Nach einem halben Jahr im Amt 22. Jul 2024 Von Ines Gollnick Lesezeit: ca. 4 Minuten

Lamia Messari-Becker: Hessens Staatssekretärin in den Ruhestand geschickt

Die Professorin für Gebäudetechnologie und Bauphysik war seit Februar Staatssekretärin im hessischen Wirtschaftsministerium. Die Professorin für Bauphysik war seit Februar Staatssekretärin im hessischen Wirtschaftsministerium. Nun wurde sie in den Ruhestand geschickt.

Lamia Messari-Becker: "Ich möchte in Hessen einen Beitrag dazu leisten, dass ökologisches Wohnen für alle bezahlbar wird."
Foto: Paul Schneider/Hessische Staatskanzlei

„Es ist ein großer Gewinn für uns und unser Land, dass Frau Messari-Becker von nun an unsere Regierungsmannschaft ergänzen wird“, sagte Mansoori bei der Vereidigung von Messari-Becker in Wiesbaden noch im Februar. „Sie bringt wissenschaftliche Expertise, ambitionierte Ideen und eine gesunde Portion Pragmatismus mit“, führte der Landesminister aus. Nicht einmal ein halbes Jahr später sieht die hessische Landesregierung das offenkundig anders. Ursache für die Kehrtwende sein ein „nicht hinnehmbares Fehlverhalten“ der Bauexpertin, so Mansoori. Dies wiederspreche den Ansprüchen an seine engsten Mitarbieter und entziehe die Grundlage für eine weitere vertrauensvolle Zusammenarbeit. Von welchem Fehlverhalten dabei die Rede ist, wurde zunächst nicht bekannt. „Da sich der Vorfall außerhalb des Dienstverhältnissen ereignete, werde ich mich zu den Einzelheiten nicht äußern“, sagte Mansoori. Messari-Becker sei bereits seit einer Woche über diesen Schritt informiert. „Ein vereinbartes finales Gespräch konnte aufgrund einer aktuellen Erkrankung von Frau Messari-Becker leider bislang nicht stattfinden, was ich persönlich bedaure“, ergänzt der hessische Minister. Spekulationen in den Medien hatten die Landesregierung nun offensichtlich veranlasst, die Entscheidung auch ohne eine persönliche Rücksprache öffentlich zu machen.

Lesen Sie hier unser Porträt der Bauingenieurin, das wir im April 2024 veröffentlicht haben: 

Das Ministerium unterstreicht, dass die Professorin für Gebäudetechnologie und Bauphysik für ihr neues Amt fundiertes fachliches und praktisches Wissen in den Bereichen Ressourceneffizienz, Klimaschutz und Nachhaltigkeit im Hoch- und Städtebau sowie zu kommunalen Strategien des Klimaschutzes mitbringe.

Lamia Messari-Beckers Karriereweg ist eindrucksvoll. Die gebürtige Marokkanerin reiste mit 19 Jahren in Deutschland ein, lernte schnell die deutsche Sprache, studierte an der TU Darmstadt Bauingenieurwesen mit dem Schwerpunkt Massivbau, absolvierte das Aufbaustudium „Management für Führungskräfte“ an der Universität Karlsruhe, heute KIT, und promovierte 2006 zur Dr.-Ing. mit dem Thema „CO2-Minderung im Gebäudebestand“. Sie war Leiterin und Partnerin in einem internationalen Ingenieurbüro in Frankfurt am Main, bevor es sie ab 2014 für ein Jahrzehnt als Professorin für Gebäudetechnologie und Bauphysik an die Universität Siegen zog.

Die Bauingenieurin brachte ihr Wissen auch im Deutschen Bundestag ein

Dass sie dort lange blieb, hat zwei Gründe. „An Forschung und Lehre hat mich gereizt, einerseits junge Menschen im wichtigen Themenkomplex nachhaltiges Bauen auszubilden, andererseits forschungsbasiert Ideen und Vorschläge für den Wandel der Baubranche zu erarbeiten und in die Politikberatung einzuspeisen. Universitäten sollten immer Impulsgeber für positive Veränderungen sein.“ Ausdrücklich weist Messari-Becker darauf hin, dass sie „nach dem Wechsel in die Wissenschaft der Praxis als Gutachterin und Nachhaltigkeitsexpertin treu geblieben ist“.

Die Bauingenieurin gehörte diversen Gremien an wie dem Sachverständigenrat der Bundesregierung für Umweltfragen, außerdem war sie Sachverständige bei Anhörungen im Deutschen Bundestag. Ihre Mitgliedschaft im Club of Rome ruht zurzeit. Ist der aktuelle Karriereschritt für sie die logische Schlussfolgerung ihres politischen Engagements? „Meine bisherige Nähe zu wissensbasierter Politikberatung ist bekannt gewesen. Das Angebot selbst kam jedoch überraschend“, verrät Messari-Becker gegenüber VDI nachrichten. „Ich habe mich dann entschieden, die Aufgabe mit aller Kraft anzugehen.“

Was hat sich Messari-Becker für zukünftiges Bauen und den Energie- und Verkehrssektor in Hessen vorgenommen? „Nicht nur als Wissenschaftlerin, sondern gerade als Staatssekretärin werde ich innovationsgetrieben und lösungsorientiert arbeiten. Ich möchte in Hessen einen Beitrag dazu leisten, dass ökologisches Wohnen für alle bezahlbar wird. Dafür möchte ich unter anderem die Hessische Bauordnung, das Baurecht und die Baustandards reformieren.“ Daneben seien „eine diversifizierte Energiewende, die alle Energieformen adressiert, eine moderne Mobilität, die alle Verkehrsteilnehmer und Verkehrsinstrumente berücksichtigt, eine leistungsfähige Infrastruktur und eine nachhaltige Stadt- und Raumentwicklung von hoher Bedeutung“.

Messari-Becker denkt soziale und soziokulturelle Dimensionen mit

Was die Baubranche ändern muss oder besser machen sollte, um dem Klimaschutz gerecht zu werden, liegt für Messari-Becker auf der Hand: „Die Branche muss proaktiv eine ressourceneffiziente Kreislaufwirtschaft etablieren. Wir müssen so bauen, dass Materialien und Rohstoffe maximal sparsam eingesetzt und immer wieder in den Kreislauf integriert werden. Zugleich ist ein anderer Umgang mit dem Verbrauch von Fläche, der einzigen nicht vermehrbaren Ressource, wichtig.“ Aktuelle Baurichtlinien bzw. Normungen verhinderten kostengünstiges und ökologisches Bauen mehr, als dass sie es förderten. „Wir müssen die Baustandards reformieren, mit dem Ziel, Qualität mit weniger Ressourcenaufwand zu ermöglichen.“

Klimaschutz im Bauwesen ist für Messari-Becker die eine Seite, auf der anderen Seite plädiert sie dafür, klimaangepasstes Bauen stärker zu etablieren. Im Bauwesen umfasse dies drei konkrete Maßnahmen. „Erstens der Schutz der kritischen Infrastruktur wie Gesundheits-, Energie- und Wasserversorgung. Denn Wetterextreme werden massiv zunehmen.“ Daneben nennt sie Korrekturen im Städtebau. „Dies bedeutet etwa eine wasser- und hitzeresiliente Stadt- und Raumplanung, die nicht ausschließlich in grünen Flächen denkt, sondern in einer angepassten Bauweise- und Quartiersplanung sowie einer leistungsfähigeren Infrastruktur. Drittens ein leistungsfähiger Katastrophenschutz. Denn insgesamt müssen unsere Ad-hoc-Rettungsmaßnahmen besser werden.“

Messari-Becker denkt – wenn es um zukunftsweisendes Bauen geht – soziale und soziokulturelle Dimensionen mit. Sie betont, im Gebäude, im Quartier, im Lebensraum der Menschen müssten Nachhaltigkeitsziele stärker mit der Lebensrealität der Menschen zusammengebracht werden. „Menschen identifizieren sich mit ihrem Quartier und ihrer Stadt, wenn sie schön und sozial stabil ist. Ich bin davon überzeugt, dass uns Quartieransätze helfen, Klimaschutz in einem größeren Handlungsfeld zu ermöglichen. Im Quartier können gemeinsame Projekte realisiert werden.“ Dazu gehöre etwa serielles Sanieren oder die gemeinsame Gewinnung, Nutzung und Speicherung erneuerbarer Energien. Im Quartier ließen sich Mobilitätskonzepte realisieren, die das Verkehrsaufkommen reduzieren, aber die Mobilität sichern. Messari-Becker ist überzeugt: „Quartiere haben eine soziale Kraft. Hier gemeinsam zu agieren, bedeutet mehr Beteiligung, mehr Aufklärung und dadurch mehr Akzeptanz.“

Messari-Beckers Meinung hat Gewicht, auch bei „Markus Lanz“

Messari-Becker kritisiert, dass sich in Deutschland die öffentliche Debatte zu sehr auf Heizungen konzentriere, anstatt den Gebäudesektor ganzheitlich zu denken. Ihre Planspiele, um den Wandel im Bauwesen zu forcieren, kann sie nun in der Leitung eines Ministeriums an entscheidender Position umsetzen. An Ideen mangelt es ihr nicht: „Insbesondere möchte ich mehr bezahlbaren und ökologischen Wohnraum schaffen und die Energiewende diversifizieren, eine Wärmewende anschieben, Stichwort kommunale Wärmepläne. Als Professorin und Wissenschaftlerin steht frau mehr am Spielfeldrand. Jetzt geht es darum, direkt mitzuspielen und umzusetzen.“

Dass sie Themen und Positionen besetzt, die gehört und diskutiert werden, konnte sie an vielen Stellen unter Beweis stellen, unter anderem in der Wissenschaft, in der Politikberatung, in Talk- und Nachrichtensendungen wie bei „Markus Lanz“. Dass sie im Mai an der Goethe-Universität in Frankfurt am Main die Auszeichnung „Vordenkerin 2024“ erhält, hat sie sehr gefreut. „Denn sie ist eine Anerkennung meiner Themen und meiner fachlichen Positionen. Insgesamt sehe ich in dem Preis eine Würdigung meiner bisherigen Arbeit und Ansporn für die Zukunft.“

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