Wie Spezialeinheiten der Ukraine russische Bomber mit Drohnen zerstören
Immer greift die Ukraine Bomberbasen tief in Russland an. Nun wurde bekannt: Es stecken mit Drohnen bewaffnete Spezialeinheiten dahinter.
Eine postume Ordensverleihung brachte es an den Tag: Wenn Kampfflugzeuge auf russischen Stützpunkten Hunderte Kilometer von der ukrainischen Grenze entfernt zerstört oder beschädigt wurden, geschah dies durch mit Drohnen ausgerüsteten ukrainischen Spezialeinheiten. Das ukrainische Verteidigungsministerium hatte bekannt gegeben, es habe den gefallenen Oberstleutnant Oleh Babiy mit dem Titel „Held der Ukraine“ und dem Orden „Goldener Stern“ ausgezeichnet. Der Mitteilung zufolge war Babiy getötet worden, als er mit seiner Einheit im August 2023 mehr als 600 km zu Fuß zurückgelegt habe, um einen russischen Bomber vom Typ Tu-22M zu zerstören und zwei andere zu beschädigen. Auf dem Rückzug sei Babiys Team in einen Hinterhalt geraten. Er sei gefallen, als er den Rückzug seiner Kameraden deckte.
Die ukrainischen Spezialeinheiten griffen die russische Luftwaffenbasis Soltsy an
Auch wenn die Mitteilung den Ort und das genaue Datum des ukrainischen Angriffs von Babiys Team offenlässt, deutet alles darauf hin, dass es sich um die Attacke auf die Luftwaffenbasis Soltsy am 19. August vergangenen Jahres handelt. Sie liegt rund 700 km von der Grenze zur Ukraine entfernt. Bereits damals gingen Medien in der Ukraine und im Ausland davon aus, dass dabei ebenso wie bei einem Angriff wenige Tage später in der Nähe von Kursk Leichtgewichtsdrohnen zum Einsatz gekommen waren. Die Fluggeräte aus Hartschaum und Gummi hatte die australische Firma Sypaq ursprünglich für den Transport von Gütern entwickelt. Die Ukraine setzte sie jedoch mit einem 3-kg-Sprengkopf als Kamikazedrohne ein. Da Sypaq die Reichweite des Drohnentyps mit 120 km angibt, war offensichtlich, dass ukrainische Einheiten tief in russischem Gebiet operieren würden.
Der russische Bomber Tu-22M sollte Flugzeugträger versenken
Das Ziel des Angriffs, der Bomber Tu-22M, war während des Kalten Krieges entwickelt worden, um US-Flugzeugträger zu versenken. Denn die Sowjetunion wie die Nato waren sich einig, dass der Ausgang eines Dritten Weltkriegs davon abhängen würde, ob die USA ihre Truppenverstärkungen rechtzeitig über den Atlantik auf das Schlachtfeld in Mitteleuropa bringen könnten.
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Da ihre Flotte der U. S. Navy weit unterlegen war, setzte die Sowjetarmee auf weitreichende Bomber, die die Geleitzüge der Nato angreifen sollte. Als die Tu-22M im Jahr 1975 mit ihren Schwenkflügeln und einer Spitzengeschwindigkeit von mehr als zweifacher Schallgeschwindigkeit in Dienst gestellt wurde, erhöhte sich die Bedrohung für die Seewege der Nato erheblich.
Bewaffnet war die Tu-22M bereits damals mit einer Waffe, mit der Russland seit zwei Jahren die ukrainische Bevölkerung terrorisierte: dem Marschflugkörper Raduga Ch-22. Er kann einen 1 t schweren Gefechtskopf mit dreifacher Schallgeschwindigkeit über rund 500 km ins Ziel bringen. Weil Flugzeugträger die größten Schiffe in einem Verband darstellen, war der Radarsuchkopf der Ch-22 darauf ausgelegt, besonders große Schiffe im Zielgebiet zu identifizieren und den Marschflugkörper dorthin zu lenken. Deshalb kommt es in der Ukraine immer wieder zur Zerstörung großer Wohngebäude, weil sie für die Ch-22 eine ähnlich auffällige Radarsignatur erzeugen wie ein Flugzeugträger. Als besonders zynische Wendung der Geschichte hatte die Ukraine im Jahr 2000 386 dieser Marschflugkörper an Russland geliefert, um damit Schulden aus Gaslieferungen zu bezahlen. Seit dem Beginn der Vollinvasion hat Russland mehr als 300 Flugkörper dieses Typs auf Ziele in der Ukraine gestartet. Ende Dezember des vergangenen Jahres hatte ein ukrainischer Regierungssprecher zugeben müssen, dass keine einzige Ch-22 abgeschossen werden konnte.
Diese Aussagen erklären auch, warum die Ukraine auf ihre Spezialkräfte vertraut, um die russische Bomberflotte zu dezimieren: Gegen die Marschflugkörper ist die Flugabwehr machtlos, und weil wenige verbliebene ukrainische Jagdflugzeuge nicht im russischen Luftraum eindringen können, können sie auch nicht die in sicherer Entfernung von der ukrainischen Grenze operierenden Bomber bekämpfen, bevor diese ihre Waffenlast gestartet haben.
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Die Zerstörung der Tu-22M in Soltsy ist nicht die einzige ukrainische Aktion gewesen. Immer wieder gab es Meldungen über Angriffe auf russischen Flugstützpunkten. Bereits im Dezember 2022 kam es etwa zu Explosionen auf der Luftwaffenbasis Dyagilevo, die rund 250 km von Moskau entfernt liegt.
Der Special Air Service ist das Vorbild für die Spezialkräfte der Ukraine
Die Zerstörung von Flugzeugen durch Spezialkräfte am Boden gab es in der Kriegsgeschichte immer wieder: Bei der Rückeroberung der von Argentinien besetzten Falklandinseln landeten Soldaten des britischen SAS (Special Air Service) mit zwei Hubschraubern auf der kleinen Insel Pebble Island. In einem Überraschungsangriff zerstörten sie zehn argentinische Kampfflugzeuge, die sonst den britischen Landungstruppen hätten gefährlich werden können. Der SAS war im Zweiten Weltkrieg genau für solche Einsätze im Hinterland deutscher Truppen aufgestellt worden. In Nordafrika fügte er Rommels Afrikakorps empfindliche Schäden zu, indem die britischen Soldaten mit Jeeps die deutschen Flugplätze angriffen und mit ihren schweren Maschinengewehren die Flugzeuge zerschossen.