Außenhandel 04. Nov 2024 Von Thomas A. Friedrich Lesezeit: ca. 6 Minuten

Was bedeutet eine Wiederwahl von Trump für die EU?

Die US-Wahlen stehen unmittelbar bevor – und die Welt schaut gespannt auf das Ergebnis. Was würde eine mögliche Wiederwahl von Donald Trump für die EU bedeuten? Im Gespräch mit VDI nachrichten erklärt der Europaabgeordnete Bernd Lange, welche Folgen auf Handel, Wirtschaft und geopolitische Beziehungen zukommen könnten.

Was würde eine Wiederwahl Trumps für Europa bedeuten? Der EU-Abgeordnete Bernd Lange erklärt die möglichen Folgen für Handel und Geopolitik.
Foto: IMAGO/ABACAPRESS/The News & Observer/TNS

VDI nachrichten: EU-USA: Noch immer ziemlich beste Freunde?

EU-Abgeordneter Bernd Lange: Ja sicher! Auch wenn es keine nennenswerten Ergebnisse bei den jüngsten Treffen den Handel betreffend gab, glaube ich, dass es dennoch wichtig ist, dass wir dieses Forum für den Austausch haben. Man sollte nicht unterschätzen, wie wichtig es ist, dass vor allem die Beamten auf beiden Seiten des Atlantiks miteinander reden und im Krisenfall, wie beim Einmarsch Russlands in die Ukraine, sofort wissen, mit wem sie sprechen müssen, um die Ausfuhrbeschränkungen auf beiden Seiten des Atlantiks zu koordinieren. Darüber hinaus glaube ich, dass unser Austausch u. a. über KI und unsere anderen digitalen Rechtsvorschriften dazu beigetragen hat, dass die USA die Motivation hinter diesen Rechtsvorschriften verstehen, die keineswegs protektionistisch sind. Es hat ihnen sogar geholfen, intern zu reflektieren und anzuerkennen, dass sie den digitalen Bereich nicht unreguliert lassen können.

Seit Präsident Trumps Zeiten gibt es keine Verständigung in den für die EU wichtigen Bereichen Stahl und Aluminium. Wo liegen die Knackpunkte?

Ich räume ein, dass es keine nennenswerten Ergebnisse für den Handel bisher gibt. Es ist uns noch nicht gelungen, ein Abkommen über kritische Mineralien oder eine globale Vereinbarung über Stahl und Aluminium zu schließen. Dennoch hoffe ich, dass der TTC, wie auch immer das Ergebnis ausfallen wird, auch nach den Wahlen fortgesetzt wird.

Mit dem Inflation Reduction Act (IRA) unter Joe Biden sind europäische Unternehmen in Zukunftstechnologien auf dem US-Markt ausgebremst worden. Bricht der US-Markt für die deutsche Maschinenbau- und Fahrzeugindustrie völlig weg?

Es stimmt, dass die Konzentration auf die Innenpolitik, einschließlich der heimischen Produktion, ein überparteiliches Ziel ist. Wie sich dies auf wichtige Handelspartner auswirkt und inwieweit dies mit den internationalen Handelsregeln in Einklang steht, ist für viele US-Politiker, insbesondere im Kongress, nur eine Randnotiz. Das bedeutet leider auch, dass ein Teil der Investitionen, die normalerweise zu uns kommen würden, nun in die USA oder einige ihrer Handelspartner fließen, die ebenfalls von der IRA profitieren können.

„Durchsetzungsfähiger handeln, wenn die Partner sich nicht an die Regeln halten“

Worauf muss sich Europa einstellen, falls Donald Trump im November erneut zum amerikanischen Präsidenten gewählt würde?

Sollte ein künftiger US-Präsident beschließen, ungerechtfertigte Zölle auf EU-Waren zu erheben, sollten wir meiner Meinung nach einen kühlen Kopf bewahren und uns nicht auf eine blinde „Wie du mir, so ich dir“-Strategie einlassen. Wie auch der Generaldirektor der WTO anlässlich des 30-jährigen Bestehens der WTO sagte, ist es wichtig, dass wir als verantwortungsvolle Mitglieder versuchen, das multilaterale Handelssystem zu erhalten. Gleichzeitig sollten wir nicht davor zurückschrecken, die Instrumente zu nutzen, die wir in diesem Zeitraum entwickelt haben. In den letzten fünf Jahren haben wir unser handelspolitisches Instrumentarium aufgestockt, damit wir autonomer und durchsetzungsfähiger handeln können, wenn sich unsere Handelspartner nicht an die Regeln halten.

Über welche Druckmittel verfügt die EU denn?

Wir verfügen unter anderem über den Mechanismus zur Bekämpfung von Zwangsmaßnahmen (Anti-Coercion-Instrument) und das Instrument für das internationale Beschaffungswesen, und wir sollten nicht davor zurückschrecken, diese Instrumente zu nutzen. Auf jeden Fall ist es wichtig, die Kommunikation mit demjenigen offenzuhalten, der im nächsten Jahr im Weißen Haus sitzt.

Bernd Lange (SPD), Abgeordneter und Vorsitzender des Handelsausschusses im EU-Parlament. Foto: European Parliament

Freihandel mit Kanada hat den Export belebt

Auch mit dem befreundeten Kanada ist das ausgehandelte Ceta-Handelsabkommen durch Einspruch von Frankreich blockiert. Gräbt die EU sich handelspolitisch ihr eigenes Grab?

Es ist erstaunlich zu sehen, wie manche Diskurse über Handelsabkommen völlig an den Fakten vorbeigehen. In den ersten fünf Jahren der vorläufigen Anwendung von Ceta sind die Ausfuhren von EU-Waren nach Kanada um 47 % gestiegen, wobei die größten Zuwächse bei Industrieerzeugnissen, chemischen Erzeugnissen sowie Lebensmitteln und tierischen Erzeugnissen zu verzeichnen sind. Auch die Befürchtung einiger, dass der Zustrom kanadischer Agrarerzeugnisse auf den EU-Markt stark zunehmen würde, hat sich nicht bewahrheitet. Auch bei den Dienstleistungen ist das Ergebnis sehr positiv.

Wie können Handelsabkommen künftig schneller Hürden einer Ratifizierung nehmen?

Meiner Meinung nach ist es nicht hinnehmbar, dass sich die Ratifizierung so lange hinzieht. Mehr noch, ich halte es für einen Fehler, solche gemischten Abkommen anzustreben, bei denen so viele Parlamente, sogar Regionalparlamente, grünes Licht für ein Abkommen geben müssen. Es gibt einen Grund, warum die Handelspolitik eine der wenigen ausschließlichen Zuständigkeiten der EU ist.

„Wir müssen um jeden Preis vermeiden, dass ein Abkommen, das auf EU-Ebene angenommen wurde, später von einem Parlament gestoppt wird“

Wie kann das Verfahren unter den Europäern optimiert werden?

Ich denke, es gibt drei Möglichkeiten, solche Abkommen in Zukunft zu handhaben. Erstens müssen wir auf gemischte Abkommen verzichten und uns stattdessen für das chilenische Modell entscheiden, bei dem wir ein Interimshandelsabkommen haben, das nur noch vom Europäischen Parlament und vom Rat gebilligt werden muss und das nach der Ratifizierung des umfassenderen politischen Abkommens in dieses umfassende Abkommen aufgenommen wird. Zweitens bedeutet dies, dass die Rolle des Europäischen Parlaments sogar gestärkt werden sollte, indem ihm ein Mitspracherecht beim Mandat der Abkommen eingeräumt wird. Drittens möchte ich die Regierungen der Mitgliedstaaten auffordern, während des gesamten Verhandlungsprozesses noch stärker mit ihren Parlamenten zusammenzuarbeiten, damit diese sich in der Lage fühlen, die Position ihrer Regierung im Rat zu unterstützen. Wir müssen um jeden Preis vermeiden, dass ein Abkommen, das auf EU-Ebene angenommen wurde, später von einem oder mehreren Parlamenten gestoppt wird. Wenn wir die Hebelwirkung unseres Binnenmarktes wirklich nutzen wollen, müssen wir als Einheit auftreten.

Mit den Mercosur-Staaten sollte der größte Handelsraum der Welt entstehen. Warum kommt es auch 20 Jahre nach den Verhandlungen noch immer nicht zum Schwur?

In der Tat seit 20 Jahren hegt die EU große Hoffnungen auf einen Handelsdeal mit den aufstrebenden Mercosur-Staaten Argentinien, Brasilien, Paraguay und Uruguay. Aber auch hier Fehlanzeige.

Verhandlungen zum Mercosur-Abkommen noch nicht abgeschlossen

Warum wurde das Momentum nach der Wahl des neuen brasilianischen sozialistischen Präsidenten Lula Da Silva für einen Deal nicht genutzt?

Die Verhandlungen zum Abschluss dieses Abkommens und des zusätzlichen Instruments sind trotz einiger gegenteiliger Ankündigungen in der Presse noch nicht abgeschlossen. Es braucht einfach viel Zeit, um ein gemeinsames Verständnis darüber zu finden, wie das zusätzliche Instrument für beide Seiten von Nutzen sein und seine Ziele erreichen kann. Außerdem müssen wir berücksichtigen, dass die Mercosur-Länder aus vier sehr unterschiedlichen Ländern bestehen, sodass es manchmal einige Zeit dauert, bis sie sich koordinieren. Darüber hinaus fanden in Argentinien Wahlen statt, sodass auch dies ein Faktor war, den wir berücksichtigen mussten.

Frankreich und Europas Landwirtschafts-Lobby sitzen im Bremserhäuschen. Gibt es noch Hoffnung auf einen Deal?

Wir befinden uns aktuell in einer Situation, in der es vonseiten Frankreichs keinen politischen Willen gibt, die letzte Hürde zu nehmen und der Kommission zu erlauben, das Abkommen wirklich abzuschließen. Ich verstehe, dass Frankreich durch die Proteste der Landwirte unter großem Druck steht, und wir sollten uns ihre Sorgen anhören. Gleichzeitig dürfen wir aber auch nicht vergessen, unsere Handelspolitik auf Fakten zu stützen. Die jüngste Studie der Europäischen Kommission über die Auswirkungen von Handelsabkommen auf unseren Agrarsektor zeigt, dass Handelsabkommen insgesamt Chancen für den EU-Agrarsektor bieten, auch wenn einige spezifische Sektoren natürlich nicht davon profitieren werden. Wir sollten jedoch die positiven Auswirkungen von Handelsabkommen für die EU insgesamt betrachten und gegebenenfalls Wege finden, um auf bestimmte Sektoren einzuwirken.

Interessen der Landwirte verhindern oft Handelsabkommen

Überstrapaziert die EU mit Umwelt- und Nachhaltigkeitskapiteln einen erfolgreichen Abschluss?

Nein. Wenn es um solche Kapitel geht, glaube ich, dass die Kritik einiger Länder meist auf die Art und Weise zurückzuführen ist, wie wir bestimmte Ziele erreichen wollen, und nicht auf die Ziele selbst, bei denen es sich oft um international vereinbarte Normen wie das Pariser Klimaabkommen oder die IAO-Arbeitsübereinkommen handelt und die auch unserem Partnerland zugutekommen. Meiner Erfahrung nach scheint sich die meiste Kritik auf unsere unilaterale Gesetzgebung zu beziehen, statt auf unsere bilateralen Handelsabkommen.

Worin liegen die Gründe des Scheiterns?

Der Grund dafür, dass es uns nicht gelungen ist, einige unserer Abkommen zum Abschluss zu bringen, liegt im mangelnden politischen Willen oder in den Interessen der Landwirtschaft, zum Beispiel in Frankreich im Falle des Mercosur, aber auch in unseren Partnerländern wie Australien.

Handelsabkommen mit Indonesien, Thailand und den Philippinen vor der Finalisierung

Geht die EU in Verhandlungen zu sehr mit „neo-imperalistischem Geist“ vor, wie Brasiliens Präsident überzogene europäische Forderungen geißelt?

Nein, wie bereits erwähnt, wollen wir alle die gleichen Ziele erreichen, die wir auch auf internationaler Ebene vereinbart haben. Gleichzeitig ist es richtig, dass wir offener für die Interessen und Ansichten unserer Partnerländer sein müssen. Wenn es zum Beispiel um die Entwaldung geht, besteht kein Zweifel daran, dass auch Brasilien die Entwaldung bekämpft. Tatsächlich ist die Abholzungsrate zurückgegangen, seit Lula an der Macht ist.

Kann der europäische Weg in Verhandlungen künftig noch der alleinige Maßstab sein?

Die Frage ist eher, ob wir auch die Systeme der Partnerländer anerkennen, um bestimmte Probleme anzugehen, und ob wir in der Lage sind, partnerschaftlich zusammenzuarbeiten, um diese Ziele zu erreichen. Im Falle Brasiliens sollten wir ernsthaft darüber nachdenken, ob wir einige der dortigen Systeme zur Bekämpfung der Entwaldung anerkennen können. Wenn wir sagen, es geht nur auf dem europäischen Weg oder keinem, werden wir nicht ans Ziel kommen.

Welche Vorhaben für Handelsabkommen mit Drittstaaten zeigen Aussicht auf Erfolg in näherer Zukunft?

Wir befinden uns derzeit in fortgeschrittenen Verhandlungen mit mehreren südostasiatischen Ländern und ich bin zuversichtlich, dass wir in der kommenden Legislaturperiode Handelsabkommen mit Indonesien, Thailand und den Philippinen abschließen können. Auch mit Australien sind wir nahe daran, ein Abkommen zu finalisieren, wobei noch einige Herausforderungen, insbesondere von australischer Seite, zu klären sind. In Bezug auf Amerika erwarten wir, dass das Handelsabkommen mit Mexiko im nächsten legislativen Zyklus dem Parlament vorgelegt wird. Beim Mercosur-Abkommen sind die Hauptverhandlungen abgeschlossen, doch diskutieren wir derzeit noch zusätzliche Vereinbarungen, zum Beispiel in Bereichen der Nachhaltigkeit. Zudem steht das Handelsabkommen mit der Ukraine vor einer wichtigen Überarbeitung im kommenden Jahr. Diese Bemühungen spiegeln unser kontinuierliches Engagement wider, Europas Handelsbeziehungen global zu stärken und weiter auszubauen.

Dieser Artikel wurde bereits im April 2024 in längerer Form hinter der Paywall veröffentlicht

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