BAG-Urteil: Entgelt bei Coronaquarantäne durch den Arbeitgeber
Arbeitgeber, die in der Vergangenheit Beschäftigte nach der Rückkehr aus dem Urlaub vom Betrieb ausgeschlossen haben, obwohl die Coronaquarantäneverordnung nicht gegriffen hat, müssen in die Tasche greifen. Das hat das Bundesarbeitsgericht in Erfurt (BAG) entschieden.
Unternehmen, die über die behördlichen Vorgaben hinaus Quarantäneanordnungen in ihrem Betrieb eingeführt haben, müssen eventuell das Entgelt aus eigener Tasche bezahlen. Das entschied das Bundesarbeitsgericht am Mittwoch in einem Grundsatzurteil (5 AZR 154/22) in Erfurt. Der Kläger, ein Urlaubsrückkehrer aus der Türkei, hatte ein 14-tägiges Betretungsverbot für seinen Betrieb trotz negativer Coronatests erhalten. Den Präzedenzfall lieferte ein Beschäftigter eines Lebensmittelherstellers aus Berlin.
Das Unternehmen hatte ein Hygienekonzept erarbeitet, das für Arbeitnehmende, die aus einem vom RKI ausgewiesenen Risikogebiet zurückkehren, eine 14-tägige Quarantäne mit Betretungsverbot des Betriebs ohne Entgeltanspruch anordnet. Die SARS-CoV-2-Eindämmungsmaßnahmenverordnung des Landes Berlin vom 16. Juni 2020 sah nach Einreise aus einem Risikogebiet grundsätzlich eine Quarantänepflicht für einen Zeitraum von 14 Tagen vor. Diese sollte jedoch nicht für Personen gelten, die über ein ärztliches Attest nebst aktuellem Laborbefund verfügen, der ein negatives Ergebnis eines PCR-Tests ausweist, der höchstens 48 Stunden vor Einreise vorgenommen wurde, und die keine Symptome einer Covid-19-Erkrankung aufweisen.
Dem Arbeitnehmer steht Vergütung zu
Der Berliner hatte nach seinem Urlaub im Sommer 2020 in der Türkei, die damals als Coronarisikogebiet vom Robert Koch-Institut (RKI) eingestuft war, einen PCR-Test nach Abreise, einen bei Ankunft in Deutschland und noch ein Attest vom Hausarzt. Er sei Covid-19- und beschwerdefrei, wurde ihm bescheinigt. Trotzdem ließ ihn sein Arbeitgeber nach dem Urlaub nicht in den Betrieb, verlangte zwei Wochen Quarantäne und wollte den Leiter der Nachtreinigung in dieser Zeit nicht bezahlen. Dagegen klagte der Mann – und gewann auch in der höchsten Instanz. Sein Arbeitgeber muss ihm Gehalt nachzahlen. Das Unternehmen hatte ein Hygienekonzept erarbeitet, das für Arbeitnehmende, die aus einem vom RKI ausgewiesenen Risikogebiet zurückkehren, eine 14-tägige Quarantäne mit Betretungsverbot des Betriebs ohne Entgeltanspruch anordnet.
Mehr Bedingungen in Arbeitsverträgen formulieren – oder es drohen Bußgelder
Das Gericht entschied: Der Arbeitgeber schulde „grundsätzlich Vergütung wegen Annahmeverzugs“, heißt es in der Entscheidung. „Die Ursache der Nichterbringung der Arbeitsleistung“ habe der Arbeitgeber schließlich „selbst gesetzt“. Zudem sei dem Kläger nicht die Möglichkeit gegeben worden, durch einen weiteren PCR-Test eine Infektion weitgehend auszuschließen.
Die Kategorie der Hochrisikogebiete ist entfallen
Nach Angaben des RKI gibt es seit Anfang Juni 2022 nach Änderung der Coronavirus-Einreiseverordnung nur noch die Kategorie der Virusvariantengebiete. Die Kategorie der Hochrisikogebiete sei entfallen. Rückkehrer brauchten grundsätzlich keinen Nachweis mehr, dass sie geimpft, genesen oder getestet sind, sofern die Einreise nicht aus einem Virusvariantengebiet erfolge.
Arbeitgeber kann Coronatestpflicht anordnen
Sven Lohse, Associated Partner der Kanzlei Noerr in Düsseldorf und Fachanwalt für Arbeitsrecht, erklärt dazu: „Unternehmen müssen ihre Hygienekonzepte prüfen und ggf. überarbeiten – ansonsten heißt es ‚mehr Schutz auf eigene Gefahr bzw. Kosten‘. Sieht das Hygienekonzept eines Unternehmens zum Schutz sämtlicher Mitarbeiter eine strengere als die gesetzliche Quarantänepflicht vor, verliert der Mitarbeiter bei einem Betretungsverbot des Betriebs nicht seinen Anspruch auf Vergütung. Wirksam könnte möglicherweise ein solches Betretungsverbot und ein damit verbundener Verlust des Vergütungsanspruchs nur sein, wenn sich Arbeitgeber und Betriebsrat zuvor in einer Betriebsvereinbarung darauf verständigt haben.“