Heureka, das Einheitspatent ist da!
Wer ein Patent in weiten Teilen Europas anmelden will, spart künftig Zeit, Geld und Nerven. Ein wahrlich historischer Schritt für innovative Unternehmen auf dem alten Kontinent.
Das Inkrafttreten des Einheitspatentsystems am 1. Juni 2023 ist ein historischer Schritt, den Binnenmarkt zu vollenden. Nun können Erfinder ein Einheitspatent – ein europäisches Patent mit einheitlicher Wirkung – mittels eines einzigen Verfahrensschritts vor dem EPA erlangen, gegen Zahlung einer Jahresgebühr in einer Währung aufrecht erhalten sowie auch in einem einheitlichen Rechtssystem vor dem Einheitlichen Patentgericht (EPG) prozessieren: Mit dem EPG, das ebenfalls am 1. Juni seine Arbeit aufnimmt, wird erstmals ein zentralisiertes System für Patentstreitigkeiten in Europa geschaffen, das es Nutzern ermöglicht, auf europäischer Ebene zu klagen.
So war das Europäische Patent
Kurz zur Erinnerung: Bisher war es zwar möglich ein „Europäisches Patent“ anzumelden. Es musste allerdings in viele Sprachen übersetzt und in allen adressierten Ländern einzeln aufrecht gehalten werden. Die Folge waren hohe Übersetzungs- und regelmäßige Anwaltskosten. Auch schwierig: Streitigkeiten mussten in den jeweiligen Ländern ausgefochten werden. Ein Horror für kleine Unternehmen und Einzelerfinder.
Bislang sind 17 Nationen involviert
Der Zugang zum Einheitspatent steht allen EU-Mitgliedstaaten offen. Bislang haben sich 17 Länder – Belgien, Bulgarien, Dänemark, Deutschland, Estland, Finnland, Frankreich, Italien, Lettland, Litauen, Luxemburg, Malta, die Niederlande, Österreich, Portugal, Slowenien und Schweden – dem Einheitspatent angeschlossen; weitere EU-Mitgliedstaaten werden voraussichtlich in Zukunft daran teilnehmen. Die Volkswirtschaften der bisher teilnehmenden Mitgliedstaaten erwirtschaften zusammen ein geschätztes Bruttoinlandsprodukt von über 12 Billionen € – das Geltungsgebiet des Einheitspatents entspricht rund 80 % der gesamten EU-Wirtschaftsleistung und umfasst eine Bevölkerung von knapp 300 Mio. Menschen.
Das neue Einheitspatent festigt die Stellung Europas als entscheidender globaler Markt für Innovationen und für Investitionen. Neben den klassischen europäischen und nationalen Patenten bietet das neue Schutzrecht eine weitere Option für Patentschutz in den EU-Mitgliedstaaten. Es wird erwartet, dass die Einführung des neuen Systems insbesondere Kleinstunternehmen in Europa, etwa Start-ups, Einzelerfindern sowie auch Forschungseinrichtungen zugute kommen wird.
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Der Start des Einheitspatents stellt die wichtigste Entwicklung des europäischen Patentsystems in den letzten 50 Jahren seit der Unterzeichnung des Europäischen Patentübereinkommens am 5. Oktober 1973 dar – dieser Meilenstein wird im weiteren Jahresverlauf 2023 feierlich begangen.
„Das Inkrafttreten des Einheitspatentsystems heute ist ein historischer Schritt. Er schafft ein leichter zugängliches, kostengünstigeres und einfacheres Patentsystem. Zum ersten Mal kann sich Europa auf einen grenzenlosen Markt für Technologie verlassen, um seine innovativen Unternehmen zu unterstützen. Mit diesem Schritt haben wir nicht nur bei den Wettbewerbsbedingungen mit den konkurrierenden Weltregionen gleichgezogen, sondern auch die Voraussetzungen dafür geschaffen, unsere Innovationskraft anzukurbeln und die Volkswirtschaften insgesamt zu stärken. Dank dieser Verbesserung erwarten wir eine Zunahme der jährlichen Handelsströme um +2 % und einen Anstieg der ausländischen Direktinvestitionen in Hochtechnologiesektoren um +15 %“, sagte EPA-Präsident António Campinos.
Das EPA fungiert in dem neuen System als zentrale Anlaufstelle für Inhaber von Einheitspatenten. Dies ersetzt das derzeitige Verfahren, das von einer Vielzahl paralleler Validierungsschritte bei nationalen Behörden für geistiges Eigentum geprägt ist. Außerdem müssen Einheitspatente nur noch in Englisch, Französisch oder Deutsch eingereicht werden, sodass Erfinder ihre Patente nicht mehr in mehrere nationale Amtssprachen übersetzen brauchen.
Die Gebühren für das Patent sind deutlich niedriger als bisher
Die Gebühren für die Aufrechterhaltung von Patenten werden direkt an das EPA gezahlt. Die EU-Mitgliedstaaten haben diese in einer für Unternehmen attraktiven Höhe festgelegt: Zur Aufrechterhaltung eines Patents in den 25 EU-Mitgliedstaaten, die sich an der Zusammenarbeit bei der Schaffung des neuen Systems beteiligt haben, müssen die Patentinhaber nur noch einen Bruchteil der aktuellen Kosten zahlen, d.h. 5000 € über eine Dauer von zehn Jahren, verglichen mit fast 30 000 €, die derzeit für dieselben Länder im selben Zeitraum zu entrichten wären.
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Aufseiten der Nutzer ist die Einführung des neuen Systems bereits auf großes Interesse gestoßen. Das EPA wird die erste Serie von Einheitspatenten am 7. Juni veröffentlichen.
Das Einheitliche Patentgericht (EPG)
Heute nimmt auch das EPG seine Arbeit auf. Das Einheitliche Patentgericht haben die EU-Mitgliedstaaten auf der Grundlage eines internationalen Kooperationsabkommens errichtet. Als zentrales Gericht für Patentstreitigkeiten in Europa wird es für Patentverletzungs- und Nichtigkeitsklagen zuständig sein, die sich nicht nur auf Einheitspatente, sondern ebenfalls auf klassische europäische Patente beziehen. Dies stellt eine erhebliche Verbesserung gegenüber der gegenwärtigen Situation dar. Bis heute wurden Streitigkeiten zu europäischen Patenten in Parallelverfahren jeweils vor nationalen Gerichten verhandelt, mit oftmals divergierenden Ergebnissen. Der Rechtsweg für alle Parteien war komplex und kostspielig. Dagegen wird die einheitliche Rechtsprechung des EPG europaweit zu mehr Harmonisierung führen. Für das Patentsystem erhöhen sich damit Rechtssicherheit und Transparenz, von der sowohl Innovatoren wie auch die breite Öffentlichkeit profitieren. Die Erstinstanz des EPG befindet sich in Paris, hinzu kommt eine Abteilung in München sowie lokale und regionale Abteilungen in den teilnehmenden EU-Mitgliedstaaten. Der Sitz des Berufungsgerichtes ist in Luxemburg angesiedelt. Das EPG unterhält auch ein Zentrum für Patentmediation und Patentschiedsgerichtsbarkeit mit Sitz in Ljubljana (Slowenien) und Lissabon (Portugal).