RECHT 31. Okt 2014 Thomas Münster Lesezeit: ca. 5 Minuten

Eltern blechen für ihre studierenden Kinder

Auslandssemester, nach dem Bachelor noch einen Master oder gleich an die Privatuni, den meisten Eltern ist unklar, für was sie aufkommen müssen und für was nicht, wenn die Kinder studieren. Die Sprösslinge haben Anrecht auf eine angemessene Ausbildung, doch wie sich diese genau gestalten darf, klären in Deutschland oft die Gerichte.

Kein Stress: Ein Semester mehr oder weniger, wen kratzt das schon? Doch wer die Regelstudienzeit stark überschreitet, dem können die Eltern den Geldhahn zudrehen.
Foto: mauritius images/Artur Cupak

Der Vater dachte, er hätte seine Schuldigkeit getan: Seine 24-jährige Tochter hatte den Bachelor in Politologie und Sinologie geschafft. Das Studium hatte er finanziert, jetzt stornierte er den Dauerauftrag. Doch die Tochter hatte sich zum Wintersemester für den „Master of International Business“ mit Schwerpunkt China immatrikuliert. Auch dafür sollte der Vater aufkommen. Der meinte, das sei ein Zweitstudium, er müsse nur eine Ausbildung zahlen. Im Prinzip stimmt das, bestätigte das Amtsgericht Frankfurt. Doch hier seien Bachelor und Master wegen des engen sachlichen Zusammenhangs als einheitliche Ausbildung anzusehen. Der Vater musste einen neuen Dauerauftrag einrichten.

Ausbildungskosten: Rechte und Pflichten der Kinder und Eltern

Unterhaltshöhe Bei Nettoeinkommen bis 5100 € steht dem Kind nach Düsseldorfer Tabelle im Studium 670 € monatlich zu, wenn es nicht bei den Eltern lebt. Darin sind Semestergebühren enthalten, die Studiengebühren – vor allem an Privathochschulen – nicht. Sie müssen wie auch Krankenversicherung zusätzlich gezahlt werden. Davon geht das Kindergeld ab. Bei Einkommen oberhalb 5100 € rechnen die Gerichte konkret nach. Einerseits: Wie viel Geld ist verfügbar? Andererseits: Welchen Bedarf hat das Kind, vielleicht eine etwas bessere Wohnung, Hobbys, Musikunterricht?

Ausbildungsdauer Das Kind muss die Ausbildung zielstrebig aufnehmen und darf nicht bummeln, sonst kann es den Anspruch gegen die Eltern verlieren. Aber einige Monate Orientierung nach der Schule sind drin, auch ein freiwilliges soziales Jahr. Wartezeit auf Studienplatz muss das volljährige Kind selbst finanzieren. Für die Studiendauer sind Bafög-Förderzeiten kein Maßstab, Faustregel: Regelstudienzeit plus zwei bis drei Semester. Über Studienfortschritte können die Eltern Nachweise verlangen und Zahlungen zurückhalten, wenn die nicht kommen. Ein Fachwechsel nach einem oder zwei Semestern, eine versiebte Abschlussprüfung sind erlaubt. Bei Gründen wie Schwangerschaft oder langer Krankheit kann verlängert werden.

Eigenmittel Soweit sie können, müssen Kinder ihre Ausbildung selbst zahlen und dafür eine Ausbildungsversicherung oder auch Geld von den Großeltern einsetzen. Freibetrag liegt bei etwa 2500 €, höher bei wohlhabenden Eltern. Sie müssen Bafög nutzen. Sie müssen nicht selber Geld verdienen, jedoch die Eltern informieren, wenn sie es tun. Der Verdienst kann dann teilweise vom Unterhalt abgezogen werden.

Kostensenkung Eltern können – auch erwachsenen – Kindern „Naturalunterhalt“ anbieten: Kost und Logis, Taschengeld, Studienkosten. Lehnt das Kind ab, müssen die Eltern nichts zahlen, nicht mal, was sie durch Auszug des Kindes sparen. Voraussetzungen: Die Eltern wohnen am Studienort, dort gibt es die gewünschte Fächerverbindung. Der bessere Ruf einer anderen Uni rechtfertigt den bezahlten Auszug eher selten, ein schlechtes Verhältnis zu den Eltern nur in krassen Fällen.

Kinder haben Anspruch auf eine angemessene Ausbildung. Doch was ist angemessen? Auslandsaufenthalt? Ein paar Semester mehr oder ein Fachwechsel? „Die Gerichte sind großzügig“, sagt Isabell Götz, Richterin am Oberlandesgericht München und Vorsitzende des Deutschen Familiengerichtstags.

Aber alles hat seine Grenzen. So steht dem Kind nur eine Ausbildung zu. Wenn es dann den Abschluss nicht schafft, ist das nicht mehr Problem der Eltern, sogar wenn sie die erste Ausbildung nicht gezahlt haben. Aber: Zu sagen, was eine Ausbildung ist, fällt Juristen nicht immer leicht. „Sogar Lehre und Studium gelten als Einheit, wenn sie fachlich zueinanderpassen“, erklärt Anwältin Ulrike Haibach, „etwa der Klassiker Abitur – Banklehre – Studium Betriebswirtschaft.“ Oder Schreiner – Architekt. Aber Schreiner – Betriebswirtschaft? „Nein.“ Und eine Promotion? Familienrechtlerin Haibach: „Nur wenn sie zum Regel-Studienabschluss gehört. Und auch dann muss der Doktorand einer Teilzeitarbeit nachgehen, davon kann er sich in aller Regel selbst finanzieren.“

Der Bologna-Prozess hat den Juristen eine neue Denkaufgabe beschert, die Bachelor-Master-Frage: Wenn der Absolvent direkt im Anschluss ein auf dem Bachelor-Studium aufbauendes Master-Studium in Angriff nimmt, werten das einige Gerichte als einheitliche Ausbildung. Aber was baut aufeinander auf? Die Entscheidung des Amtsgerichts Frankfurt bietet hierfür einen einfachen Maßstab. Sie sagt: Dafür genügt es, wenn ein Master-Studium nach den Zulassungsregeln der Hochschule mit dem Bachelor aufgenommen werden kann, auch wenn es sich nicht um denselben Studiengang handelt. Eine endgültige Klärung der Frage durch den Bundesgerichtshof steht allerdings noch aus. Bei weiterbildenden Masterstudiengängen dagegen sind die Eltern nicht mehr in der Pflicht. „Das setzt in der Regel mindestens ein Jahr Berufspraxis voraus, deshalb fehlt der zeitliche Zusammenhang zwischen beiden Studiengängen“, erklärt Richterin Götz.

Welche Ausbildung für sie gut ist, bestimmen volljährige Kinder selbst. Die Münchner Anwältin Rosemarie Rittinger berichtet vom Spross einer Akademikerfamilie, der Hauswirtschafter werden wollte. Der Vater fand, er solle was Ordentliches lernen. „Das Gericht erklärte ihm, das sei die Entscheidung des Sohnes – und wenn er Zirkusreiter werden wolle.“ Hauptsache, die Ausbildung qualifiziert zu einem Beruf.

Doch für die Eltern gibt es Schmerzgrenzen, wenigstens bei den Finanzen. Was sie zahlen müssen, sagt für Nettoeinkommen bis 5100 € die Düsseldorfer Tabelle. Danach steht Kindern, die nicht zu Hause wohnen, für ihr Studium 670 € plus einige Nebenkosten (siehe Kasten) zu. Dazu können Auslandssemester kommen, sogar wenn das von der Studienordnung nicht vorgeschrieben, sondern nur empfohlen wird. Ein Elternteil darf die Zahlungen für Volljährige erst einschränken, wenn ihm sonst weniger als 1200 € bleiben. Bei teuren Sonderwünschen wie Privatuni, z. B. im Ausland, müssen die Eltern „allenfalls mitziehen, wenn es die Ausbildung dort beim Staat nicht gibt oder andere sehr gute Gründe dafür sprechen“, sagt Haibach.

Bei Einkommen deutlich oberhalb der 5100 € gelten andere Maßstäbe. „Ein junger Münchner hatte seinen Vater auf ein Studium in New York verklagt“, weiß Rittinger. Die Besonderheit: Der Vater war „superreich“. Am Ende zahlte er, per Vergleich, auf einen Richterspruch ließ er es nicht ankommen. Denn je mehr die Eltern verdienen, desto eher haben Sonderwünsche eine Chance.

Auch bei den Zahlungen für ein Studium an einer deutschen Staatsuni kommt, wer sich mit dem Einkommen weit oberhalb der Düsseldorfer Tabelle bewegt, nicht mit 670 € davon. Er muss den Kindern ein Lebensniveau ermöglichen, das – so die Standardformulierung der Gerichte – „gehoben, aber nicht luxuriös“ ist. Richterin Götz: „Wenn die Gerichte entscheiden, kommen meist Monatsbeträge von 1000 € bis 1500 € raus, mehr fiele aus dem Rahmen.“

Egal wie viel sie verdienen, Eltern müssen nur eine Ausbildung zahlen, die für das Kind geeignet ist. Manchmal behaupten sie, es wäre „zu blöd“ für das gewählte Fach, so Rittinger. In der Praxis kommen sie damit fast nie durch. In der Schule zweimal sitzen geblieben und dann ein schwaches Abitur? Götz winkt ab: „Das zählt nicht viel.“ Faktisch ist das Abitur ein Freifahrtschein für jedes Studium. Dass ein Kind den Numerus clausus (NC) in seinem Wunschfach nicht erreicht, ist „für ein Gericht kaum ein Nachweis fehlender Begabung“, sagt Familienrechtler Ludwig Bergschneider. Deshalb ist auch der Kinderwunsch nach einer NC-freien Uni im Ausland – auf Kosten der Eltern – nicht chancenlos.

Beruhigend ist, dass auch erwachsene Kinder ihre Eltern eher selten vor Gericht ziehen, sie haben – so Anwältin Eva Becker – „eine gewisse Hemmschwelle“. Und wenn doch, wird der Streit in den meisten Fällen nicht bis zum bitteren Ende ausgetragen. „Bei mindestens 80 % gibt es einen Vergleich“, schätzt Bergschneider, „schon weil der Ausgang der Verfahren sehr schwer vorherzusagen ist.“ Aber zahlen müssen die Eltern dennoch, sagt Becker, „das ist das Risiko, wenn man ein Kind hat.“

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