UMWELT 24. Jun 2019 Bettina Reckter Lesezeit: ca. 3 Minuten

Schlammschlacht um Phosphor

Klärschlamm enthält große Mengen an Phosphor, der für die Landwirtschaft ein wertvolles Düngemittel ist. Eine Pilotanlage zum metallurgischen Phosphorrecycling (Mephrec) ging jetzt im Klärwerk Nürnberg an den Start.

Die Verhüttung des Klärschlamms erfolgt bei bis zu 2000 °C. Alle organischen Schadstoffe werden zuverlässig zerstört. Die gewonnenen Metalle gelangen in die Wirtschaftskreisläufe.
Foto: BMBF

Geht es nach den Vorstellungen des Bundesumweltministeriums (BMU), muss Phosphor künftig zu mindestens 50 % aus dem Abwasser zurückgewonnen werden. So sieht es die geplante Novelle der Klärschlammverordnung vor.

Die Hydrothermale Carbonisierung (HTC)

Bisherige Technologien setzen bei der Entsorgung von Klärschlamm auf Monoverbrennungsanlagen, um aus der Asche Phosphat zu gewinnen und als Dünger zu verarbeiten.

Ein umweltfreundlicheres Projekt stammt aus einer Kooperation der Uni Hohenheim und des Schweizer Biotechnologie-Unternehmens AVA-CO2. Bei der AVA Green Chemistry Development GmbH in Karlsruhe ging jetzt eine Pilotanlage in Betrieb, die das Verfahren im Rahmen der Hydrothermalen Carbonisierung (HTC) erprobt. Das Projekt fördert die Deutsche Bundesstiftung Umwelt (DBU).

Beim HTC-Verfahren wird Klärschlamm zuerst in CO2-neutrale Biokohle umgewandelt. Dann wird das Phosphat isoliert. So bleiben 80 % des Phosphats aus dem Klärschlamm erhalten. Giftige Schwermetalle verbleiben in der Kohle.

Mit dem Verfahren zum metallurgischen Phosphorrecycling (Mephrec) könnte das gelingen. In Nürnberg geht jetzt eine Pilotanlage in die Testphase. Die Betreiber der Anlage hoffen gar auf 80 % Phosphorrückgewinn.

Mephrec ist eines von zwölf Projekten, die das Bundesforschungsministerium (BMBF) im Rahmen des „Erwas“-Programms fördert. Darin geht es um die „energieeffiziente und ressourcenschonende Wasserwirtschaft“ der Zukunft.

In Nürnberg wird die Mephrec-Lizenz der Ingitec Engineering GmbH erstmals umgesetzt. Deren Schwesterfirma für Gießereitechnik sollte ursprünglich mit von der Partie sein. Doch den Bau des Schachtofens – das Kernstück der Anlage – sowie der Abluftbehandlung bewerkstelligte vor allem die Baumgarte Boiler Systems GmbH aus Bielefeld. Projektkoordination und Betrieb hat die eigens von der Stadt Nürnberg gegründete Klärschlammverwertung Nürnberg GmbH (KSVN) inne.

Ingenieur Otto Schwarzmann ist quasi das „Mädchen für alles“ bei der KSVN. Noch kurz vor der Inbetriebnahme der Anlage kümmerte er sich darum, dass die Brikettierung läuft: Zunächst wird Klärschlamm, der zu 1-mm-Granulat mit 90 % Trockensubstanz reduziert wurde, zu Stücken von 80 mm x 90 mm Größe gepresst. Zusammen mit 5 % Gießereikoks und Kalkstein gelangen jeweils 200 kg dieser Klärschlammbriketts per Förderband in die Vorkammer des Reaktorofens.

Auf Anforderung einer Sonde öffnet die Klappe. Im 3 m hohen Nutzschacht des Reaktors läuft bei über 1500 °C die Pyrolyse ab. Dabei dient der Koks als Stützgerüst, die Mineralienschmelze tropft nach unten. „In diesem Mineralstoffschlamm sollen am Ende 7 % Phosphor sein“, nennt Schwarzmann das zentrale Ziel des geplanten Versuchs.

LAGERSTÄTTEN FÜR PHOSPHOR REICHEN NOCH FÜR 100 JAHRE

Für das Testprogramm ist ein gutes Jahr geplant: Währenddessen soll der Ofen möglichst 24 h/Tag laufen. Bis zu 700 kg Klärschlammbriketts pro Stunde werden dafür gebraucht, rechnet der für Planung und Betrieb Verantwortliche vor.

Der Reaktor selber erinnert an einen Schmelzofen. Und so spricht Schwarzmann beim Ablassen des gewonnenen Eisens auch vom „Abstich“. Daneben entsteht bei diesem Verfahren die phosphorhaltige Schlacke, die später als Dünger genutzt werden kann. Aufsteigende Dämpfe erzeugen zudem Synthesegas, das einem Blockheizkraftwerk zur Erzeugung von Strom und Wärme zugeführt wird, von denen die Nürnberger Klärwerke einige betreiben.

Doch warum eigentlich ist solch ein Aufwand zum Phosphorrecycling nötig? „Die statische Reichweite der endlichen Ressource Phosphor liegt bei der heutigen Menschenzahl bei nur noch 100 Jahren“, heißt es beim Fraunhofer-Institut für Umwelt-, Sicherheits- und Energietechnik (Umsicht) in Sulzbach-Rosenberg, das neben dem ifeu-Institut Heidelberg, der RWTH Aachen und der Universität der Bundeswehr München Forschungspartner in dem Projekt war.

Heute schon gebe es nur noch Lagerstätten in wenigen Ländern wie den USA und China. Und „selbst die kaufen noch ein“, so die Fraunhofer-Forscher. Denn Phosphor ist für organisches Leben und als Dünger aus heutiger Sicht unabdingbar.

Gleichzeitig wird Klärschlamm heute oft verbrannt; der darin enthaltene Phosphor ist bislang meist verloren. Zudem müssen Kläranlagenbetreiber die Entsorgung teuer bezahlen. Doch die Mephrec-Entwickler haben errechnet: Trotz der teuren Anlagentechnik werde das Verfahren zwischen 17 % und 50 % der Kosten einsparen. Das allerdings muss sich jetzt auch praktisch zeigen.

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