Flussspat aus Deutschland für Lithium-Ionen-Batterien aus Deutschland
Erfolgreicher Klimaschutz ist abhängig von kritischen Rohstoffen. Kaum wahrgenommen wurde bisher Flussspat. Unternehmen wollen es in Deutschland wieder fördern.
Der Schlüssel zur Dekarbonisierung ist oft die Elektrifizierung. Eines der bekanntesten Beispiele ist die Mobilität: Elektroautos statt Verbrenner. Die EU setzte 2019 den entsprechenden Rahmen: Ab 2030 soll der CO2-Ausstoß der Pkw-Neuwagenflotte auf knapp 60 g/km sinken. Ziel ist, das vor allem mithilfe der Elektromobilität zu erreichen.
Lithium wurde hierfür schon lange als eine in Europa knappe, strategisch wichtige Ressource erkannt. Als Rohstoff wohlgemerkt, nicht nur als Lithium-Ionen-Technologie, bei der Europa und Deutschland auch Aufholbedarf haben. Weniger bekannt ist, dass keine Lithium-Ionen-Batterie zustande kommt, ohne dass im Prozess Flussspat beteiligt ist. Er ist eine genauso kritische Ressource wie das Lithium selbst. Und das lockt sowohl einheimische Unternehmen und Start-ups an, die Förderung in Deutschland wieder aufzunehmen, als auch die globalen Rohstoffunternehmen, sich Rechte in Sachsen unter anderem auf Flussspat zu sichern (s. Tabelle).
Neues Bergwerk in Sachsen soll ab 2027 Erze und Spate fördern können
Anfang November ließ das Sächsische Oberbergamt den obligatorischen Rahmenbetriebsplan für das Vorhaben „Erzbergwerk Pöhla“ zu. Antragstellerin: die Saxony Minerals & Explorations AG (SME AG) aus Halsbrücke. Der SME AG geht es zuvörderst um Erze wie Wolfram, Fluorit, Zinn, Kobalt, Nickel und Indium, aber das Bergwerk in Pöhla, dass 2027 starten soll, fördert auch Flussspat. Ein Schuh wird draus, wenn klar wird, dass auch Lithium in Sachsen gefördert werden soll, wie die Deutsche Presseagentur (dpa) berichtet. Beide Mineralien sind essenziell für eine Batterieproduktion auf Basis einer heimischen Wertschöpfungskette (s. u.).
Aber auch in Baden-Württemberg soll Flussspat gewonnen werden – wieder gewonnen werden. Simon Bodensteiner vom Start-up Deutsche Flussspat und Geschäftsentwickler Oliver Rhode vom Chemieunternehmen Alkeemia hatten dazu bereits vor Jahresfrist im Oktober 2023 auf der Handelsblatt-Jahrestagung Dekarbonisierung in Düsseldorf vorgestellt, wie sich durch die Revitalisierung einer alten Grube in der Nähe von Pforzheim eine große Flussspatquelle für Deutschland und Europa auftun könnte. Das Vorhaben läuft inzwischen an, im August dieses Jahres starteten die ersten sicherheitsrelevante Maßnahmen zur Wiederinbetriebnahme der Grube Käfersteige. Bis 2025 soll der Zustand der Grube wie vor der Grubenschließung im Jahre 1996 wiederhergestellt werden, dann erst lässt sich die Zugänglichkeit wiederherstellen.
Warum Flussspat für die Lithium-Ionen-Batterien so wichtig ist
Das Mineral Flussspat, auch Fluorit genannt, ist chemisch eine Verbindung von Calcium und Fluor: Calciumfluorid (CaF2). Flussspat wurde seit Jahrhunderten in Deutschland bergmännisch gewonnen. Genutzt wird es vielfältig: Rund 84 % des in Deutschland genutzten Flussspats benötigt die chemische Industrie, um daraus Fluorverbindungen herzustellen. Flussspat ist vor allem eine Fluorquelle. Hinzu kommen Einsatzgebiete in der metallverarbeitenden Industrie, der Glasherstellung und der Elektronik – bis hin zu Zahnpasta, gibt die Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR) in Hannover in der letzten verfügbaren Studie zu diesem Rohstoff aus dem Jahr 2017 an.
Flussspat ist also eine Fluorquelle. Ohne dieses Mineral kommt keine Lithium-Ionen-Batterie aus. Denn Fluorverbindungen stecken in verschiedenen Komponenten bis hin zu fluorbasierten Kunststoffen oder werden als Flusssäure im Produktionsprozess benötigt. Aus diesem Grunde ist China schon lange dabei, Flussspatressourcen zu erschließen. 6,6 Mio. t an Flussspat würden jährlich weltweit gefördert, auf China entfallen derzeit ca. drei Viertel, stellen Bodensteiner und Rhode dar. Und diese drei Viertel behalte China selbst – für seine eigenen Industrien. Der Rest der Welt müsse sich also das verbliebene Viertel teilen. Und auch dieser Rest wird von wenigen großen Lieferanten dominiert: Mexiko, Vietnam und Südafrika – mit nur vier Bergwerken, die in relevanten Größenordnungen förderten.
Ein Flussspatbergwerk in Deutschland könnte für die Energiewende in Europa eine große Rolle spielen
Wie kritisch Flussspat wirklich für Deutschland und die EU bei der angestrebten Dekarbonisierung ist, zeigten Bodensteine und Rohde auf. 2023 wurden 565 000 t Flussspat jährlich in Europa benötigt – ohne den Bedarf der Elektromobilität. Um die EU-Vorgabe im Verkehrssektor für die Neuwagenflotte mithilfe von Elektromobilität umsetzen zu können, ergebe sich ein zusätzlicher Bedarf an Flussspat von 365 000 t pro Jahr. Bis 2030 wären das also rund 65 % mehr Flussspat als heute „Und wir haben heute relativ wenig Förderung in Europa“, sagte Bodensteiner. Die großen Bergwerke außerhalb Chinas, die derzeit die Weltproduktion von Flussspat tragen, fördern nach Angaben Bodensteiners im sechsstelligen Bereich zwischen 100 000 t und 200 000 t. Nur die Förderung in der größten Mine Mexikos liege deutlich darüber.
Bodensteiner, der an der TU Bergakademie Freiberg Bergbauwesen studiert hat, kommt aus dem Rohstoffgeschäft. Über seine Tätigkeiten stieß er zusammen mit dem Geologen Peter Geerdts auf die stillgelegte Flussspat-Grube Käfersteige südöstlich von Würm bei Pforzheim, die 1996 geschlossen wurde. Jetzt wollen sie mit ihrem Start-up Deutsche Flussspat die alte Mine wieder flottmachen. Aus gutem Grund: „Wir könnten damit 20 % des europäischen Bedarfs decken“, so Bodensteiner in Düsseldorf. Man könne heute da weitermachen, wo der alte Grubenbetreiber Bayer aufgehört habe. „Das Bergwerk wäre mit einer Förderung von deutlich über 100 000 t pro Jahr das einzige Bergwerk, das in Europa in der Lage wäre, solche Mengen zu liefern. Wir sind hier dort, wo es eigentlich benötigt wird.“
Das alte Flussspatbergwerk wiederzubeleben könnte in wenigen Jahren gelingen
Bayer schloss die Käfersteige 1996, weil die Preise fielen und fielen – wie man heute wisse, so Bodensteiner, auf ein historisches Tief. „Wir können die vorhandene Infrastruktur wiederverwenden. Wir brauchen keine Standortgenehmigung“, betonte Bodensteiner. Und der Zeitrahmen für die Wiederaufnahme der Förderung wäre im Vergleich zum Aufschließen einer neuen Grube sehr viel kürzer. Allein für die „Exploration bis zur kritischen Masse“ müsse man 12,5 Jahre einplanen. Planung und Genehmigung kämen mit 1,8 Jahren noch hinzu – „Das können wir uns bei Käfersteige alles sparen.“ Und mit der deutschen Tochter des italienischen Chemieunternehmens Alkeemia steht auch ein Branchenunternehmen schon als Partner bereit.
Die Käfersteige wäre Bodensteiner zufolge „etwas Einzigartiges“. Nicht nur entfiele der Transport aus Übersee, zusätzlich würde geothermales Wasser mit 25 °C Wärme gefördert und könnte lokal und regional Energie für die Wärmeversorgung bereitstellen. Die Kommunen vor Ort und die Anwohner stehen Bodensteiner zufolge daher derzeit den Plänen positiv gegenüber. „Was nicht in unserer Macht steht: Wie lange dauert das Genehmigungsverfahren?“ Und damit war Bodensteiner bei einem Thema, was auf der gesamten Handelsblatt-Konferenz Dekarbonisierung in Düsseldorf die Rednerinnen und Redner umtrieb: Wie dekarbonisiert werden könnte, da gibt es oft gar keine Frage; jedoch hierzulande – aber auch generell in Europa – in die Umsetzung zu kommen, dazu gebe es viel zu viel Bürokratie.