Sieben Videoempfehlungen zu Technik und Taktik im Ukrainekrieg
Die russische Aggression gegen die Ukraine wirft eine Vielzahl von militärischen Fragen auf. Wer seriöse Antworten zu Waffen und Vorgehen der Kriegsparteien sucht, wird auf diesen Youtube-Kanälen fündig.
„Lodenmantelgeschwader“ nennen Medien spöttisch die Garde einstiger Bundeswehroffiziere, die den Ukrainekrieg im Fernsehen kommentieren, teilweise mit grotesken Fehleinschätzungen. Das österreichische Bundesheer dagegen setzt bei diesem Thema auf aktive Offiziere der Landesverteidigungsakademie in Wien. In seinem Youtube-Kanal veröffentlicht das Bundesheer Analysen von ausgewählten Aspekten des Ukrainekriegs.
Das hier verlinkte Video gibt einen Überblick über die russische Kriegsplanung, beschränkt sich aber nicht auf die militärischen Aspekte, sondern erläutert die politischen Hintergründe. Der Ausblick von Oberst Jürgen Wimmer ist ernüchternd: Die strategische Fehleinschätzung der russischen Führung, die sich auf einen kurzen Krieg eingestellt hat, werde vermutlich in langandauernden Kämpfen münden.
Die mangelnde Logistik der russischen Armee
„Anfänger reden von Taktik, Profis von Logistik.“ Das tagelange Verharren des 60 km langen russischen Konvois vor Kiew zeigt die Richtigkeit des Sprichworts. Hier erklärt die Landesverteidigungsakademie, vor welchen Herausforderungen Russlands Armee steht: Die ursprünglich 200 000 Soldaten benötigen pro Tag 800 t an Versorgungsgütern und 4 Mio. l Betriebsstoff. Und das über Straßen und Schienen, an denen Brücken gesprengt und Hinterhalte gelegt werden.
Bundeswehrgeneral erklärt das Kräfteverhältnis im Angriff
Möglicherweise inspiriert vom Bundesheer, veröffentlicht nun auch die Bundeswehr Videos zum Krieg in der Ukraine. „Panzer-General erklärt Militärtaktik im Ukraine-Krieg“ heißt etwas platt ein Interview mit Brigadegeneral Christian Freuding. Der Kommandeur der Panzerlehrbrigade 9 steckt zu Beginn den Rahmen ab: Der Krieg betreffe ihn in erster Linie als Mensch, dann als Bürger und zuletzt als Soldat.
Als die Rote Flotte im Schwarzen Meer auf Kollisionskurs ging
Freuding schildert als Leiter des Lagezentrums Ukraine im Verteidigungsministerium, wie in der Bundesregierung die militärischen und zivilen Ansätze ineinandergreifen. Die angekündigten Taktikfragen kommen nicht zu kurz. Im Angriff müsse eine Streitkraft über eine dreifache Überlegenheit verfügen, im Kampf gegen einen verzögernden Feind (der immer wieder Raum aufgibt) mit einer sechsfachen. Im Häuserkampf wie in Mariupol sei sogar eine Überlegenheit von 10:1 gegen die Verteidiger notwendig.
Der Zusammenhang zwischen Panzerbau und Panzerdoktrin
Das Deutsche Panzermuseum im abgelegenen Munster ist mit fast 100 000 Abonnenten das erfolgreichste Museum auf Youtube und lässt so renommierte Kulturtempel wie das Haus der Geschichte und das Deutsche Museum in München weit hinter sich. Warum das so ist, zeigt die fünfteilige Serie zum Ukrainekrieg: Museumsdirektor Ralf Raths erklärt in gewohnt stringenter und eloquenter Art einige „Basics“, wie er es nennt, die sich aus der Geschichte der Panzerwaffe für den Ukrainekrieg ableiten lassen.
Bundeswehr demonstriert die Fähigkeiten des Schützenpanzers Puma
Dazu gehört, wie sich die Technik der auf beiden Seiten eingesetzten Kampfpanzer aus der sowjetischen Militärdoktrin erklären lässt. So lernen die Zuschauerinnen und Zuschauer beispielsweise, dass sich das erbeutete Kriegsgerät nur mit einiger Mühe für die Rückeroberung besetzter Gebiete einsetzen lässt, weil bei einem russischen Kampfpanzer der Austausch des Motors zwei bis drei Tage dauert – beim Leopard 2 der Bundeswehr dagegen weniger als eine Stunde. Auch einen Blick in die Zukunft wagt Raths: Trotz der zahlreichen Videos von mit Drohnen und Lenkwaffen vernichteten Panzern werde dieser weiter seinen Platz in den Arsenalen behalten. Weil er sich weiterentwickeln wird, so wie all die Jahre seit der Erfindung im Ersten Weltkrieg.
Warum russische Panzer auf „Verbrauch“ ausgelegt sind
Welches Menschenbild – genauer gesagt, welche Menschenverachtung – den sowjetischen Panzerbau bestimmte, zeigt Ralf Raths in einem älteren Video zum Kampfpanzer T-72, den sowohl Russland wie die Ukraine im Arsenal haben. Vor wenigen Tagen meldete die New York Times, dass die US-Regierung die Lieferung von T-72 aus osteuropäischen Nato-Staaten an die Ukraine vermitteln wolle. Der T-72 wurde, so Raths, „mit dem Wissen geplant, verbraucht zu werden“. Die Kanone war nur für 160 Schüsse ausgelegt, weil die Konstrukteure davon ausgingen, dass der Panzer vorher vernichtet würde. Der Kampfraum war nur für Menschen bis zu einer Körpergröße bis 160 cm ausgelegt, Ergonomie spielte keine Rolle. Weil die Panzerung relativ leicht und die Munition im Turm gelagert wurde, explodiert der T-72 sehr häufig bei einem Treffer und wirft dabei den Turm ab. Genau dieser Effekt ist vielfach auf Fotos und Videos aus der Ukraine dokumentiert.
Warum aber spielte das Leben und Überleben der Besatzungen für die Verantwortlichen keine Rolle? Raths bietet folgende Erklärung: „Die Erfahrung, die sie im Zweiten Weltkrieg gemacht haben, war, dass das (Konstruktions-)Prinzip, so viele Menschenleben es kostet, auf jeden Fall dazu angehalten ist, den Staat zu retten.“
Weshalb Flugabwehr so ein komplexes Thema ist
Heftig tobte die politische Auseinandersetzung in Deutschland um die Lieferung von Strelas und Stingers an die Ukraine – Flugabwehrraketen, die von einem einzelnen Soldaten oder einer einzelnen Soldatin von der Schulter abgefeuert werden. Doch wie funktionieren sie und wofür braucht die Ukraine diese Waffen? Und wie ist das Zusammenwirken mit weit komplexeren Flugabwehrsystemen wie der S-300, von denen die Ukraine ebenfalls Nachschub aus dem Westen erhalten soll?
Der Leopard 2 begeht sein 40. Dienstjubiläum
Der auf Militärluftfahrt spezialisierte Youtuber Christoph Bergs gibt eine systematische Einführung in das Thema Flugabwehr. Dabei zeigt er, wie die verschiedenen Systeme inklusive Radar und Fernmeldeverbindung zusammenwirken müssen. Damit wird klar, dass es wenig bringt, hoch entwickelte Nato-Systeme an die Ukraine zu liefern, deren Handhabung die Soldaten lange üben müssten.
Wie die Nato die Ukraine auf den Krieg vorbereitete
„Militärisch gesehen ist die Sache gelaufen“, erklärte der ehemalige Brigadegeneral Erich Vad am zweiten Kriegstag. In wenigen Tagen habe die russische Armee gesiegt, prognostizierte Angela Merkels einstiger militärpolitischer Berater. Wieso die Ukraine Wochen später immer noch kämpft und einige Gebiete wieder befreit hat, erklärt diese Diskussionsrunde der US-Militärakademie West Point, abgehalten zu Beginn des Konflikts. Besonders interessant die Aussagen von Oberst Liam Collins, der von 2016 bis 2018 die Ausbildungs- und Beratungsmissionen der Nato-Staaten in der Ukraine koordinierte. Nach der Niederlassung im Donbas sei die ukrainische Armee in Trümmern gelegen, so Collins. Dass die Anstrengungen gelohnt haben, die Ukraine in der Taktik an Nato-Standards heranzuführen, zeigen die Ereignisse der vergangenen Wochen.