Vorwürfe gegen BMW-Zulieferer: Wie nachhaltig ist Kobalt-Gewinnung überhaupt
Die Untersuchungen zu BMWs Kobaltlieferungen aus Marokko werfen Bedenken zur Nachhaltigkeit auf, da sie auf mögliche Menschenrechtsverletzungen und Umweltschäden hinweisen.
Ein Vertragsabschluss über Kobaltlieferungen aus Marokko setzt BMW unter Druck. Vor-Ort-Recherchen lassen auf Menschenrechtsverletzungen und Umweltschäden im Umfeld einer Mine schließen. Der Zulieferer weist die Anschuldigungen zurück, während BMW eine Überprüfung ankündigt.
„Die BMW Group kauft Kobalt direkt bei Rohstoffproduzenten in Marokko und Australien ein und stellt es den Lieferanten von Batteriezellen zur Verfügung. Somit stellen wir die Rückverfolgbarkeit (100 % Mass Balance) des Kobalts sicher, und setzen uns bereits beim Abbau in der Mine für die Einhaltung von Umweltstandards und Menschenrechten ein“ – steht es auf der Seite von BMW Group. Laut Recherchen von NDR, WDR und der „Süddeutschen Zeitung“ (SZ) besteht aber der Verdacht, dass der marokkanische Rohstoffkonzern Managem in seiner Mine in Bou Azzer erhebliche Mengen giftigen Arsens in die Umwelt freisetzt. Zusätzlich erheben derzeit sowohl aktuelle als auch ehemalige Mitarbeiter der Kobaltmine Vorwürfe, dass Managem internationale Standards zum Schutz der Arbeitnehmer nicht einhält und gegen kritische Gewerkschaften vorgeht.
Nachhaltigkeit infrage gestellt
Mit anderen Worten: Die Nachhaltigkeit des von BMW für den Bau von Lithium-Ionen-Akkus für Elektroautos erworbenen Kobalts wird durch Recherchen von Süddeutscher Zeitung, Norddeutschem Rundfunk und Westdeutschem Rundfunk in Frage gestellt.
Wie von der Tagesschau berichtet, schloss BMW im Jahr 2020 einen Vertrag im Wert von 100 Mio. € mit Managem ab. Dieser Vertrag sieht die Lieferung von Kobalt vor, das BMW für den Bau von Batterien für seine Elektroflotte benötigt.
In einer Pressemitteilung erklärte der deutsche Automobilhersteller zu der Zeit sein Vorhaben, künftig „nachhaltiges Kobalt“ aus Marokko zu beziehen. BMW beabsichtigt, etwa 20 % seines Kobaltbedarfs über die marokkanische Mine zu decken. Der Konzern begründete diesen Schritt unter anderem mit dem Ziel einer „ethisch verantwortlichen Rohstoffgewinnung“ und betonte, dass die Einhaltung von Umweltstandards und Menschenrechten beim Rohstoffeinkauf für BMW „oberste Priorität“ habe.
Zu hohe Arsenkonzentration in Wasserproben
Die Mine Bou Azzer befindet sich im Anti-Atlas-Gebirge im Süden des Landes. Untersuchungen von NDR, WDR und SZ in Zusammenarbeit mit dem französischen Medium „Reporterre“ und dem marokkanischen Medium „Hawamich“ legen nahe, dass aus der Bou-Azzer-Mine erhebliche Mengen Arsen in die Umwelt gelangen könnten.
Die geförderten Erze enthalten neben Kobalt auch Arsenid, ein Stoff, der in Verbindung mit Wasser zu giftigem Arsen wird. Vor-Ort-Recherchen zeigen, dass der Minenbetreiber erhebliche Mengen Abraum auf dem Minengelände lagert, der mit Wasser in Kontakt kommt. Dieser Verdacht basiert auf Analysen von Wasser- und Urinproben, die von den Medienvertretern in der Umgebung der Mine entnommen wurden.
Diesen Medienberichten zufolge weisen Wasserproben aus einem Flussbecken direkt unterhalb der Mine Arsenkonzentrationen von mehr als 18 000 μg/l auf. Der Arsengrenzwert der Weltgesundheitsorganisation WHO für Trinkwasser liegt bei lediglich 10 μg/l.
Autobauer benötigen immer mehr Kobalt
Vorwürfe gegen Managem wegen Arbeitsbedingungen und mangelnder Sicherheitsstandards
Darüber hinaus konnten die Journalisten während der Recherche mit einigen ehemaligen und aktuellen Arbeitern der Bou-Azzer-Mine sowie mehreren Gewerkschaftsvertretern sprechen. Alle Befragten erheben die Anschuldigungen gegen Managem. So werden Arbeiter in der Mine ohne vorherige Schulung oder Aufklärung über potenzielle Gesundheitsrisiken beschäftigt.
Außerdem sei es vor Ort nicht ausreichend Schutzausrüstung für die Arbeiter vorhanden. Subunternehmen des Minenbetreibers neigen dazu, den Arbeitern Verträge mit besonders kurzer Laufzeit anzubieten. Im Falle berufsbedingter Krankheiten, wie Staublunge, würden die Arbeiter in der Regel ohne soziale Absicherung entlassen.
Welche Konsequenzen hat es für BMW?
Die Situation rund um die marokkanische Kobaltmine könnte für BMW auch rechtliche Konsequenzen nach sich ziehen. Seit Anfang 2023 ist in Deutschland das Lieferkettengesetz in Kraft. Dieses Gesetz legt fest, dass große deutsche Unternehmen verpflichtet sind, die Einhaltung von Menschenrechts- und Umweltstandards ihrer Zulieferer besonders gründlich zu überprüfen und bei Bedarf auf Verbesserungen hinzuwirken.
Die Wirtschaftsjuristin Stefanie Lorenzen erläuterte gegenüber NDR, WDR und SZ, dass gemäß dem Lieferkettengesetz die Prävention bereits bei der Auswahl des Vertragspartners beginne. „Wenn jetzt Anhaltspunkte auftauchen dafür, dass die Arbeitssicherheit nicht gewährleistet ist, dann müsste BMW da eintauchen und tätig werden“ – so werden ihre Worte in den Medien zitiert.
Nach eigenen Angaben setzt sich BMW, gemäß einem Bericht über Verstöße gegen Umwelt- und Arbeitsschutzbestimmungen in einer Kobaltmine in Marokko, aktiv für Aufklärung ein. Ein Sprecher von BMW gab bekannt, dass das Unternehmen den Lieferanten Managem kontaktiert habe und zusätzliche Informationen von ihm angefordert habe. „Sollte es ein Fehlverhalten geben, muss es abgestellt werden.“
Kobalt in der Batterieproduktion
Der Markt für kritische Mineralien, die für die Energiewende benötigt werden, hat sich laut Angaben der Internationalen Energieagentur (IEA) innerhalb von fünf Jahren verdoppelt. Im Jahr 2022 erreichte der Markt für Mineralien wie Lithium, Kobalt, Nickel und Kupfer ein Volumen von 320 Mrd. $ und wird voraussichtlich weiterhin rasch wachsen.
Laut einer Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) könnten die Kobaltreserven in elf Jahren erschöpft sein. Dies beträfe bereits die prognostizierten 36 Mio. neuen Elektroautos, die bis 2030 auf den Straßen erwartet werden. Derzeit spielt Kobalt eine bedeutende Rolle in der Batterieproduktion.