Onlinezugangsgesetz: Bis 2028 will Deutschlands Bürokratie digital werden
Im Jahr 2028 soll das Internet endlich kein Neuland mehr sein. Ab da sollen Verwaltungsleistungen, sofern möglich, auch digital zu erledigen sein und Deutschlands Bürokratie vereinfachen.
In Deutschland soll in den kommenden Jahren ein Rechtsanspruch auf die digitale Nutzung von Verwaltungsleistungen des Bundes geschaffen werden. Diese Neuregelung ist Teil der aktualisierten Fassung des Onlinezugangsgesetzes (OZG 2.0), auf die sich die Bundestagsfraktionen von FDP, Grünen und SPD geeinigt haben.
Ab 2028 sollen Bürgerinnen und Bürger dieses Recht auf digitale Verwaltungsleistungen vor den Verwaltungsgerichten einklagen können. Das geht aus dem Gesetzentwurf hervor, der der Deutschen Presse-Agentur vorliegt.
Gilt nur für Leistungen, die technisch und rechtlich möglich sind
Ein Rechtsanspruch auf digitale Verwaltungsleistungen besteht nicht, wenn deren Bereitstellung technisch oder rechtlich unmöglich ist oder nur selten in Anspruch genommen wird. Auch Schadensersatzansprüche können nicht geltend gemacht werden.
Innerhalb von zwei Jahren, also nach der nächsten Bundestagswahl, soll das Bundesinnenministerium Standards und Schnittstellen für den digitalen Zugang zu Verwaltungsleistungen definieren. Damit könnte der Bund Impulse für die Digitalisierung in den Ländern und Kommunen geben. Das OZG 2.0 bedarf nach seiner Verabschiedung im Bundestag auch der Zustimmung des Bundesrates.
Das soll bis 2028 online erledigt werden können
Das neue Onlinezugangsgesetz (OZG) werde die Dienstleistungen der Bundesagentur für Arbeit umfassen, erklärte der FDP-Bundestagsabgeordnete Manuel Höferlin. Auch die Leistungen nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz (Bafög) sowie Informationen über Eintragungen im Fahreignungsregister, umgangssprachlich „Flensburger Verkehrssünderkartei“, sollen von der Bundesverwaltung digital zur Verfügung gestellt werden.
Die SPD-Bundestagsabgeordnete Dunja Kreiser betonte, dass ein wesentliches Element des OZG 2.0 der Verzicht auf die papiergebundene Unterschrift bei Verwaltungsvorgängen sei. Das bedeutet, dass Verwaltungsangelegenheiten künftig auch online ohne eigenhändige Unterschrift erledigt werden können.
Bund-ID soll einfacher werden
Um die Akzeptanz der Bund-ID zu erhöhen, wird ein vereinfachtes Anmeldeverfahren eingeführt, das ähnlich wie beim Onlinebanking funktioniert. Die Nutzerinnen und Nutzer müssen sich nur noch einmal mit ihrem elektronischen Personalausweis (ePerso) anmelden. Für weitere Anmeldungen genügt die Bestätigung durch biometrische Daten, wie die FaceID beim iPhone.
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Das Verfahren für den Fall, dass jemand seine sechsstellige ePerso-PIN vergisst, soll sich künftig am Sicherheitsniveau des Onlinebankings orientieren. Angesichts der Sparmaßnahmen des Innenministeriums, das den Versand von PIN-Rücksetzbriefen zunächst eingestellt hatte, plant die Koalition nun, diese Briefe doch noch zu verschicken. Allerdings sollen die Kosten gesenkt werden: Die Ersatz-PINs sollen in einem Brief für 85 Cent verschickt werden, analog zum Vorgehen der Banken. Bisher kostete ein Rücksetzbrief 13 €.
Einfacher bezahlen auf dem Amt
Mit Einführung des OZG 2.0 soll insbesondere auch das Bezahlen von Dienstleistungen auf dem Amt vereinfacht werden. Auch weitere Neuerungen sollen die Digitalisierung der Verwaltung in Deutschland vorantreiben:
- Vereinfachung der Zahlungsprozesse bei Behörden: Bürgerinnen und Bürger sollen künftig auf mehrere, barrierefreie und sichere Zahlungsmethoden zugreifen können, wenn sie Gebühren auf Ämtern entrichten müssen. Neben Bargeld und Girocard sollen auch Kredit- und Debitkarten, Paypal sowie digitale Zahlungsverfahren wie Apple Pay und Google Pay angeboten werden.
- Bevorzugung von Open-Source-Software: Der Entwurf des OZG 2.0 legt einen Schwerpunkt auf die Verwendung von offenen Standards und Schnittstellen. Open-Source-Software, also Software mit öffentlich zugänglichem Quellcode und flexiblen Nutzungsrechten, soll bevorzugt eingesetzt werden gegenüber proprietärer Software mit eingeschränkten Verwendungsrechten.
- Abschaffung des De-Mail-Projekts: Aufgrund geringer Nutzung und der Unwirtschaftlichkeit des De-Mail-Projekts, ein System für sichere elektronische Kommunikation, plant der Bund, die Verpflichtung zur Bereitstellung eines elektronischen Zugangs über eine De-Mail-Adresse für Bundesbehörden aufzuheben.
Ampelkoalition hinkt geltendem Recht hinterher
Bislang bleibt die Ampelkoalition bei der Digitalisierung der Verwaltung hinter den gesetzlichen Vorgaben zurück. Nach der ersten Fassung des Onlinezugangsgesetzes (OZG) sollten bis Ende 2022 insgesamt 581 Verwaltungsleistungen online verfügbar sein. Bis Ende 2023 waren jedoch nur 81 dieser Dienstleistungen vollständig und weitere 96 teilweise im Internet verfügbar, wie eine Untersuchung von Verivox zeigt.
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Im Gegensatz zu früheren Regelungen sieht das aktualisierte OZG keine verbindlichen Etappenziele bis 2028 vor. Damit werden Parallelen zum Klimaschutz gezogen, wo ebenfalls ambitionierte Ziele gesetzt werden, die von Kritikern als zu weit in der Zukunft liegend angesehen werden.
Bevölkerung beklagt mangelndes Tempo bei der Digitalisierung
Die Mehrheit der Deutschen und der Führungskräfte sieht Deutschland bei der Digitalisierung im Rückstand. Wie eine Umfrage des Allensbach-Instituts im Dezember ergab, sind 62 % der Befragten der Meinung, dass die Politik die Digitalisierung nicht ausreichend fördert.
Nur rund 25 % sehen Widerstände in der öffentlichen Verwaltung als Ursache für die schleppende Digitalisierung. Weitere 62 % sehen in der komplizierten Kompetenzverteilung zwischen Bund, Ländern und Kommunen ein Hindernis für die Digitalisierung.
Misbah Khan, Digital-Expertin der Grünen und Bundestagsabgeordnete, versichert, dass bestehende Hemmnisse und strukturelle Probleme, die unter der Vorgängerregierung entstanden seien, nun angegangen würden. Sie räumt ein, dass dies angesichts der bestehenden Ausgangslage und der vielfältigen Zuständigkeiten eine große Herausforderung darstelle. (dpa/hoc)