Chinesischer Stahl drängt auf den Weltmarkt
Der schwache Bausektor in China führt dazu, dass Stahl vermehrt ins Ausland exportiert wird. Das könnte die Preise weiter drücken.
Chinas Produktion von Rohstahl erreichte im Jahr 2023 mit über 1 Mrd. t wieder das Niveau vom Vorjahr. Damit übertraf die Volksrepublik nicht nur das vierte Jahr in Folge die Marke von 1 Mrd. t, sondern auch mehr als die Hälfte der weltweiten Rohstahlproduktion entfiel auf chinesische Produzenten. Für das aktuelle Jahr rechnet die World Steel Association mit einem leichten Anstieg der weltweiten Stahlnachfrage, die vor allem durch chinesische Stahlproduzenten befriedigt werden dürfte.
Rückgang der Nachfrage nach Stahl in Europa zu erwarten
Beim genaueren Hinsehen sind die Aussichten zur Stahlnachfrage für das laufende Jahr jedoch sehr unterschiedlich. Einen geeigneter Indikator zur künftigen Stahlnachfrage stellt der Einkaufsmanagerindex (PMI) der stahlverarbeitenden Industrie dar. Dieser Index zeigt, wie Unternehmen, welche Stahl in ihrer Produktion einsetzen, die aktuelle und zukünftige Auftragslage einschätzen. Anhand der neuesten Daten ergibt sich hier ein positives Bild für den asiatischen Raum. In den USA oder in Europa hingegen deutet der PMI auf eine schwierige Situation für die stahlverarbeitenden Unternehmen hin, sodass hier mit einem Rückgang der Stahlnachfrage gerechnet werden muss.
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Chinesische Infrastrukturausgaben stabilisieren den Markt
Auch für China, sowohl größter Stahlproduzent als auch Nachfrager, stellt sich ein unterschiedliches Bild dar. Für das Jahr 2023 wurde ein Rückgang der Stahlnachfrage von 3 % festgestellt. Auch für das laufende Jahr wird mit einer geringeren Nachfrage gerechnet. Doch dieser Rückgang erfolgt nicht breit über alle Sektoren. Das verarbeitende Gewerbe ist für etwa 25 % der gesamtchinesischen Stahlnachfrage verantwortlich. Für das Jahr 2024 wird mit leichten Zuwachsraten und damit mit einer wachsenden Stahlnachfrage gerechnet. Der Ausbau und Erhalt der Infrastruktur ist für weitere 30 % der chinesischen Stahlnachfrage verantwortlich. Im letzten Quartal 2023 hat China zusätzliche Investitionen in Höhe von 130 Mrd. $ bewilligt und diese bereits einzelnen Maßnahmen zugeordnet. Allein dadurch könnte die Stahlnachfrage um weitere 10 Mio. t ansteigen.
Ungenutzter Wohnraum in China für 1,4 Mrd. Menschen
Der Immobiliensektor in China trägt etwa 30 % zur chinesischen Stahlnachfrage bei. Doch die Ausblicke sind hier weniger positiv, da für 2024 mit einem Rückgang der Investitionen um 6 % gerechnet wird und dadurch mit einer geringeren Stahlnachfrage. Bereits im vergangenen Jahr waren Neubauprojekte gegenüber 2022 um 10 % rückläufig. Dass Probleme im chinesischen Immobiliensektor existieren, ist spätestens mit der Auflösung des Baukonzernes Evergrande Ende Januar 2024 deutlich geworden. Weiteres Ungemach könnte in den hohen Leerständen chinesischer Immobilen warten. Eine Studie aus dem Jahr 2020 bezifferte den Leerstand für das Jahr 2017 auf 65 Mio. Wohnungen und Häuser. Doch die Situation könnte noch extremer sein. He Keng, früherer stellvertretender Leiter des nationalen Statistikbüros, ging auf einer Konferenz vergangenen Jahres sogar so weit zu sagen, dass der derzeitige Leerstand für 1,4 Mrd. Menschen ausreichen würde.
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Chinesische Rohstahlexporte haben sich seit Anfang 2022 bereits mehr als verdoppelt
Auf der anderen Seite wachsen die Produktionskapazitäten für Rohstahl weiter an. In China ist für dieses Jahr mit einem Nettozuwachs von etwa 5 Mio. t zu rechnen. Die prognostizierte geringere Nachfrage wird zu einem wachsenden Export führen. Seit Anfang 2022 haben sich die monatlichen Stahlexporte mehr als verdoppelt.
Neubauprojekte in China sind im Jahr 2023 bereits das vierte Jahr in Folge rückläufig gewesen. Seit dem Jahr 2019 sind diese um über 50 % eingebrochen. Sollte diese rückläufige Tendenz weiter fortbestehen und sich die hohen Leerstände als wahrheitsgemäß herausstellen, könnten hier Risiken für den (Bau-)Stahlpreis und für den Eisenerzpreis liegen.