Microsoft-Deutschland-Chefin: „Wir können so nicht weitermachen“
Microsoft-Deutschland-Chefin Marianne Janik sieht durch die Coronapandemie zwar einen Digitalisierungsschub in Deutschland, doch es sei wichtig den nächsten Schritt zu tun. Datenauswertung müsse als Wettbewerbsvorteil begriffen werden, der zu Innovationen und neuen Geschäftsmodellen führt, erläuterte sie gestern bei einer Videoveranstaltung der Wirtschaftspublizistischen Vereinigung NRW (WPV).
Zurzeit dürfte in fast jedem Unternehmen der Einsatz von Microsoft-Tools wie Teams zum Alltag gehören. Die promovierte Juristin Marianne Janik, die den Posten der Deutschlandchefin im vergangenen November nach dem überraschenden Rückzug von Sabine Bendiek übernahm, weiß genau, was Remote-Arbeiten heißt. Ihr ganzes Onboarding in der neuen Funktion hat sie nur virtuell erlebt, und das sei eine Herausforderung und emotional anstrengend. Janik betonte aber auch die guten Seiten: Janik erklärte bei der gestrigen Veranstaltung der Wirtschaftspublizistischen Vereinigung in NRW, dass die Gespräche mit Kunden im virtuellen Raum deutlich schneller auf den Punkt kommen würden. Und eines sei in jedem Fall klar geworden: Deutschland könne nicht mehr so weitermachen wie vorher. Die Arbeitswelt werde auch nach der Corona-Pandemie hybrid sein. Das stelle die Frage nach modifizierter Führung und Authentizität. Gerade in deutschsprachigen Ländern sei die Kontrollmentalität vor allem im Mittelstand allerdings noch immer präsent und ein Hindernis. Auch das Verständnis dafür, dass es gut sein kann, nicht alles selbst neu zu erfinden, sondern dass man sich auf andere stützen kann, ist für Janik ausbaufähig. Und genau hier sieht sich Janik mit Microsoft: Als Brückenbauer, der unterschiedliche Wissensträger aus Wirtschaft, Wissenschaft und Politik zusammenbringt.
90 % der Daten in Deutschland bleiben ungenutzt
Es sei wichtig, bei der Digitalisierung den nächsten Schritt zu gehen, Maschinen zu verbinden, ein Kernstück der Industrie 4.0, Datenflüsse anzudenken und zu nutzen und daraus Geschäftsmodelle zu entwickeln. Es gebe kein Erkenntnisdefizit in Deutschland, „wir haben genügend Know-how“, sagte Janik. Tatsache sei aber, dass 90 % aller Daten noch ungenutzt blieben und so ein Wettbewerbsvorteil und großes Innovationspotenzial nicht gehoben werden. Deutschland, das manchmal wie ein „zu groß gewordenes Ingenieurbüro“ sei, könne hier von anderen Ländern lernen und die Bedeutung von Netzwerken und Kooperation über Unternehmensgrenzen hinweg in den Fokus zu nehmen. Microsoft habe sich in den vergangenen zwölf Monaten verstärkt Partnerschaften mit Unternehmen geöffnet, sogar mit Wettbewerbern. Es gebe auch schon einige Leuchttürme wie die „Open Manufacturing Platform“. Hier arbeiten neben Unternehmen aus der Automobilbranche wie BMW, Bosch oder ZF auch die Brauerei Anheuser-Busch InBev und der Gesundheitskonzern Siemens Healthineers zusammen. Es müssten aber noch mehr Plattformen und Kooperationen, „noch mehr Leuchttürme“ entstehen.
„Wir sehen uns nicht in der Rolle als Datentreuhänder“
Dafür müssten Wirtschaft, Politik und Wissenschaft Rahmenbedingungen schaffen. Microsoft engagiere sich stark im Gaia-X-Programm. Zudem sei Microsoft das erste Unternehmen gewesen, das die Grundrechte der Datenschutzverordnung über die EU hinaus erweitert und dafür plädiert habe, einen weltweiten Standard einzuführen. Durch die Außerkraftsetzung des „Privacy Shield“ sei allerdings eine Grauzone entstanden. Amerikanische Cloud-Anbieter wie Microsoft müssen die Daten von Kunden auf Anforderung den Geheimdiensten ausliefern. Microsoft hat laut Janik im November 2020 so weit darauf reagiert, dass es Kunden zusagt, staatliche Anfragen zu Unternehmerdaten anzufechten und auch Entschädigungen zu zahlen, sollte es entgegen der Zusicherung zu Zugriffen auf Daten kommen. Janik erklärte aber auch: „Wir sehen uns nicht in der Rolle als Datentreuhänder.“ Natürlich seien weitere rechtliche Regelungen national und auch international nötig, hier seien Politik und Verbände in der Pflicht. Europa sei ein einzigartiger Wirtschaftsraum und der Blick aus dem Ausland auf Europa sei, dass es ein ernst zu nehmender Player in der digitalen Ökonomie sein könne, wenn es sich an seine Tugenden erinnere.
Von einer gesetzlichen Frauenquote in Vorständen hält sie nichts. Sie setze auf die Selbstverpflichtung der Unternehmen. Auch bei Microsoft gebe es interne Vorgaben. Zudem werde der „War for Talents“ für Veränderungen sorgen, weil die raren Fachkräfte sich aussuchen können, bei wem sie anfangen. Sie räumte aber hinsichtlich der Präsenz von Frauen im Unternehmen ein: „Auch bei Microsoft müssen wir uns noch verbessern.“