutung haben, gefolgt von Techniken, die autonomes Fahren (47 %), besseren Umweltschutz (44 %) und eine bessere Unterstützung bei der Pflege (37 %) ermöglichen. Allerdings schätzen 80 % der Bürgerinnen und Bürger ihr Wissen über neue Technologien selbstkritisch als „gering“ ein.
Ampelkoalition muss digitalen Aufbruch schnell liefern
SPD, Grüne und FDP haben in ihrem Koalitionsvertrag einen „umfassenden digitalen Aufbruch“ avisiert. „Die Ampel muss jetzt den versprochenen Fortschritt auch liefern“, fordert Philip Meissner vom European Center for Digital Competitiveness der ESCP Business School Berlin. „Die großen Chancen neuer Technologien wie 3-D-Druck für das alltägliche Leben jedes Einzelnen, aber auch für den Wohlstand des Landes als Ganzes müssten in Zukunft stärker kommuniziert werden.“ Außerdem solle die Förderung von Start-ups und Zukunftstechnologien zur Chefsache gemacht und direkt von den Spitzen der Regierungsparteien verantwortet werden. Vor allem brauche es deutlich mehr Kapital und weniger Regulierung.
Die Digitalen Start-ups des Jahres 2021
Schulen und Hochschulen könnten virtuelle Realität in der Lehre einsetzen, Infrastrukturinvestitionen in Zukunftsprojekte wie Drohnen oder Hyperloop fließen. Für Meissner steht fest: „Wenn Deutschland seinen Wohlstand in den nächsten Jahren erhalten und ausbauen möchte, müssen wir jetzt entschieden handeln und das Land zu einem Standort für digitale Zukunftstechnologien machen.“