Politik 01. Sep 2022 Von André Weikard Lesezeit: ca. 2 Minuten

Ökonomen favorisieren Mobilitätspauschale und 29-€-Ticket statt Gaspreisdeckel

Die hohen Energiepreise gefährden den sozialen Frieden in Deutschland. Experten des DIW Econ haben die derzeit diskutierten Entlastungsmaßnahmen bewertet. Der Vorschlag eines Gaspreisdeckels fällt bei den Wirtschaftswissenschaftlern durch. Stattdessen bringen sie neue Modelle ins Spiel.

Der Stromzähler läuft unerbittlich weiter. Gerade für ärmere Haushalte gibt es häufig wenig Möglichkeiten, in Energiesparmaßnahmen zu investieren. Der Anteil der Energiekosten am Gesamteinkommen ist zudem hoch.
Foto: panthermedia.net / Bjoern Wylezich

Die bisherigen Entlastungsmaßnahmen der Bundesregierung, um insbesondere für sozial Schwache die Auswirkungen der hohen Energiepreise abzumildern, kommen bei Ökonomen nicht gut an. Maximilian Priem vom DIW Econ spricht von „ökonomischen Fehlanreizen“, die Tankstellenrabatt und die Erhöhung der Pendlerpauschale bewirkt hätten. Beide Maßnahmen hätten Deutschland bei der gewünschten Dekarbonisierung „zurückgeworfen“.

Priem und Kollegen vom DIW Econ haben jüngst im Auftrag des breiten Umweltschutzbündnisses „Klima-Allianz Deutschland“ eine Bewertung der bisherigen und der geplanten Entlastungsmaßnahmen vorgenommen. Die Zielsetzung, sowohl Verteilungsgerechtigkeit zu gewährleisten, den Klimaschutz zu befördern, als auch kosteneffizient zu wirken, erreicht nur einen Teil der Vorschläge, die derzeit von der Politik diskutiert werden.

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So fällt ein möglicher Gaspreisdeckel, also eine Begrenzung des Strompreises, bei den Wissenschaftlern durch.

Pauschales Energiegeld besser als ein Eingriff in den Marktmechanismus

„De facto versichert der Staat damit den Gaspreis“, erläutert Priem. Das könne die Kosten abhängig von der Gaspreisentwicklung enorm hoch treiben. Außerdem würden durch künstlich niedrige Gaspreise keine Anreize geschaffen, den Verbrauch zu reduzieren. Sinnvoller sei stattdessen die Auszahlung einer Energiepauschale und eine Ausweitung des Heizkostenzuschusses für Menschen in der Grundsicherung. Das hätte den Vorteil, dass nicht in den Preismechanismus eingegriffen werden muss. Zudem bleibt den Bürgerinnen und Bürgern die Möglichkeit, durch Einsparungen ihre Energiekosten zu senken und die pauschal gezahlten Gelder anderweitig zu nutzen.

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Drittens wirkt die gezielte Pauschale für sozial Bedürftige und Familien zielgenauer als die Entlastung per Gaspreisdeckel nach dem „Gießkannenprinzip“. „Wir alle in Deutschland sind durch die höheren Energiekosten ärmer geworden“, führt Priem bei der Vorstellung seiner Kurzexpertise aus. „Wenn wir nun versuchen, alle zu entlasten, haben wir letztendlich keinen entlastet.“ Entsprechend sei darauf zu achten, die Mittel dort einzusetzen, wo die Belastung relativ zum Gesamteinkommen am höchsten sei. Das ist laut Studienergebnissen vor allem bei den ärmeren Bevölkerungsgruppen der Fall. Sie haben durch die hohen Energiepreise mehr als 6 % ihres verfügbaren Haushaltseinkommens eingebüßt. Unter den wohlhabenden Deutschen liegt dieser Wert nur bei rund 2 %.

Mobilitätsgeld soll die Pendlerpauschale ablösen

Viviane Raddatz, Leiterin Klimaschutz und Energiepolitik beim WWF Deutschland, der führendes Mitglied der Klima-Allianz Deutschland ist, hebt ein weiteres Ergebnis der Studie hervor. Demnach begünstigt die höhere Pendlerpauschale nicht nur den Individualverkehr, sondern hat auch eine unerwünschte Verteilungsfunktion. „Tatsächlich sparen die oberen Einkommen damit 17 c/km, Geringverdiener wegen ihres niedrigeren Steuersatzes nur 5 c“, so Raddatz.

Die DIW-Ökonomen schlagen stattdessen eine Mobilitätspauschale von 10 c/km vor, die unabhängig vom Einkommensteuersatz zur Anwendung kommt. Wer gar keine Steuern zahlt, könne den Betrag sogar ausgezahlt bekommen. Zudem raten die Experten dazu, das 9-€-Ticket in Form eines 29-€-Tickets dauerhaft fortzuführen. Denn nur dann, wenn eine dauerhafte Alternative zum Pkw-Verkehr geschaffen werde, würden die Menschen sich tatsächlich entschließen, ihr Mobilitätsverhalten zu ändern.

Die kompletten Studienergebnisse finden Sie hier

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