Im Weltkriegsbunker von „Metlock“ lagern Seltene Erden für Deutschlands Industrie
Der Rohstoffhändler Tradium verwahrt über die Schwesterfirma Metlock Seltene Erden und Metalle in einem ehemaligen Weltkriegsbunker. Auch Privatpersonen können hier Sachwerte deponieren.
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„Bitte schön!“, sagt der Sicherheitsangestellte. „Nur ziehen.“ Er deutet auf die massive Tresortür vor mir, die er eben entriegelt hat. Ich ahne, ich werde Kraft brauchen, um sie zu bewegen. Dass es so schwer ist, die Stahlwand aufzuziehen, überrascht mich dann aber doch. Mit dem ersten Schritt hindurch verschwindet der letzte Balken von meinem Mobiltelefon, es wird kälter. Richtig kalt. Vielleicht läuft deshalb ein Schauer über meinen Rücken. Vielleicht auch, weil mir klar wird, dass ich nun an einem Ort bin, der von der Außenwelt abgeschirmt ist. Wer hier anfinge zu schreien, den hörte niemand. Wer hier verloren ginge, der würde so schnell wohl nicht gefunden werden, denke ich. Stimmt nicht, wie ich feststelle. Denn überall wachen Kameras. Ein rotes Licht blinkt einäugig in jeder Raumecke. Hier geht nichts verloren.
Im Metlock-Rohstofflager werden wertvolle Metalle und Seltene Erden verwahrt
Ich bin im Hochsicherheitslager von Metlock. Hier lagern Silber und Gold, viel wichtiger aber Iridium, Hafnium, Gallium oder Germanium. Metlock ist kein Banktresor, sondern das Zwischenlager das Rohstoffhändlers Tradium. Hier, irgendwo nahe Frankfurt, auf keiner Karte verzeichnet, um den gigantischen Tresor vor Verbrechern geheim zu halten, ummauert und durch mehrere Sicherheitsschleusen gesichert, steht ein Weltkriegsbunker. Überwölbt von tonnenweise Beton werden hier Industriemetalle umgeschlagen, nicht nur für Deutschland, sondern für Kunden in der ganzen Welt.
Angeliefert wird in der Regel aus China. Abnehmer ordern aber aus ganz Europa, aus den USA, Südkorea, Neuseeland oder Japan. „Wir arbeiten mit Kunden und Partnern auf fünf Kontinenten zusammen“, erzählt Maximilian Vogler, Senior Commercial Manager bei Tradium, der mich durch das Bunkerlabyrinth führt. Innerhalb weniger Tage könne die Ware überall auf dem Globus sein, verspricht Tradium.
Warum die Unternehmen ihre Geschäfte nicht direkt mit den chinesischen Produzenten machen, frage ich. Vogler spricht von mittelständischen Unternehmen auf beiden Seiten. Von Firmen, die kein Vertragswerk mit Dutzenden chinesischen Produzenten aufsetzen wollen, die keine Vertretung am Gerichtsstand China unterhalten wollen, für den Fall, dass Probleme mit Lieferanten auftreten. Oder die im Fall von Engpässen bei einem einzelnen Lieferanten auf das Tradium-Netzwerk zurückgreifen wollen, das Ersatz und damit eine verlässliche Produktion garantiert.
Waren im Zollfreilager befinden sich juristisch gesehen außerhalb der EU
Auch ist die Abwicklung der Ware kompliziert. Die Herkunft der Metalle muss zertifiziert, jeder Transportschritt gut dokumentiert sein. Metall ist schließlich nicht gleich Metall. Die Waren unterscheiden sich durch mehrere Spezifikationen – vom Reinheitsgrad über die Körnung bis zur Barrenform. Das alles muss immer wieder stichprobenartig überprüft und entsprechend attestiert werden.
Metlock ist ein sogenanntes Zollfreilager. Das macht vieles einfacher. Ware, die hierhin gelangt, tritt, rein formal, nicht in die EU ein. Sie muss also nicht verzollt oder versteuert werden. Wird sie von hier aus weitertransportiert, fallen erst bei Lieferung an den Endkunden im Zielland Abgaben an.
Vogler führt mich immer tiefer in die verzweigten Lagerräume. Berichtet von Schallerkennung, die Alarm gibt, wenn irgendwo in der Nähe gebohrt werden sollte, von einem Panik-Room für das Sicherheitspersonal und Alarmknöpfen. Von den vielen Überwachungskameras, die nicht zu übersehen sind. Er spricht aber auch von seinen Schützlingen. Vom Iridium hier, dessen Jahresproduktion in Tonnen sich an zwei Händen abzählen lässt, von Germanium dort drüben, „ohne das unser modernes Leben nicht möglich wäre“, wie Vogler sagt. Weil es „unverzichtbar ist für Glasfaserkabel, die gerade vielerorts in Deutschland verlegt werden“.
Oder hier: Indium, das in Touchscreens zum Einsatz kommt und damit „in praktisch jedem Smartphone“. Will sagen: Was hier einlagert, ist das Schmiermittel der deutschen Industrie. Tradium-Kunden kommen aus der Elektro- und Automobil-, Glas- oder der Keramikindustrie, aus der Chemiebranche sowieso.
Auch Privatanleger können hier Sachwerte physisch einlagern
Seit 2010 können auch Privatanleger strategische Rohstoffe bei dem Händler Tradium erwerben und physisch im Metlock-Bunker einlagern lassen. Ein einzigartiger Service. Bei Banken kann bestenfalls der Kauf von Gold und Silber abgewickelt werden. Bei Tradium ist der Handel mit Dutzenden Technologiemetallen möglich. Auch für Anleger zahlt sich das Zollfreilager aus. Für Ware, die hier verbleibt, fällt keine Einfuhrumsatzsteuer an. Wird sie einst an Tradium zurückverkauft, bleibt die ganze Transaktion völlig steuerfrei. Nach einer Haltedauer von einem Jahr entfallen Steuern auf etwaige Spekulationsgewinne ohnehin.
Fällig werden allein Einlagerungsgebühren. Die hängen davon ab, welche Fläche das jeweilige Metall verbraucht. Sie liegen aber maximal bei 2 % des Warenwertes pro Jahr, so Vogler. Hinzu kommt der sogenannte Spread, die Differenz zwischen Kauf- und Verkaufskurs, mit der jeder Händler sein Geschäft macht.
Hier und da stehen noch Paletten mit individuell zusammengestellten Rohstoffportfolios, ein verplombtes Fässchen hiervon, ein Kistchen davon im Namen von Frau X oder Herrn Y. Kleine Stapel, deren Wert manchmal in die Hunderttausende geht. „Das ist nur eine der von uns angebotenen Lagerformen“, sagt Vogler. Tradium garantiert zwar, dass die wertvollen Metalle tatsächlich 1:1 in seinem Bunker gelagert sind und nicht nur virtuell gehandelt werden, aber die Industriemetalle werden nicht immer individuell portioniert. „Auch wenn die Metalle unbegrenzt lagerbar sind, arbeiten wir mit einem rollierenden System, über das wir die Ware im Idealfall alle zwei bis drei Jahre umschlagen“, erläutert Vogler. Letztlich sind Industriekunden die Abnehmer und die könnten skeptisch werden, wenn ihnen über Jahrzehnte eingelagerte Metalle angeboten werden.
Auch Besichtigungen der Ware gibt es nicht. „Sicherheitsgründe“, sagt Vogler. Deswegen darf ich auch keine Fotos machen. Nicht von den Silberbarren, die tonnenweise hier gestapelt sind, vor allem aber nicht von der Tresortür.
Das Metlock-Hochsicherheitslager erfüllt übliche Bankstandards
Ein kühler Luftzug weht durch den langen Flur. Die Luftschächte sind verwinkelt, damit zwar Atemluft, aber kein Licht nach draußen dringt, weiß Vogler. Eine Vorsichtsmaßnahme aus dem Zweiten Weltkrieg. Die Verdunklung war damals wichtig, um den Bunker vor alliierten Bombern geheim zu halten.
Heute braucht es zwar streng genommen keinen bombensicheren Bunker mehr, um die wertvollen Rohstoffe zu lagern. Von Vorteil ist er etwa im Austausch mit Versicherern. Über so etwas wie Schutz vor Flugzeugabstürzen oder Naturkatastrophen muss man nicht reden. Der Bau mit seinen zwei Meter dicken Stahlbetonmauern ist gegen so gut wie jedes denkbare Ereignis dieser Art immun. Die übrigen Sicherheitsstandards nehmen die Versicherer dagegen genau unter die Lupe. Metlock übererfüllt die gängigen Bankstandards. Die Anlieferung, das Einwerten der Ware im Gebäude und der Abtransport sind jeweils durch Schleusentore voneinander getrennt. Ein Wachschutz ist ohnehin immer aktiv.
So auch heute. Die beiden Wachmänner erwarten uns am Tresorausgang. Maximilian Vogler geht noch einmal durch die Gänge und kontrolliert, ob wir überall das Licht ausgeschaltet haben. Sicher ist sicher. Hier kommt schließlich so schnell keiner mehr rein.