Bei der Gewinnung entstehen oft radioaktive Abfälle 20. Jun 2024 Von Susanne Donner Lesezeit: ca. 4 Minuten

Seltene Erden: Deutschland importiert lieber, als selbst zu fördern

Die deutsche Industrie ist insbesondere bei schweren seltenen Erden fast vollständig von China abhängig. Dennoch gibt es kaum Bemühungen, hiesige Bezugsquellen zu nutzen.

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Die Abhängigkeit beim Import seltener Erden ist zwar groß. Solange die Rohstoffe aber zu günstigen Konditionen auf dem Weltmarkt zu beschaffen sind, entwickelt sich keine hiesige Industrie.
Foto: PantherMedia / Antoine2K

Es ist kaum mehr als fünf Jahre her, da war die Unruhe um seltene Erden groß. Die Preise waren ab 2010 auf ein Rekordhoch gestiegen. Die Industrie befürchtete Knappheiten. Das Bundesforschungsministerium legte das Forschungs- und Entwicklungsprogramm „Wirtschaftsstrategische Rohstoffe für den Hightech-Standort Deutschland“ auf und finanzierte darüber allein 40 Forschungsprojekte mit insgesamt 200 Mio. €. Unternehmen suchten im Inland neue Quellen für seltene Erden – im Seesand der Ostsee, in Thüringen und in Abraumhalden etwa im Harz. Die Rohstoffe sollten sich zudem hierzulande künftig aus Katalysatoren, Magneten und Leuchtmitteln recyceln lassen.

EU drängt weiter auf mehr Unabhängigkeit bei der Rohstoffbeschaffung

Die Vorzeichen scheinen heute noch immer dieselben: Die EU möchte unabhängiger von Importen bei bestimmten Rohstoffen werden, von denen ihre Wirtschaft massiv abhängt. Erst im Mai trat der Critical Raw Materials Act (CRMA), eine Verordnung zur Gewährleistung einer nachhaltigen und sicheren Versorgung mit kritischen Rohstoffen, in der Europäischen Union in Kraft. Bis 2030 soll der Bedarf an 33 strategischen Rohstoffen, zu denen auch etliche seltene Erden zählen, zu mindestens einem Zehntel in der EU gefördert werden und zu weiteren 15 % aus dem Recycling in der EU stammen. Von keinem Drittland wolle man zu mehr als 65 % abhängig sein. Diversifizierung lautet das Schlagwort. Denn seltene Erden stecken in vielen elektronischen Geräten – von Windrädern über Monitore und Glasfaserkabel bis hin zu Katalysatoren.

Preise für seltene Erden sind niedrig – und machen einen Abbau in der EU unwirtschaftlich

Nur sind die Preise für seltene Erden in den letzten Jahren gefallen. Der Druck, sich nach anderen Bezugsquellen umzusehen, ist gering. Fachleute, die seit vielen Jahrzehnten die Entwicklung beobachten, zeigen sich ernüchtert. Dazu gehört Harald Elsner, Experte für seltene Erden bei der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe in Hannover. „Es wird viel geredet und Ziele formuliert. Aber alle Aktivitäten, hierzulande seltene Erden zu gewinnen, sind zum Erliegen gekommen. Sie lassen sich hierzulande oder in der EU nicht preiswerter fördern, als aus China oder Russland einzukaufen.“ Erkundungsbohrungen einer Tochter der Deutschen Rohstoff AG im Raum Storkwitz, um seltene Erden vor Ort zu gewinnen, wurden nicht weiterverfolgt. Das Unternehmen gab die Lizenz an das Oberbergamt Sachsen zurück. Auch die Forschungsvorhaben, seltene Erden in Bayern zu fördern oder diese aus den Sanden der Ostsee zu separieren, seien zum Erliegen gekommen. Die Stöbich Holding, die an einem ehemaligen Bergwerksstandort in Abraumhalden im Harz nach verschiedenen Rohstoffen fahndete und dabei auch seltene Erden im Blick hatte, hat die Pläne nach einem Forschungsvorhaben ebenfalls ad acta gelegt.

Neue Lagerstätten in Skandinavien entdeckt

Elsner zufolge kämen seltene Erden weiterhin vorwiegend aus China; einige der 17 gefragten Elemente stammen auch aus den USA. „Die Preise sind aktuell niedrig, Engpässe gibt es nicht. Wir sehen auch keinen Nachfragehype. Es ist alles beim Alten: Bei schweren seltenen Erden sind wir mittlerweile sogar annähernd zu 100 % von China abhängig“, fasst Elsner zusammen. Zu den schweren seltenen Erden zählen unter anderem Gadolinium, Terbium und Dysprosium, die etwa für bestimmte Magnete und Laser nötig sind.

In Schweden und Norwegen sorgten jüngst gleichwohl zwei große Lagerstätten von seltenen Erden für neuen Gesprächsstoff. Der schwedische Bergbaukonzern LKAB informierte im Januar 2023, dass in der Nähe von Kiruna über 1 Mio. t an Seltenerdoxiden läge. Bei Oslo stieß dann ein norwegischer Ölkonzern auf ein noch größeres Vorkommen an Metallen und bestimmten seltenen Erden darunter Cer, das sich allerdings bis unter das Meer erstreckt. Elsner meint dazu: „Das Vorkommen in Schweden ist seit dem Zweiten Weltkrieg bekannt, und wenn es wirtschaftlich gewesen wäre, es bisher zu erschließen, wäre es schon passiert. Das norwegische Vorkommen von leichten seltenen Erden ist interessant. Wir reisen dort in Kürze hin und schauen uns das in einem neu eröffneten Schrägschacht an.“ Bis zur Erschließung einer neuen Lagerstätte vergehen allerdings im Schnitt zehn bis 15 Jahre.

Bei BASF hält man eine „Eigenversorgung kurzfristig für unrealistisch“

Elsners Analyse zufolge setzt die Großindustrie wie BASF hierzulande auf den freien Markt und kauft seltene Erden vorzugsweise entsprechend dem Preis ein. BASF teilt auf Anfrage mit, es beziehe seine seltenen Erden derzeit von mehreren global aktiven Lieferanten. Bei leichten seltenen Erden setze das Unternehmen auf eine Beschaffung aus Nordamerika. Und recht allgemein heißt es weiter: „Wir unterstützen Aktivitäten zum Ausbau der Kapazitäten in Europa, halten aber eine Eigenversorgung kurzfristig für unrealistisch.“

Investitionen in den Aufbau einer alternativen Rohstoffversorgung sind laut Elsner nicht zu erkennen. Auch die Erfahrungen von Thomas Brück, Biotechnologe an der Technischen Universität München, lassen sich in dieser Weise deuten. Zusammen mit einem deutschen Bergbauunternehmen wollte er 2023 einen ganz neuen Ansatz der Selten-Erdgewinnung erforschen: Mithilfe von Algen, sogenannten Cyanobakterien, wollte sein Team seltene Erden wie Cer, Dysprosium und Neodym aus einem Vorkommen in Bayern binden. Dieses Biomining ist eine vergleichsweise junge Technologie im Bergbau. Zwölf verschiedene Algenstämme wollten die Forschenden testen. Im Labor hatten sie festgestellt, dass die Cyanobakterien sich in kurzer Zeit mit bis zu einem Zehntel ihres Trockengewichts mit seltenen Erden beladen. Mit einer Salzlösung lassen sich die Rohstoffe dann von den Algen herunterwaschen, berichtet Brück. Damit könnte das Verfahren vergleichsweise umweltschonend sein. Doch kurz nach der staatlichen Förderzusage habe der Industriepartner abgesagt, da er einen erheblichen Eigenanteil in das Projekt hätte einbringen müssen. Aufgrund der hohen Energiepreise habe er sich dazu 2023 nicht mehr in der Lage gesehen, bedauert Brück.

Japan kauft sich gezielt in Minenprojekte ein, um die Rohstoffversorgung zu sichern

Nicht alle Länder gehen mit ihren Rohstoffabhängigkeiten derart zurückgelehnt um wie die EU. „Japan und Korea sind viel näher an China und wissen, was passieren kann. Japan hat mit der Japan Organization for Metals and Energy Security eine staatliche Organisation, die gezielt weltweit in Mienen einkauft, um die eigene Industrie versorgen zu können.“ Diese sicherte sich beispielsweise sämtliche schweren seltenen Erden aus der namibischen Lagerstätte Lofdal, sobald diese Rohstoffe liefert.

In Kanada, Australien und den USA laufen derzeit zahlreiche Projekte zur Förderung und Aufbereitung von seltenen Erden, die teils weit fortgeschritten sind. „Wenn die deutsche Industrie wirklich Interesse an dem Thema hätte, hätte sie sich dort beteiligen können“, quittiert Elsner.

Doch auch die neuen Aktivitäten in Australien, den USA und Kanada zielen in erster Linie auf leichte seltene Erden. Das hat triftige Gründe: Vorkommen an schweren seltenen Erden sind meist mit radioaktiven Elementen Uran und Thorium vergesellschaftet. Wer sie erschließt, bekommt unweigerlich hoch radioaktiven Abfall. Aus gutem Grund hat deshalb China die Förderung schwerer seltener Erden von 2014 an immer stärker in die Nachbarländer verlagert, etwa in das Rebellengebiet von Myanmar. China übernimmt nurmehr die Aufbereitung. Das Land versucht damit die Umweltprobleme der Rohstoffgewinnung auszulagern. Und für den Großkunden EU heißt das auch: Ein Import von nahezu 100 % bei schweren seltenen Erden entspricht einem Export der gesamten ökologischen und sozialen Probleme.

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