Seltene Erden: Wenn Pflanzen strategisch wichtige Elemente aus dem Boden ziehen
Mit Pflanzen Seltene Erden und andere strategisch wichtige Elemente umweltfreundlich aus dem Boden zu gewinnen, klingt verlockend. Aber ist das Verfahren auch wirtschaftlich?
Die Technische Universität Bergakademie Freiberg blickt auf eine lange, vom Bergbau in der Region geprägte Geschichte zurück. Doch nun soll hier der Bergmann ersetzt werden – und zwar durch Pflanzen. Phytomining heißt das Zauberwort. „Wenn das Verfahren wirtschaftlich angewendet wird, könnten wir mit Phytomining einen Großteil unseres Bedarfs an Seltenen Erden und anderen strategisch wichtigen Elementen in Deutschland decken“, ist der Geochemiker Oliver Wiche vom Institut für Biowissenschaften überzeugt.
Phyto kommt aus dem Griechischen und bedeutet Pflanze. Mit ihren Wurzeln zieht diese die gewünschten Elemente aus dem Boden und nimmt sie auf. Aus der Pflanze wiederum lassen sich mit verschiedenen Methoden die Elemente für eine industrielle Nutzung gewinnen. Dafür die wissenschaftlichen Voraussetzungen zu schaffen, ist das Ziel der Forschungen von Wiche und seinem Team, die zudem mit Fachleuten der Deutschen Saatveredlung AG kooperieren.
Was passiert, wenn China als weltweit größter Produzent Seltener Erden keine Rohstoffe mehr liefert?
Angewendet wird Phytomining bisher kaum irgendwo auf der Welt, ebenso selten wird dazu geforscht. Obwohl man so Seltene Erden und andere wichtige Elemente ohne die sonst häufig katastrophalen Folgen für Mensch und Umwelt gewinnen könnte. In China etwa, dem mit 70 % weltweiten Hauptproduzenten Seltener Erden, verursacht deren Gewinnung im Tagebau Verwüstung, radioaktive Belastung sowie Vertreibungen durch den Landschaftsverbrauch. Und was ist, wenn die zweitgrößte Volkswirtschaft der Welt beschließt, die Vorkommen nur noch für sich selbst auszubeuten?
Phytomining dagegen kann belastete Böden sogar entgiften. So ließen sich auch Äcker wieder bewirtschaften, deren Bebauung sich sonst nicht lohnen würde. In Albanien zum Beispiel wird an den Ufern des Orchidsees Nickel aus Pflanzen gewonnen, die auf kargen und belasteten Böden gedeihen.
Gräser nehmen mit ihren Wurzeln Silizium und Germanium aus dem Boden auf
Gräser zum Beispiel suchen mit ihren Wurzeln im Boden nach Silizium. Der Elementhalbleiter fördert ihr Wachstum, stärkt Stängel und Blätter. Vor allem aber dient er als Fressschutz. Zu spüren sind die Ablagerungen von Silizium an der rauen, häufig scharfen Oberfläche eines Grashalmes, an der man sich sogar schneiden kann.
Silizium aber ist als zweithäufigstes Element der Erdkruste ausreichend vorhanden. Anders verhält es sich mit Germanium, das immer mehr Anwendung in der Technik findet – zwar in kleinen Mengen, doch unverzichtbar etwa bei der Herstellung von Infrarotsensoren, Strahlenmessgeräten, Glasfaserkabeln oder Handyplatinen.
„Germanium ist dem Silizium chemisch sehr ähnlich.“ Oliver Wiche zeigt auf zwei der hellgrünen Quadrate auf der Tafel des Periodensystems der Elemente über seinem Schreibtisch. „Da die Gräser wahrscheinlich nicht unterscheiden können zwischen den Elementen, nehmen sie neben dem Silizium auch Germanium auf.“ So kann es sich auch mit anderen gewünschten Elementen verhalten, etwa mit Lanthan, Cerium, Neodym, Cadmium oder Nickel.
„Wir schauen auf das gesamte Spektrum der Elemente, um alle eventuellen Nutzungen im Blick zu behalten und eine Wirtschaftlichkeit zu erreichen“, erklärt Wiche. Ob die Pflanzen diese Elemente neben den für sie notwendigen Nährstoffen als ungenutztes Nebenprodukt fördern, sozusagen aus einem Irrtum heraus, oder ob diese doch eine Funktion für sie erfüllen, ist ebenfalls Teil der Fragestellung fürs Forschungsteam.
Nicht jede Pflanze speichert auch jedes Element aus der Erde
Alles aus der Welt der Technik
Angebot wählen und sofort weiterlesen
- Alle Beiträge auf vdi-nachrichten.com
- Monatlich kündbar
Oder werden Sie VDI-Mitglied und lesen im Rahmen der Mitgliedschaft Vn+.