Welche Risiken einer Patentverletzung im Internet of Things lauern
Je mehr mit dem Internet of Things (IoT) die digitale Vernetzung in der Industrieproduktion voranschreitet, desto wichtiger ist es, vor Markteinführungen die Patentrechte zu prüfen.
Wegen der rasanten Verbreitung und der leichten Zugänglichkeit von IoT-Kommunikationsprotokollen nehmen viele Ingenieurinnen und Ingenieure an, dass sie bei ihrer Entwicklungsarbeit schon keine Patente verletzen werden. Denn sonst gäbe es ja so viele Verletzer, dass ihnen niemand auf die Spur kommen könnte. Doch ist diese Annahme gerechtfertigt?
Nehmen wir an, ein mittelständisches Unternehmen hat einen Roboter zum Elektrodenschweißen entwickelt, welcher die Güte des verwendeten Schweißdrahts identifiziert und die Information über einen IoT-Standard einem Hauptrechner weiterleitet. Kurz vor der Markteinführung kommt die Frage auf, ob man die Patentsituation wegen der IoT-Schnittstelle prüfen müsse.
Immer mehr per Internet of Things vernetzte Geräte in der Industrie
Das Unternehmen bewegt sich mit seiner Innovation auf einem stark wachsenden Markt. Laut der europäischen Standardisierungsorganisation ETSI gab es 26 Billionen vernetzte Geräte am Ende des Jahres 2020. ETSI gehört zu den Institutionen, die IoT standardisieren, damit Geräte problemlos interoperieren können.
So wehren Ingenieure den Vorwurf einer Patentverletzung ab
Ein anderes Standardisierungsgremium ist die IEEE, der weltweite Berufsverband der Elektrotechniker und Informationstechniker. Mit dem Siegeszug des IoT implementieren Unternehmen eine Vielzahl von standardisierten Technologien, ein Verletzen von standardessenziellen Patenten (SEPs) wird damit oftmals unvermeidbar. SEPs schützen Erfindungen, welche für die Einhaltung eines in einem Produkt oder einer Dienstleistung implementierten Standards erforderlich sind. Doch Mittelständlern fehlt es häufig an Kapazitäten wie an Erfahrungen, Lizenzen für solche SEPs zu erwerben.
Im Internet of Things ist es schwierig, die Patentinhaber zu finden
So kann es schwierig werden, die lizenzgebenden Hauptakteure bei den SEPs zu identifizieren. Ebenso aufwendig ist es, herauszufinden, welche Schutzrechte aufgrund der ständigen Weiterentwicklung der IoT-Standards überhaupt relevant sind und wie teuer die Lizenzen werden. Entlastet werden Unternehmen durch die Rechtsprechung, die nicht verlangt, dass man bei SEPs proaktiv auf die Patentinhaber zugehen muss. Vielmehr sind diese angehalten, sich bei vermeintlichen Patentbenutzern zu melden und ein Lizenzangebot zu unterbreiten.
So schützt das Patentrecht den digitalen Zwilling
Über Datenbanken von Standardisierungsorganisationen wie ETSI und IEEE können SEPs ermittelt werden. Ein weiterer Anlaufpunkt sind Patentpools wie Avanci. Über einen Patentpool kann eine Lizenz zentral für ein ganzes Patentportfolio von mehreren SEP-Inhabern erworben werden. Patentpools unterziehen die SEPs ihres Pools einer Prüfung auf Standardessenzialität durch unabhängige Experten. Dies wird von Wettbewerbsbehörden gefordert, um einen wettbewerbskonformen Betrieb der Pools sicherzustellen.
So ermitteln Sie die Lizenzgebühren für SEP
Grundsätzlich sollen SEP-Lizenzbedingungen fair, angemessen und nicht diskriminierend (Fair, Reasonable and Non-Discriminatory, kurz FRAND) sein. Einen Orientierungsleitfaden für SEP-Lizenzierung hat beispielsweise das Deutsche Institut für Normung (DIN) entwickelt. Ein Hinweis auf die Höhe der Lizenzgebühren ergibt sich ggf. aus Lizenzvereinbarungen, die in Gerichtsvereinbarungen offengelegt wurden, aus unabhängigen Berichten und aus Ankündigungen von SEP-Inhabern.
Für das mittelständische Robotikunternehmen in unserem Beispiel besteht also zunächst kein Grund zur Sorge. Da es auf Lizenzangebote von Patentinhabern jedoch rasch reagieren muss, ist eine tiefergehende Analyse ratsam, ob Teile eines IoT-Standards verwendet werden. Unternehmen sind grundsätzlich gut beraten, mit ihren IoT-fähigen Produkten nur nach Prüfung der Patentsituation auf den Markt zu starten.