Was der Leopard 2 bei Beweglichkeit, Panzerung und Kanone der Ukraine bieten kann
Der Leopard 2 kommt in der Ukraine gegen die russische Armee zum Einsatz. Welche technischen Qualitäten bringt der Kampfpanzer dafür mit? Wie ist er für diesen Krieg geeignet?
Inhaltsverzeichnis
- Wie steht es um die Beweglichkeit des Leopard 2 im Gelände?
- Drehstabfederung ermöglicht die hohe Geländegängigkeit
- Die Leopard-Familie erleichtert die Logistik in der Ukraine
- Wie gut schützt die Panzerung des Leopard 2 die Besatzung?
- Der „Springteufeleffekt“ sprengt den Turm von Kampfpanzern weg
- Wie wirksam ist die Bordkanone des Leopard 2?
- Russische Panzer sind mit Ladeautomatik ausgestattet
- Vollen Maßkrug an der Kanonenmündung des Leopard 2 balanciert
Immer mehr Nato-Staaten erklären sich bereit, Kampfpanzer des Typs Leopard 2 aus ihren Beständen an die Ukraine abzugeben. Dass sich die Diskussion über die Lieferung von Kampfpanzern an die Ukraine so auf den Leopard zugespitzt hat, liegt zum einen an der Verfügbarkeit. Das International Institute for Strategic Studies (IISS) listet aktuell rund 2500 Leopard 2 auf, die in Europa und Kanada im aktiven Dienst stehen oder eingelagert sind.
Zum anderen sind es seine technischen Eigenschaften, die den Leopard 2 auch nach 40 Jahren Dienstzeit den meisten russischen Panzern mindestens ebenbürtig machen. Die FAZ lobt den Leopard 2 als „Alleskönner mit Weltgeltung“, er sei eine Art VW Golf des Panzerbaus. Seine Stärken lassen sich am besten entlang des „Eisernen Dreiecks“ im Panzerbau beschreiben, den Kategorien „Beweglichkeit – Schutz – Feuerkraft“.
Was der Nachfolger des Leopard 2 können muss
Dieser Bundeswehrfilm erklärt den Leopard 2 zu Zeiten seiner Einführung
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Wie steht es um die Beweglichkeit des Leopard 2 im Gelände?
Alle Varianten des Leopard 2 sind mit einem Zwölfzylinder-Dieselmotor von MTU mit Ladeluftkühlung und zwei Abgasturboladern ausgestattet. Mit 4700 Nm bei 1600 U/min verfügt das 1100 kW starke Aggregat über ein deutlich höheres Drehmoment bei niedrigeren Umdrehungen, was ihm eine deutlich höhere Beschleunigung verleiht als seinem leichteren Vorgänger Leopard 1, der bereits für hohe Beweglichkeit ausgelegt war. Die spezifische Antriebsleistung von 20 kW/t ist für ein Fahrzeug in dieser Gewichtsklasse sehr gut.
Die Höchstgeschwindigkeit des Leopard 2 beträgt rund 70 km/h. Besonders bemerkenswert: Um dem Kampfpanzer den schnellen Wechsel von einer Stellung zur nächsten zu ermöglichen, kann er mit fast dem halben Tempo rückwärts fahren. Dazu verfügt er über zwei Rückwärtsgänge.
Drehstabfederung ermöglicht die hohe Geländegängigkeit
Auf Videos ist immer wieder zu sehen, mit welchem hohen Tempo der Leopard 2 sich auch in schwierigem Gelände bewegen kann. Möglich macht dies sein drehstabgefedertes Stützrollenlaufwerk. Gegenüber fortschrittlicheren Lösungen wie einer hydropneumatischen Federung (wie sie etwa der britische Kampfpanzer Challenger 2 besitzt) bietet die Federung des Leopard 2 den Vorteil, dass die Drehstäbe vor Waffenwirkung gut geschützt im Wannenboden untergebracht sind und der Wartungsaufwand gering ist.
Dem Nachfolger des Leopard 2 droht ein frühes Ende
Um auch im Winter die Kraft auf den Boden zu bringen, können auf jeder Seite 18 Kettenpolster in kurzer Zeit gegen gusseiserne Schneegreifer ausgetauscht werden – für den Einsatz in der Ukraine ein wichtiges Detail.
Bei der Konzeption von Leopard 1 und 2 wurde besonderer Wert auf die Durchhaltefähigkeit gelegt, also das Vermögen, gegen einen zahlenmäßig überlegenen Feind möglichst lange im Gefecht bestehen zu können. Dazu gehörte eine schnelle Instandhaltung. Bei beiden Leopard-Generationen sind Motor, Getriebe und Kühlanlage zu einem Powerpack genannten Triebwerksblock zusammengefasst. Mit einigen Vorarbeiten ist so ein Triebwerkwechsel in rund 30 min möglich. Bei russischen Kampfpanzern dauert der gleiche Vorgang mehrere Tage.
Dieses Video zeigt einen Wechsel des Powerpack des Leoparden 2 in Echtzeit:
Doch um eine Werkstatt hinter der Front zu erreichen, muss ein beschädigter Panzer erst einmal dorthin abgeschleppt werden. Und das wird sich in der Ukraine schwierig gestalten. Denn deren Bergungsgerät ist auf die eigenen wesentlich leichteren Kampfpanzer ausgelegt. Allerdings hat die Bundesregierung eigenen Angaben zufolge bereits 15 Bergepanzer 2 geliefert, mit denen die Bundeswehr seit Jahrzehnten ihre Leopard 2 abschleppt. Verlastet werden können die Kampfpanzer auch auf die 13 Schwerlastsattelzüge des US-Herstellers Oshkosh, die Deutschland ebenfalls der Ukraine finanziert. Weitere 16 nicht näher beschriebene Sattelzüge sind angekündigt.
Das Gewicht des Leopard 2 und der Transportfahrzeuge stellt jedoch für die Ukraine ein Problem dar, auf das der Youtuber Bernhard Kast bereits im Frühjahr hingewiesen hat: Die Straßen und Brücken des Landes sind nur für Fahrzeuge mit einem Gewicht von maximal 44 t ausgelegt. Fluss- und Talübergänge mithilfe des bereits gelieferten Brückenlegepanzers Biber zu bewältigen, scheidet aus. Dessen Schnellbrücke ist lediglich für den Leopard 1 ausgelegt.
Die Leopard-Familie erleichtert die Logistik in der Ukraine
„Harte Liebe für den unbekannten Logistikoffizier in der Ukraine, der gerade Blut und Wasser schwitzt für die Hilfslieferungen aus den Nato-Staaten“, twitterte der Waffenexperte Lars Winkelsdorf zu Beginn dieses Jahres. Weil die Nato-Staaten an die Ukraine liefern, was die Depots hergeben, gibt es kaum Möglichkeiten, Ersatzteile und Wartung zu standardisieren. Umso mehr, weil Fahrzeuge aus den USA und Großbritannien nach dem imperialen System und jene vom europäischen Festland nach dem metrischen System gefertigt sind – nicht einmal die kleinste Schraube ist austauschbar.
Anders bei den Angehörigen der Leopard-Familie, von denen Deutschland bereits etliche Varianten geliefert hat: Brückenlegepanzer Biber, Bergepanzer 2, Flugabwehrpanzer Gepard und Panzerhaubitze 2000 besitzen austauschbare Komponenten etwa beim Fahrgestell. Im slowakischen Michalovce betreibt die Bundeswehr für das an die Ukraine gelieferte Großgerät ein Instandhaltungszentrum mit einer Leichtbauhalle, in der sechs bis acht Großgeräte gleichzeitig gewartet werden können. Brigadegeneral Christian Freuding, der Leiter des Sonderstabes Ukraine im Verteidigungsministerium, schwärmte auf Youtube: „Da entsteht eine richtige kleine Stadt.“
Wie gut schützt die Panzerung des Leopard 2 die Besatzung?
Von anderen Panzermodellen in West und Ost mit schrägen bzw. runden Formen hebt sich der Leopard 2 durch seine eckige Silhouette ab, was vor allem an der senkrechten Turmfront der Version A4 auffällt. Grund ist seine Ausstattung mit einer sogenannten Mehrschichtpanzerung. Zwischen tragenden Panzerstahlplatten sind in Turm und Wanne elastische und hochfeste Materialien eingelassen, vermutlich Kevlar, Keramik und Aluminium. Die genauen Komponenten sind auch nach 40 Jahren immer noch geheim.
Die unterschiedlichen Schichten sollen feindlichen Geschossen die Wirkung nehmen. Bei Hohlladungen formt eine Sprengladung beim Aufschlag einen dünnen Metallstab, der die Panzerung mit hoher Energie durchschlagen kann. Beim Durchdringen der verschiedenen Panzerungsschichten wird der sogenannte Stachel – die Spitze des Metallstabs – abgebrochen und ihm damit die Richtung genommen. Wuchtgeschosse (die Kampfpanzer typischerweise im Kampf gegeneinander einsetzen) bremsen die Komponenten der Schichtpanzerung dank ihrer unterschiedlichen Materialeigenschaften wie hoher Dichte und Zugfestigkeit stärker ab, als es eine massive Stahlplatte könnte. Auffälligstes Merkmal des Leopard A6 – die Version, die an die Ukraine geliefert werden soll – ist die Zusatzpanzerung an den Seiten und der Front des Turms. Vor der senkrechten Front des Turms ist nun eine Keilpanzerung angebracht, die Wuchtgeschosse ablenken soll.
Für den Fall des Falles wurden die Turmwände des A6 mit Gewebematten ausgekleidet, die Kommandant und Richtschützen vor eingedrungenen Splittern schützen sollen.
Der „Springteufeleffekt“ sprengt den Turm von Kampfpanzern weg
In den Bildern aus der Ukraine sind immer wieder welche von ausgebrannten Kampfpanzern beider Seiten, deren Turm abgesprengt wurde. Dieses von Fachleuten als „Springteufeleffekt“ bezeichnete Phänomen tritt ein, wenn ein Treffer die in der Wanne unterhalb des Turmdrehkranzes gelagerte Munition explodieren lässt. Beim Leopard 2 ist knapp die Hälfte der Granaten im Turmheck gelagert und durch eine Schotttür von der Besatzung getrennt. Im Explosionsfall lösen sich sogenannte Blow-off-Panels vom Turmdach und leiten die Druckwelle nach oben ab. Wie bei westlichen Kampfpanzern dieser Generation üblich, werden die restlichen der etwa 40 Granaten gut geschützt neben dem Fahrer in der Wanne gelagert, von wo sie für den Gebrauch erst in das Turmmagazin umgeräumt werden müssen.
Wie wirksam ist die Bordkanone des Leopard 2?
Bei der Konstruktion des Leopard 2 wurden die Lehren aus dem Zweiten Weltkrieg und dem Koreakrieg einbezogen, erklärt David Willey, Direktor des britischen Panzermuseums in Bovington: „In Panzergefechten sollte der erste Schuss sitzen.“ Denn nur mit der Qualität der Waffen und ihrer Bediener konnten die Nato-Armeen die zahlenmäßige Überlegenheit des Warschauer Paktes ausgleichen: Im Jahr 1980 standen 26 000 Kampfpanzer der Nato 61 000 der Sowjetunion und ihrer Verbündeten gegenüber. Der Leopard 2 ist mit einer 120-mm-Kanone von Rheinmetall ausgestattet, die sich in den 1980er-Jahren als Standardwaffe westlicher Kampfpanzer durchsetzte.
Mit ihr wurde das gezogene Rohr bei Panzerkanonen durch ein glattes Rohr ersetzt. Bis dahin besaßen die Rohre Züge im Lauf. Dadurch wurden die Geschosse in eine Rotation um die eigene Längsachse gesetzt, die ihren Flug stabilisierte. Doch weil die dafür nötige Energie auf Kosten der Fluggeschwindigkeit und damit der Durchschlagskraft ging, entwickelte Rheinmetall die Glattrohrkanone. Das pfeilförmige Geschoss (der Penetrator) sitzt in einer Hülle (dem Treibspiegel), der nach Verlassen des Rohrs abgestoßen wird. Der Penetrator wirkt durch seine hohe Geschwindigkeit und das große spezifische Gewicht des verwendeten Wolframs mit besonders hoher kinetischer Energie auf die feindliche Panzerung ein. In der Version A6 wurde eine Kanone mit einem um 130 cm längeren Rohr installiert. Das erlaubt höhere Mündungsgeschwindigkeit und größere Präzision beim Schießen. Die Geschosse verlassen mit mehr als fünffacher Schallgeschwindigkeit (>1750 m/s) den Lauf und können auf 2000 m die Panzerung aller in der Ukraine eingesetzten russischen Panzer durchschlagen.
Russische Panzer sind mit Ladeautomatik ausgestattet
Granaten mit dieser Leistungsfähigkeit haben notwendigerweise ein hohes Gewicht. Die sowjetischen Panzerbauer lösten das Problem, indem sie Geschoss und Treibladung trennten und eine Ladeautomatik einbauten, die die Kanone schneller nachladen konnte, als dies ein Mensch hätte tun können. Rheinmetall dagegen setzte auf eine gewichtsparende hülsenlose Treibladung an der Granate. Auf den Ladeschützen wollte die Bundeswehr auch deshalb nicht verzichten, weil sie die restliche Besatzung nicht mit noch mehr Aufgaben bei Wartung und Bewachung ihres Panzers belasten wollte.
Allerdings ist es für den Ladeschützen in hügeligem Gelände schwierig, die Balance zu halten und dabei noch die Granaten aus dem Magazin in den Verschluss zu stecken. Weil er bei seiner „Arbeit“ im Vergleich zu Kommandant und Richtschütze viel Platz braucht, wirkt sich das auf die Größe von Turm und Wanne aus. Eine kleine Silhouette dagegen erschwert die Entdeckung auf dem Schlachtfeld. Weil es die Funktion des Ladeschützen bei den ukrainischen Panzern sowjetischer Provenienz nicht gibt, müssten sie bei Lieferung an die Ukraine neu rekrutiert werden. Da Ladeschütze aber die einfachste Aufgabe in einer Panzerbesatzung ist, dürfte die Ausbildung relativ problemlos sein.
Vollen Maßkrug an der Kanonenmündung des Leopard 2 balanciert
Doch die mächtigste Kanone nützt nichts, wenn das Geschoss nicht ins Ziel trifft. In der Waffenstabilisierungsanlage arbeitet ein Kreiselstabilisator, der über hydraulische und elektrische Antriebe das Kanonenrohr auch in unebenem Terrain stets aufs Ziel ausrichtet. Wie präzise die Waffenstabilisierungsanlage beim Leopard 2 funktioniert, demonstriert ein jahrzehntealter Schulungsfilm der Bundeswehr, in dem ein voller Maßkrug an der Rohrmündung durch das Gelände geschaukelt wird.
Den Film gibt es auf Youtube hier:
Das Lasermessgerät erfasst Ziele bis zu einer Entfernung von knapp 10 km zuverlässig. Der Feuerleitrechner zieht neben der Entfernung noch Faktoren wie Fahrzeugneigung, Fahrzeugbewegung, Munitionsart, Windrichtung und Munitionstemperatur hinzu, um die Kanone exakt auszurichten. Bekämpft werden können so feindliche Panzer bis auf eine Entfernung von 4000 m – das Doppelte, was die Kanone eines russischen T-72 leisten kann.
Wie der Schützenpanzer Marder die Ukraine in ihrer Verteidigung unterstützt
Jüngere Versionen des Leopard 2 verfügen über die sogenannte Hunter-Killer-Funktion. Dabei kann der Kommandant bereits das nächste Ziel anvisieren, während der Richtschütze noch mit dem Bekämpfen des ersten beschäftigt ist. Auf Knopfdruck des Kommandanten schaltet die Zieloptik des Richtschützen auf den nächsten Panzer auf, Zielansprache und Umorientierung des Richtschützen entfallen. Mithilfe der Wärmebildgeräte ist auch bei Nacht und schlechter Sicht der Waffeneinsatz möglich, wobei die entsprechenden Fähigkeiten des Leopard 2 jene der meisten älteren russischen Kampfpanzer übertreffen.
Wie sehr der Munitionsnachschub die Wirkung eines Waffensystems beeinflusst, wurde deutlich, als die Schweiz sich weigerte, die Geschosse für den in der Ukraine eingesetzten Flugabwehrpanzer Gepard zu liefern. Für die Kanone des Leopard 2 schafft Rheinmetall zusätzliche Kapazitäten im ungarischen Várpalota, wo vor wenigen Tagen die Grundsteinlegung für eine Munitionsfabrik erfolgte. Die vollen Produktionskapazitäten sollen in zwei Jahren erreicht werden, dann soll auch Munition für den Leopard 2 und für die Panzerhaubitze 2000 hergestellt werden. Der Umstieg auf Nato-Panzer ist für die Ukraine auch deshalb so dringlich, weil im Westen die Beschaffung von 125-mm-Munition für Sowjetmodelle schwierig geworden ist.