Mehrheit befürwortet das Löschen von Hasskommentaren
Resignation macht sich breit unter Social-Media-Nutzern. Einer Umfrage der TU München zufolge halten die meisten Verfehlungen mittlerweile für unvermeidbar.

Foto: picture alliance /Jonathan Raa/ Sipa USA
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Hasskommentare, Gewaltandrohungen und Fake News: Einer Umfrage in zehn Ländern zufolge wünschen sich die meisten befragten Menschen eine Einschränkung solcher Inhalte in sozialen Medien. Zugleich denke die Mehrheit der Nutzerinnen und Nutzer inzwischen, dass es unvermeidlich ist, in sozialen Medien Grobheit, Intoleranz oder Hass ausgesetzt zu sein, teilte die Technische Universität München (TUM) mit, die die Umfrage gemeinsam mit der University of Oxford initiiert hat. „Wir stellen eine weit verbreitete Resignation fest“, sagt Studienleiter Yannis Theocharis von der TUM. „Dieser Gewöhnungseffekt ist ein enormes Problem, weil er nach und nach gesellschaftliche Normen untergräbt und Hass und Gewalt normalisiert.“
Vom hehren Anspruch sei oft nicht viel übrig: Ursprünglich seien soziale Medien als Räume angesehen worden, die Meinungsaustausch fördern und Nutzern ermöglichen, unterschiedliche – insbesondere konträre – Perspektiven einzunehmen. „Inzwischen gibt es jedoch Belege dafür, dass diese Plattformen ein besorgniserregendes Ausmaß an Hassreden, Falsch- und Desinformation und gesellschaftlicher Spaltung ermöglichen“, sagt Theocharis.
Mehrheit der Befragten fordert die Löschung – unterschiedliche Ausprägungen in den Ländern
Für die Studie wurden im Herbst vergangenen Jahres rund 13.500 Menschen in sechs europäischen Staaten sowie in den USA, in Brasilien, Südafrika und Australien zu ihren Einstellungen und Erfahrungen befragt. Fast vier Fünftel der Befragten befürworten demnach, dass Anstiftungen zu Gewalt in sozialen Medien gelöscht werden sollten. Die größte Zustimmung gab es mit 86 % in Deutschland, Brasilien und der Slowakei, in den USA waren es der Auswertung zufolge 63 %. Rund 14 % aller Befragten finden wiederum, dass Gewaltandrohungen online bleiben sollten, damit Nutzerinnen und Nutzer mit Gegenrede darauf reagieren können. Etwa 17 % denken, dass beleidigende Posts über bestimmte Gruppen als Kritik erlaubt sein sollten. In Deutschland sind es 15 %, in den USA 29 %.
„Einflussreiche Unternehmer wie Mark Zuckerberg und Elon Musk haben mit dem Vorrang der Meinungsfreiheit gegen die Moderation der Inhalte von sozialen Medien argumentiert“, sagte Theocharis gegenüber der dpa. Die Umfrage zeige aber, dass sich die Mehrheit der Menschen in Demokratien Plattformen wünsche, die gegen Hass und Gewalt vorgehen. „Das gilt sogar für die USA, wo eine weit ausgelegte Meinungsfreiheit als besonders hohes Gut zählt.“
Plattformbetreiber in der Pflicht, aber auch die Politik
Dass es bei den Abwägungen zwischen Meinungsfreiheit und Moderation keinen globalen Konsens gibt, zeigt die Studie. Demnach hängen die Vorstellungen der Menschen stark von kulturellen Normen, politischen Erfahrungen und rechtlichen Traditionen in den jeweiligen Ländern ab. Die Hauptverantwortung bei der Einschränkung problematischer Inhalte sehen viele Menschen bei den Plattformbetreibern (Mittel: 35 %, Deutschland: 39 %), in sehr unterschiedlichem Maß auch bei der Regierung (Deutschland: 37 %, Slowakei 14 %). Unterschiedlich groß ist den Daten zufolge auch der Anteil derjenigen, die in erster Linie die Bürgerinnen und Bürger selbst in der Verantwortung sehen: In Schweden ist er mit 39 % am größten, in Deutschland mit 17 % am kleinsten.