Bei Abfindungen zahlt sich guter Rat aus
Abfindungen sollen für den Verlust des Arbeitsplatzes entschädigen. Einen generellen Anspruch darauf gibt es aber nicht. Wie Arbeitnehmer zu ihrem Recht kommen, erläutert eine Fachanwältin.
In der Konstruktionsabteilung einer kleinen Maschinenbaufirma in Süddeutschland kam immer freitags um die Mittagszeit extrem schlechte Stimmung auf. Seit Monaten bestellte der Konstruktionsleiter den 15 Mitarbeitern seines Teams Pizza. Den Chef schloss er konsequent aus. Als der seinem Abteilungsleiter eine Aufgabe übertrug, die er ablehnte, mit der Begründung, das sei nicht seine, sondern Sache eines seiner Mitarbeiter, wurde ihm gekündigt. Als Grund gab der Chef Arbeitsverweigerung an. Was es nicht war. „Tatsächlich hat er sich an dem Mann gerächt, weil der ihn vor der gesamten Mannschaft blamierte“, sagt Sandra Flämig. Die Fachanwältin für Arbeitsrecht hat den Abteilungsleiter vertreten.
Kündigungsschutz haben grundsätzlich alle Mitarbeiter, die mehr als sechs Monate in einem Unternehmen mit mehr als zehn Angestellten beschäftigt waren. Der Kündigungsschutz ist in Deutschland stark. Wenn ein Arbeitgeber kündigen will, braucht er triftige Gründe. Sie können betriebsbedingt sein oder im Fehlverhalten des Mitarbeiters bestehen. Sind die Gründe stichhaltig, ist die Abfindung vom Tisch. Wenn nicht, kommt es zum Streit.
„Wenn über Kündigungen gestritten wird, dann ringt man meist auch um Abfindungen“, sagt Flämig, die eine eigene Anwaltskanzlei in Stuttgart betreibt. Erhält ein Arbeitnehmer die Kündigung und will dagegen vorgehen, muss er innerhalb von drei Wochen nach Zugang der Kündigung eine Kündigungsschutzklage beim Arbeitsgericht einreichen. Weil es im Arbeitsrecht keinen Anwaltszwang gibt, kann er das selbst tun oder einen Rechtsanwalt beauftragen.
„Zunächst klärt das Gericht, ob der Kündigungsgrund juristisch haltbar ist“, sagt Flämig. Im Falle des Konstruktionsleiters war er es nicht. Der Chef hatte emotional gehandelt. Die Konsequenz aus der ungerechtfertigten Kündigung: Der Mann hat ein Recht auf seinen Arbeitsplatz. Sein Chef müsste ihn wieder einstellen. Das jedoch will er nicht. Der Preis dafür ist die Abfindung. „Je unzureichender der Grund einer Kündigung, desto höher die Abfindung“, erläutert Flämig.
Im geschilderten Fall hat der Abteilungsleiter eine Abfindung von 40 000 € bekommen. In anderen Fällen bekamen Mitarbeiter um die 400 000 €. Das waren Beschäftigte in Unternehmen, die ganze Abteilungen schlossen, weil sie diesen Geschäftsbereich einstellten. Die Mitarbeiter mit den hohen Abfindungen waren lange im Unternehmen tätig gewesen.
Neben dem Kündigungsrund bestimmt die Dauer der Betriebszugehörigkeit die Höhe der Abfindung sowie die Höhe des Gehalts. Als Faustregel gilt: ein halbes Bruttomonatsgehalt pro Jahr der Beschäftigung. Weil Ingenieure zu den Topverdienern gehören, sind auch ihre Abfindungen hoch. Betriebsbedingte Kündigungen gibt es derzeit wegen der guten Konjunktur eher selten. Bei verhaltensbedingten Kündigungen, also Fällen bei denen der Arbeitnehmer grob gegen seine arbeitsvertraglichen Pflichten verstoßen hat, spielt die Konjunktur jedoch keine Rolle. Flämig schätzt, dass in 80 % bis 90 % aller verhaltensbedingten Kündigungen durch den Arbeitgeber eine Abfindung erstritten wird.
Im Kanzleialltag erlebt sie einen weiteren Unterschied zu früher: „Wenn ein Mitarbeiter heute nicht die Leistung bringt, die man von ihm erwartet, wird er eher versetzt, als freigesetzt.“ Das betrifft häufig Vorgesetzte, die aus Sicht des Arbeitgebers gute Fach-, aber miese Führungskräfte sind.
Wenn die Streitigkeiten zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer vor Gericht ausgefochten werden, heißt das Ergebnis meist Vergleich. Es gibt aber auch die Möglichkeit einer privaten Einigung mittels Aufhebungsvertrag. „Bei diesem rate ich unbedingt zum Beistand vom Fachanwalt“, sagt Flämig. „Der Vertrag sollte umfassend regeln, was in dem Arbeitsverhältnis zu klären ist“. Beispielsweise Bonuszahlungen, betriebliche Altersvorsorge oder das Arbeitszeugnis. „Dessen Inhalt sollte vor Unterzeichnung des Aufhebungsvertrages abgestimmt werden, damit es später keine weitere Auseinandersetzung gibt.“
Vergleich und Aufhebungsvertrag unterscheiden sich in einem wichtigen Punkt: Der Vergleich zieht keine Sperrfrist beim Arbeitslosengeld nach sich. Beim Aufhebungsvertrag zahlt die Arbeitsagentur hingegen in der Regel zwölf Wochen lang keinen Cent.
Versteuert werden muss eine Abfindung immer. Sie ist Teil des Einkommens. Weil sie aber nur einmal bezahlt wird, zählt sie zu den außerordentlichen Einkünften. Deshalb wird sie nach „Fünftelregelung“ besteuert, die einen etwas niedrigeren Steuerabzug ermöglicht. Es wird so gerechnet, als würde der Steuerpflichtige fünf Jahre lang ein Fünftel der Abfindung erhalten. Die Steuerprogression wird so gemildert.
Weil das Steuerrecht ebenso kompliziert wie das Arbeitsrecht ist, rät Flämig dazu, Rat beim Steuerberater einzuholen. „Wenn Arbeitgeber und Arbeitnehmer nicht so zerstritten sind, dass sie noch miteinander reden können, ist der Aufhebungsvertrag dem Vergleich vorzuziehen, weil er Gestaltungsmöglichkeiten bietet.“
So kann z. B. vereinbart werden, dass die Abfindung erst im Folgejahr des Ausscheidens bezahlt wird, um die Steuerbelastung zu senken. Das kann dem Arbeitnehmer einige Tausend Euro mehr bringen, ohne dass die der Arbeitgeber bezahlen muss.
Ein weiterer Vorteil des Aufhebungsvertrags: Beim freien Verhandeln kommen schon mal 1,5 bis 2,5 Gehälter pro Beschäftigungsjahr heraus. Beim Vergleich gibt es die so gut wie nie. Dafür erhält man aber – anders als beim Aufhebungsvertrag – einen vollstreckbaren Titel, falls das Unternehmen nicht zahlen kann. Damit kann man gleich zum Gerichtsvollzieher gehen.