Rechtmäßigkeit des Steinkohlekraftwerks Datteln 4 weiter unklar
Ob der Bebauungsplan für das Steinkohlekraftwerk Datteln 4 rechtens ist oder nicht, muss erneut geprüft werden. Das urteilte das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig an diesem Donnerstag (7. 12. 2023).
Das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) in Leipzig hat heute entschieden, dass das Oberverwaltungsgericht (OVG) Münster den Bebauungsplan für das Kraftwerk Datteln 4 mit rechtlich nicht tragfähigen Erwägungen für unwirksam erklärt hat. Das OVG, so die Richterinnen und Richter heute in Leipzig, sei „zu Unrecht davon ausgegangen, dass die Standortalternativenprüfung für das Kraftwerk im Regionalplan fehlerhaft ist und die angenommenen Mängel unmittelbar auf die bauleitplanerische Abwägung durchschlagen.“ Danach geht der seit 2007 anhaltende Rechtsstreit über die Rechtmäßigkeit des Steinkohlekraftwerks Datteln 4 in die nächste Runde. Das OVG Münster muss jetzt erneut ran und im Lichte der Entscheidung aus Leipzig erneut urteilen.
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Warum musste das Bundesverwaltungsgericht über Datteln 4 entscheiden?
Gut ein Jahr nachdem der damalige Betreiber Eon bei der Bezirksregierung Münster einen Antrag auf Erteilung eines immissionsschutzrechtlichen Vorbescheids für das Steinkohlekraftwerk Datteln 4 gestellt sowie eine 1. Teilgenehmigung (Baufeldfreimachung, Baustelleneinrichtung) beantragt hatte, legte der Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) im Februar 2007 Widerspruch gegen den erteilten Vorbescheid und die 1. Teilgenehmigung ein (Link zur Chronologie des BUND). Seitdem geht es vor Gericht hin und her, die letzte Station bisher war am heutigen Donnerstag (7. 12. 2023) das BVerwG in Leipzig.
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Kleine Gerichtschronologie von Datteln 4
- Das OVG Münster hatte 2009 einen ersten Bebauungsplan für unwirksam erklärt – unvereinbar mit der Landesplanung, so das Urteil. Der BUND, die Stadt Waltrop und mehrere Anwohner hatten geklagt.
- Danach führte die Stadt Datteln seit 2010 das Verfahren zur Aufstellung des nun angegriffenen Bebauungsplans durch, der im September 2014 bekannt gemacht wurde.
- Die parallel dazu vom Regionalverband Ruhr als zuständigem Träger der Regionalplanung beschlossene 7. Änderung des dortigen Regionalplans zielte auf die Festlegung eines weiteren für die Errichtung eines Kraftwerks geeigneten Standorts auf dem Gebiet einer Antragsgegnerin; sie trat im April 2014 in Kraft.
- Die Bezirksregierung Münster erteilte Anfang 2017 eine neue immissionsschutzrechtliche Genehmigung für das Uniper Kohlekraftwerk Datteln 4, der BUND reichte daraufhin beim OVG dagegen ein.
- Am 30. Mai 2020 ging Datteln 4 in Betrieb.
- Das OVG erklärte Ende August den Bebauungsplan für unwirksam. Eine Revision sei „nicht zugelassen“, wogegen die Stadt Datteln und Uniper wiederum Beschwerde beim BVerwG einlegten, das dieser stattgab und im Oktober 2022 die Revision zuließ.
Das OVG Münster sah in seinem Urteil 2021 gegen die Stadt Datteln und Uniper einen erheblichen Abwägungsmangel. Rechtsfehler bei der regionalplanerischen Standortfestlegung schlügen auf die bauplanungsrechtliche Abwägung durch. Gemeint ist: Warum musste dieses Kraftwerk überhaupt unbedingt dort gebaut werden, wo es heute steht? Konkret sah das OVG einen Verfahrensfehler der Umweltprüfung im Rahmen der 7. Änderung des Regionalplans. Der ergebe sich daraus, dass der zuständige Regionalverband Ruhr für die Ermittlung von Standortalternativen nur ausschließlich den räumlichen Geltungsbereich des geänderten Regionalplans und nicht seinen gesamten Zuständigkeitsbereich betrachtet habe. Vereinfacht: Der Regionalverband Ruhr hätte überall im Gebiet des Regionalverbands suchen müssen, nicht nur in Datteln.
Auch seien Kriterien für geeignete Alternativstandorte zugrunde gelegt worden, die die Alternativenprüfung unzulässig eingeschränkt hätten, so das OVG damals. Konkret sollten die Standorte auch als Kraftwerksstandorte geeignet sein. Diese Einschränkung sei unzulässig. Diese Verfahrensfehler der Umweltprüfung und ein aus ihnen folgender Mangel der regionalplanerischen Abwägung seien auch im Rahmen der Normenkontrolle des Bebauungsplans beachtlich.
Warum das Bundesverwaltungsgericht eine neue Beurteilung des Bebauungsplans anordnet
„Das Bundesverwaltungsgericht ist dem nicht gefolgt“, resümiert das BVerwG in seiner Pressemeldung zum Urteil am heutigen Donnerstag. Die Leipziger sehen die Kriterien des OVG Münster für ihr Urteil 2021 als nicht stichhaltig an, hob daher die angefochtenen Urteile auf. Das OVG muss den Fall daher erneut beraten:
- Das BVerwG bemängelte beim Urteil aus Münster gegen Datteln 4, die Richterinnen und Richter dort hätten nicht alles berücksichtigt: Die regionalplanerische Standortfestlegung sei kein Ziel, sondern nur ein Grundsatz der Raumordnung; sie ist folglich bei der Abwägung zu berücksichtigen. Eine darauf bezogene Prüfung habe das Oberverwaltungsgericht nicht vorgenommen.
- Dass die Suche für mögliche Kraftwerksstandorte auf den gesamten Zuständigkeitsbereich des Regionalverbands Ruhr zu erstrecken sei, sei nicht richtig.
- Und die Umweltprüfung durfte die Suchkriterien für einen alternativen Kraftwerksstandort so bestimmen, dass die geprüften Standorte jedenfalls auch für ein Steinkohlekraftwerk geeignet waren.
Was passiert nach dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts gegen Datteln 4?
Das OVG Münster muss neu urteilen. Unterdessen liefert Datteln 4 weiter Strom. Es ist seit dem 30. Mai 2020 in Betrieb, ein Drittel des Stroms ist für die Deutsche Bahn vorgesehen, der Rest kommt auf den Markt, zusätzlich wird Fernwärme für die Stadt Datteln ausgekoppelt.
Übrigens: Hätte das Bundesverwaltungsgericht heute die Klage abgewiesen – damit wäre der Bebauungsplan endgültig hinfällig gewesen –, Datteln 4 könnte trotzdem weiter in Betrieb bleiben. Der ist über eine immissionsschutzrechtliche Genehmigung aus dem Jahr 2017 abgesichert. Auch dagegen geht der BUND gerichtlich vor, die Klage hängt beim OVG Münster – bis in der Sache der Bebauungsplan entschieden ist.