Porträt der neuen DPMA-Präsidentin 23. Feb 2023 Von Stefan Asche Lesezeit: ca. 7 Minuten

Eva Schewior: Eine Teamplayerin am Puls der Technik

Eva Schewior ist seit Anfang Februar Chefin im Deutschen Patent- und Markenamt (DPMA). Im Interview erlaubt sie Einblicke in ihre bisherige Karriere, ihre künftige Arbeit und in ihr Privatleben.

Stabwechsel im Patentamt: Seit Anfang Februar hat Eva Schewior die Fäden in der Hand. Sie verspricht, Prüfungsverfahren noch weiter zu verkürzen.
Foto: PantherMedia / Randolf Berold

VDI nachrichten: Bundesjustizminister Marco Buschmann sagte bei Ihrer Amtseinführung, dass Sie es verstehen, „mit Leidenschaft und Begeisterung andere mitzureißen.“ Wofür begeistern Sie sich, beruflich wie privat? Und was bremst Ihren Elan?

Schewior: Zum beruflichen Teil Ihrer Frage: Ich habe in allen meinen Stationen versucht, meine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter für die Sinnhaftigkeit dessen zu begeistern, was wir tun. Ich bin davon überzeugt, dass es sich lohnt, sich für unser Gemeinwesen einzusetzen, egal an welcher Stelle und für welche Aufgabe wir gerade zuständig sind – auch wenn uns dieser Teilbeitrag, den wir für das Ganze leisten, gar nicht so bedeutsam vorkommt. Ich möchte meine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter dazu befähigen, auf ihre Fähigkeiten zu vertrauen und selbst Verantwortung zu übernehmen. Deshalb empfinde ich es – um Ihre Formulierung aufzugreifen – als „ausbremsend“, wenn man nur darauf setzt, dass letztlich der oder die Vorgesetzte alles entscheidet und sich damit die Entwicklung eigener, auch neuer, Lösungswege abschneidet.

Natürlich trage ich die Verantwortung und habe auch das Letztentscheidungsrecht – aber wie motivierend ist es für den sachbearbeitenden Mitarbeiter oder die Mitarbeiterin, wenn die „Chefin“ seinem bzw. ihrem Vorschlag folgt und ihn bestätigt? Gute Lösungen werden nur entwickelt, wenn alle dazu beitragen.

Privat bin ich eine „Leseratte“. Meine Präferenzen sind dabei ganz unterschiedlich: Ich mag vor allem klassische und zeitgenössische Literatur. Nach einem langen Arbeitstag zum Abschalten lese ich aber auch mal einen Krimi, wenn er gut geschrieben ist. Mein Mann und ich begeistern uns für klassische Musik, wir besuchen häufig sinfonische Konzerte und Opernaufführungen. Ich denke, in dieser Hinsicht hat München uns einiges zu bieten. Da mir außerdem die Arbeit mit jungen Menschen große Freude bereitet, habe ich mich in Berlin neben dem Beruf noch in der Kinder- und Jugendarbeit unserer Pfarrgemeinde engagiert. Ich habe aber wenig Hoffnung, dass ich dieses Engagement in meinem neuen Amt werde fortsetzen können – schon wegen der nicht planbaren Arbeitszeiten. Stress baue ich durch regelmäßiges Laufen ab; dies hat die Coronazeit noch verstärkt.

Minister Buschmann hob außerdem Ihre „intellektuellen Fähigkeiten, Ihrer Weltgewandtheit“ hervor. Woher rührt beides?

Es steht mir nicht an, mir zugeschriebene Fähigkeiten dieser Art zu kommentieren. Was Herr Minister wohl meint, ist, dass meine bisherigen Aufgaben stets mit Arbeiten in internationalen Organisationen verbunden waren, u. a. in der Europäischen Patentorganisation und in der Europäischen Union. Gute Ergebnisse kann man bei internationalen Verhandlungen nur erreichen, wenn es gelingt, sowohl deutsche Interessen als auch das gemeinsame europäische Ziel miteinander zu verbinden.

Paywall

Das Patentrecht ist Ihnen nicht fremd. Was fasziniert/reizt Sie am meisten an Ihrer neuen Aufgabe?

Die ersten Berührungspunkte hatte ich während meines Studiums an der University of Michigan in Ann Arbor, wo ich einen Master of Laws (LL.M.) erworben habe. Dort habe ich mich auch mit dem amerikanischen und internationalen Patentrecht beschäftigt. Das Jurastudium ist in den USA ein „graduate study“, d.h. man muss für ein Jurastudium ein bereits abgeschlossenes Studium mitbringen. In meiner patentrechtlichen Vorlesung saßen daher auch Studenten, die zuvor technische Studiengänge absolviert hatten und teilweise schon einschlägige Berufserfahrung mitbrachten. Diese Perspektive hat unsere Diskussionen sehr geweitet: Diese war von Anfang an nicht auf den rein juristischen Blickwinkel beschränkt, sondern drehte sich auch um ökonomische und technische Fragestellungen.

Ab 2010 war ich im Bundesministerium der Justiz mehrere Jahre als Referatsleiterin für die Verwaltungsangelegenheiten des DPMA, des Bundespatentgerichts und des Europäischen Patentamts zuständig. Hier hatten wir immer wieder mit den praktischen Fragen des Patentrechts zu tun: mit dem Ablauf des Patentanmelde- und prüfverfahrens, mit der Umstellung auf elektronische Verfahren, aber auch mit zahlreichen weiteren organisatorischen und rechtlichen Fragestellungen rund um das deutsche und europäische Patentwesen. Aus der Zeit stammt mein enger Kontakt mit dem DPMA und dem Europäischen Patentamt. Mein Amtsantritt in München ist ein Wiedersehen mit vielen guten „alten Bekannten“.

Mich reizt an meinem neuen Amt vor allem die Unterschiedlichkeit der Aufgaben, die auf mich zukommen. Ich denke, hier wird es kaum Routine und viel Raum für Gestaltung geben. Zweitens habe ich gerne mit Menschen zu tun. Im DPMA ist es üblich, viele Prozesse in Gesprächen oder in Gremien in einem Miteinander zu entwickeln; dies zu begleiten und zu fördern, darauf freue ich mich. Drittens werden auch hier wieder internationale Aufgaben auf mich zukommen. Das DPMA ist in vielfältige internationale Beziehungen zu internationalen Organisationen und zu anderen Patentämtern weltweit eingebunden und hat dort eine Stimme, die gehört wird. Das möchte ich gerne ausbauen.

Ideen mit Potenzial: Freie Erfinder auf der Spur des Rollkoffers

Welche Erfindung hätten Sie selbst gerne gemacht und zum Patent angemeldet?

Den Buchdruck. Leider war Patentschutz zu Zeiten von Johannes Gutenberg noch nicht in der heutigen Form möglich.

Was ist in Ihren Augen die größte Erfindung der Menschheit?

Das ist eine der Fragen, bei der Sie von zehn Fachleuten zehn unterschiedliche Antworten bekommen. Ich vermute, dass Sie diese Erfahrung schon in Ihrer eigenen Redaktion gemacht haben. War es der Faustkeil? Das Rad? Der Buchdruck? Das Automobil? Der Computer? Ich möchte mich nicht festlegen, weil ich glaube, dass es ungerecht wäre, eine Erfindung und damit eine bestimmte Einzelleistung hervorzuheben. Man baut ja immer auf dem auf, was es schon gibt. Isaac Newton hat das schöne Bild geprägt, dass man als Forscherin oder Forscher „auf den Schultern von Riesen“ sitzt, also nur deshalb einen so guten Blick hat, weil die Vorfahren mit ihren Leistungen und Erkenntnissen einen tragen. Ich finde, mit dieser Erkenntnis erübrigt sich die Frage nach der einen wichtigsten Erfindung.

Wird es solche epochalen Erfindungen in Zukunft auch noch geben? Oder anders gefragt: War ein Job im Patentamt um 1900 nicht viel aufregender?

Ich kann nicht für meine Vorgänger im Amt sprechen, bezweifle das aber. Nie haben sich unsere Lebensumstände durch technische Innovation in so kurzer Zeit so schnell verändert, wie in den vergangenen 30 Jahren. Die Digitalisierung krempelt die Art und Weise um, wie wir kommunizieren, arbeiten und unsere Freizeit verbringen. Und ein Ende dieser disruptiven Entwicklungen ist ja keineswegs abzusehen, wenn Sie etwa an die immer weitergehenden Möglichkeiten der Künstlichen Intelligenz denken. Über Langeweile können wir uns also nicht beklagen. Ich gebe Ihnen aber recht, dass sich die Art und Weise, wie Erfindungen bei uns ankommen, geändert hat. Vieles ist auch wegen der heutigen Dichte des Standes der Technik kleinteiliger geworden. In einem marktfähigen neuen Produkt stecken heute oft hunderte einzeln patentierte oder als Gebrauchsmuster eingetragene Erfindungen. Erst ihr Zusammenspiel macht die großen Techniksprünge unserer Zeit möglich.

Erfindungen, die unser Leben veränderten

Kann die Arbeit von Patentprüfern künftig von KI übernommen werden?

Auch auf die Gefahr, dass es wie ein Widerspruch zum vorher gesagten klingt, bezweifle ich das sehr – zumindest auf absehbare Zeit. Künstliche Intelligenz ist aber schon heute ein immens wichtiges Werkzeug zur Unterstützung unserer Prüfung. Wir nutzen KI zum Beispiel, um Patentanmeldungen der richtigen Technikklasse und damit der richtigen Prüfungsstelle zuzuordnen. Die Trefferquoten sind hoch, das ist also eine echte Arbeitserleichterung. Ein sehr leistungsfähiges KI-Tool hilft uns auch bei der Übersetzung asiatischer Patentliteratur ins Englische. Das gibt uns ganz neue Möglichkeiten bei der Suche nach den immer wichtigeren Schriften aus Japan, China und Südkorea. Dennoch gibt es bei der Recherche zum Stand der Technik noch deutlich Luft nach oben – zum Beispiel bei der Bildrecherche. Und im Kernbereich der Prüfung, nämlich bei der Auswahl und materiell-rechtlichen Wertung des beanspruchten Gegenstandes gegenüber dem Stand der Technik, gibt es noch keine Ansätze für die Anwendung von KI.

Hätten Sie sich statt der Verwaltungslaufbahn auch eine Karriere als Ingenieurin vorstellen können?

Ich war in der Schule gar nicht mal so schlecht in Mathematik und Naturwissenschaften, hätte mir dies aber vermutlich nicht zugetraut. Letztlich bin ich dem Vorbild meines Vaters gefolgt, der Jurist war. Ich freue mich aber, dass meine Nichte einen technischen Studiengang gewählt hat, den der Humanoiden Robotik. Ihr Vater ist Ingenieur. Das zeigt vielleicht, dass man junge Frauen noch mehr motivieren und durch Vorbilder anregen sollte, damit sie sich ein Ingenieurstudium zutrauen. Überhaupt müssen wir an unseren Schulen mehr dafür werben, wenn es um die Wahl der sogenannten Mint-Fächer geht.

Technologie hat heute einen noch höheren Stellenwert als vor 30 oder 40 Jahren. Viele Ingenieure sind als Gründer wichtiger Technologiekonzerne Idole unserer Zeit. Für junge Menschen ist es heute noch attraktiver, Ingenieurin oder Ingenieur zu werden. Das ist wunderbar, denn die großen Herausforderungen der Menschheit wie Energieverbrauch und Klimawandel, die Zukunft der Mobilität, die Digitalisierung und der Erhalt unserer Gesundheit erfordern auch technologische Lösungen. Ich freue mich, dass ich jetzt quasi am Puls der Technik arbeiten kann. Aber ich denke, dass ich eine so große Dienstleistungsorganisation für die Wirtschaft, wie sie das DPMA ist, mit meinen juristischen und Verwaltungserfahrungen wahrscheinlich noch besser führen kann.

Was werden die ersten Aufgaben sein, die Sie im DPMA angehen wollen/müssen?

Das DPMA ist das größte nationale Patentamt in Europa und das fünftgrößte weltweit. Diese Spitzenposition gründet auf der Stärke unseres Innovationsstandorts, aber auch auf der herausragenden Qualität unserer Prüfung. In diesem Jahr wird nun das europäische Einheitspatent eingeführt. Für Anmelderinnen und Anmelder ergibt sich damit eine neue Schutzoption, was auch wir begrüßen. Dennoch wollen wir die großen Vorteile und Stärken des deutschen Patents noch klarer herausstellen. Und natürlich arbeiten wir daran, es noch attraktiver zu machen. Im vergangenen Jahr ist es uns zum zweiten Mal in Folge gelungen den Bestand anhängiger Prüfungsverfahren zu verringern. Daran arbeiten wir weiter, um die Verfahrenslaufzeiten Stück für Stück verkürzen zu können.

Zudem werden wir uns weiter intensiv um die Weiterentwicklung unserer IT-Systeme und unsere elektronischen Dienste kümmern. Wir sind eine sehr weit digitalisierte Behörde. Die IT ist so etwas wie das Herzstück unserer Arbeitsfähigkeit. Neben der elektronischen Schutzrechtsakte, über die das DPMA schon seit mehr als zehn Jahren verfügt, werden wir auch in unseren Verwaltungsbereichen bald die elektronische Aktenführung einführen.

Mögen Sie den Lesern von VDI nachrichten weitere Details über die private Eva Schewior verraten?

Ich bin 59 Jahre alt, verheiratet und habe eine Tochter, die Jura studiert. Mein Mann war als Richter tätig, ist aber mittlerweile pensioniert und begeistert davon, mit mir nach München zu gehen. Urlaubsmäßig sind wir eher der „Berg-“ als der „Strand-“ Typ; wir verbringen regelmäßig unsere Sommerurlaube in den Bergen. Wie schon gesagt, mein Mann und ich lieben die Musik und sind auch regelmäßig in Bayreuth oder in Salzburg anzutreffen. Das verbinden wir gerne mit unseren Wanderurlauben. Seit noch nicht allzu langer Zeit haben wir einen Zwergdackel, der jetzt mit meinem Mann das ICE-Fahren zwischen Berlin und München lernt und sich dabei gar nicht so schlecht anstellt.

Eva Schewior ist seit dem 1. Februar 2023 Präsidentin des Deutschen Patent- und Markenamts in München. Sie hat großen Respekt vor der Arbeit von IngenieurInnen. Foto: Annette Koroll/DPMA
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