Politik 10. Mrz 2023 Von Dieter W. Heumann Lesezeit: ca. 6 Minuten

Wiederaufbau der Ukraine nach historischem Muster: „Der Marshallplan ist keine Blaupause – eher eine Metapher“

Osteuropaexperte Heiko Pleines über die Erfolgschancen eines „Marshallplans für die Ukraine“ – 75 Jahre nach dem Start des Wiederaufbauplans für Westeuropa.

Im Januar 2023 begutachten Fachleute die Schäden an einem Wohnblock in Dnipro. Bei dem russischen Raketenangriff waren 40 Menschen, darunter Kinder, umgekommen.
Foto: imago images/UPI Photo/Dnipropetrovsk State Administrat

VDI nachrichten: Herr Pleines, der Marshallplan, der nach dem Zweiten Weltkrieg durch die Amerikaner 1948 in die Tat umgesetzt wurde, um Europa nach den Kriegswirren vor der Verelendung zu bewahren, ist nun wieder mit Blick auf die im Krieg befindliche Ukraine im Gespräch. Wie weit kann der Marshallplan heute noch als Blaupause dienen?

Pleines: Also eine Blaupause ist der Marshallplan nicht – eher eine Metapher. Es geht darum, Unterstützung zu signalisieren, die langfristig ist und nicht nur im Krieg, sondern auch beim Wiederaufbau hilft.

Heiko Pleines sieht die Ukraine bei der Bekämpfung der Korruption bereits auf einem gutem Wege. Eine Justizreform stehe aber noch aus. Foto: Harald Rehling / Universität Bremen

Von den Amerikanern als wertvolle Hilfe für Europa gefeiert, war der Marshallplan nicht unumstritten. So meinte der damalige Bundeswirtschaftsminister Ludwig Erhard mit Blick auf Westdeutschland, nicht die Hilfe aus den USA, sondern die Währungsreform habe das deutsche Wirtschaftswunder beflügelt. Hatte er recht?

So komplexe Geschichten wie das Wirtschaftswunder lassen sich natürlich nicht mit einem Faktor erklären. Im Hinblick auf die Ukraine sind drei Punkte besonders relevant: Erstens war das Finanzvolumen des Marshallplans vergleichsweise klein. Umgerechnet in heutige Preise ging es um knapp 150 Mrd. $ – für mehrere Länder. Wichtiger als die konkrete Summe dürfte die Signalwirkung gewesen sein. Denn zweitens zeigt ein solcher Plan ausländischen Investoren, dass sie mit stabilen Rahmenbedingungen rechnen können. Erleichterungen beim Außenhandel, Angleichung an internationale Standards und Unterstützung für den Rechtsstaat und eine effiziente Staatsverwaltung waren damals für das Wirtschaftswunder wichtig und sind es auch jetzt für die Ukraine. Drittens wird mit einem Marshallplan damals wie heute auch die wirtschaftliche und politische Integration gefördert.

Die absolute Höhe der Zahlungen aus dem Marshallplan ist nicht besonders hoch. Die Gelder ermöglichten den Industrien Europas aber die Anschaffung wichtiger Investitionsgüter und setzten den Wirtschaftskreislauf wieder in Gang, der nach dem Zweiten Weltkrieg zum Erliegen gekommen war.
Der Marshallplan wird in der Bundesrepublik propagandistisch begleitet und trägt zur Versöhnung mit den USA bei. Foto: dpa picture alliance / ullstein bild/Archiv Gerstenberg

„Der Marshallplan wurde von den USA allein organisiert – im Falle der Ukraine gibt es viele Unterstützerländer“

Die ersten Hilfen aus dem Marshallplan flossen 1948, also drei Jahre nach Ende des Zweiten Weltkrieges. Das wurde als sehr spät kritisiert. Aber kann man, wie heute oft gefordert, schon jetzt mit dem Wiederaufbau der Ukraine beginnen, obwohl der Krieg noch tobt und ein Ende nicht absehbar ist?

Hier ist eine Unterscheidung zwischen verschiedenen Formen von Wiederaufbau wichtig. Im wörtlichen Sinne meint Wiederaufbau ja, dass durch russische Raketen zerstörte Infrastruktur, vor allem für die Versorgung mit Strom, Wärme und Wasser, aber auch Straßen und Eisenbahnschienen, Krankenhäuser und Schulen wiederaufgebaut werden. Das kann sicher nicht warten, bis der Krieg vorbei ist. Das Räumen von Minen ist dabei auch eine wichtige Aufgabe. Der Wiederaufbau im Sinne eines Marshallplans meint aber eher einen Neubau der Wirtschaft. Viel diskutiert wird z. B. der Bereich der Energieversorgung. Kurzfristig werden alte Kraftwerke notdürftig in Stand gesetzt, langfristig – also mit Marshallplan – könnte die Ukraine verstärkt auf erneuerbare Energien, eine dezentrale Energieversorgung und vielleicht auch Exporte von grünem Wasserstoff in die EU setzen. Das setzt voraus, dass entsprechende Pläne bereits ausgearbeitet wurden, bevor diese Phase des Wiederaufbaus beginnt.

Im April 1953 ist die Stadthalle Köln noch immer deutlich vom alliierten Bombenkrieg gezeichnet. Der Wiederaufbau des Baus hat aber bereits begonnen. Foto: dpa picture alliance/AP Photo/Albert Gillhausen

Ein Jahr Krieg: Republik im Notfallmodus

Gibt es bereits Ansprechpartner und Institutionen, die die Hilfs- und Aufbauarbeiten koordinieren, wie dies bei der Umsetzung des Marshallplans der Fall war?

Angebot wählen und sofort weiterlesen

  • Alle Beiträge auf vdi-nachrichten.com
  • Monatlich kündbar

Oder werden Sie VDI-Mitglied und lesen im Rahmen der Mitgliedschaft Vn+.

Jetzt Mitglied werden
Ein Beitrag von:

Stellenangebote

DLG TestService GmbH

Prüfingenieur (m/w/d) Fahrzeugtechnik / QMB

Groß-Umstadt
GKS-Gemeinschaftskraftwerk Schweinfurt GmbH über dr. gawlitta (BDU)

Geschäftsführer (m/w/d) bei einem Unternehmen der Energiewirtschaft

Schweinfurt
Brandenburgischer Landesbetrieb für Liegenschaften und Bauen

Ingenieur/in (m/w/d), mit Schwerpunkt Tiefbau, für den Landesbau

Frankfurt (Oder) oder Potsdam
NORDEX GROUP

BOP (Balance of Plant) Electrical Engineer (m/w/d)

Hamburg
Hochschule Anhalt

Professur Medizintechnik

Köthen
Westfälische Hochschule

Professur Künstliche Intelligenz und Industrielle Automation (W2)

Gelsenkirchen
Leibniz Universität Hannover

Universitätsprofessur für Turbomaschinen und Fluid-Dynamik

Hannover
Fachhochschule Münster

Ingenieur*in (TGA) im Labor Gebäudetechnik (w/m/d)

Steinfurt
Hochschule Fulda

Professur (W2) Angewandte Biotechnologie insbes. Zellkulturtechnik

Fulda
Justus-Liebig-Universität Gießen

Ingenieur/in oder staatl. gepr. Techniker/in Heizungs-, Lüftungs- und Klimatechnik oder Meister/in im Installateur- und Heizungsbauerhandwerk (m/w/d)

Gießen
Zur Jobbörse

Das könnte Sie auch interessieren

Empfehlungen des Verlags

Meistgelesen