Echobot-Gründer: „Wir sind die freundliche Datenkrake von nebenan“
Das Karlsruher Unternehmen Echobot durchforstet das Internet auf der Suche nach Informationen, die den Vertrieb intelligenter machen. Wo wird derzeit gebaut, eingestellt, gegründet? Und welche Verkaufschancen ermöglicht das? Echobot weiß es enorm schnell und traut den eigenen Daten mittlerweile auch zu, die konjunkturelle Lage im Land erfassen zu können.
VDI nachrichten: Herr Breitwieser, Sie haben Echobot 2011 mitgegründet. Welche Geschäftsidee hatten Sie damals?
Jannis Breitwieser: 2011 war mein Mitgründer Bastian Karweg noch für das Unternehmen Pressebox aktiv. Das ist ein Veröffentlichungsportal für Unternehmensnachrichten, das sich in erster Linie an Medienvertreter richtet. Natürlich wollten die Unternehmen, die dort publizierten, auch wissen, ob ihre Pressearbeit Erfolg hat. Aus diesem Impuls heraus wurde Echobot gegründet. Man könnte sagen, wir haben eine Suchmaschine für das Medienecho gebaut.
Heute macht Echobot viel mehr. Wie kam die Neuausrichtung?
Nach etwa zwei Jahren, 2013, haben wir einen neuen Kunden gewonnen, der unsere Software lizenzierte, sich aber überhaupt nicht für sein Medienecho interessierte. Das hat uns natürlich neugierig gemacht. Dann hat der Kunde berichtet. Es war eine Firma, die sich mit der Begrünung von Flachdächern befasst. Und für ihn war es natürlich wichtig, zu erfahren, wann immer irgendwo in Deutschland eine Turnhalle gebaut wird, eine Schule, ein Industriegebäude. Denn nur wenn das Unternehmen rechtzeitig Kontakt mit den zuständigen Architekten aufnehmen kann, kommt seine Begrünung oben drauf. Daraufhin haben wir die Idee entwickelt, die Informationen, die wir einsammeln, auch zu nutzen, um solche Verkaufsereignisse zu identifizieren.
Wie funktioniert das?
Wir sagen manchmal, wir sind die freundliche Datenkrake von nebenan. Google kennt mittlerweile jeder. Das Prinzip ist das gleiche. Google liest quasi jede Webseite im Internet aus und indexiert die Informationen, um sie dann durchsuchbar zu machen. Echobot tut das auch, aber mit einem ganz anderen Fokus. Wir beobachten zum Beispiel mit spezialisierten Systemen die Medienlandschaft weltweit von Spiegel über Bild bis hin zu Social-Media-Posts und sammeln aus diesen öffentlichen Quellen alle Neuigkeiten zu Unternehmen ein. Die Daten für die sogenannte Sales Intelligence, also die vertriebsrelevanten Informationen, stammen zusätzlich von Unternehmenswebseiten oder aus öffentlichen Registern.
Wie viele Seiten scannt Echobot?
Wir beobachten ungefähr fünf Millionen Firmenwebseiten im europäischen Raum. Diese Daten sind die Grundlage für die Dienstleistungen und Produkte, die wir anbieten.
Sie sagen in ganz Europa. Das heißt, Sie müssen auch in einer Vielzahl von Sprachen verarbeiten können?
Das ist tatsächlich eine große Herausforderung. Viele Texterkennungsverfahren und Systeme müssen für jedes Land und jede Sprache angepasst werden. Momentan versteht Echobot Deutsch und Englisch, teilweise auch Französisch. Aber wir sind dran, diesen Bereich weiter auszubauen.
Wie aktuell können die Daten bei Echobot sein? Wie lange benötigen Sie, um diese 5 Mio. Seiten abzusuchen?
Das hängt sehr stark von der Quelle ab. Wir verarbeiten ja sehr viele unterschiedliche Datenquellen. Da sind zum Beispiel die Firmenwebseiten. Da brauchen wir momentan etwa 20 Tage. In diesen Abständen schaut unser Crawler auf den Seiten vorbei und aktualisiert die Inhalte. Schneller werden wir zum Beispiel, wenn es um Registerdaten geht, etwa das deutsche Handelsregister. Da bekommen wir täglich Updates. Informationen, dass eine neue Firma gegründet wurde und in welchen Bereichen sie tätig ist, etwa. Und zuletzt haben wir ja die News-Inhalte. Da ist es deutlich wichtiger, schnell zu sein. Im Bereich Social Media bieten wir etwa einen Service an, den wir „Shitstorm-Alert“ nennen. In solchen Fällen ist es für betroffene Unternehmen wichtig, sofort zu reagieren. Leitmedien wie spiegel.de rufen wir daher alle fünf Minuten ab. Entsprechend schnell gelangen die Informationen zu unseren Kunden.
Die vielen öffentlich verfügbaren Informationen müssen auch noch interpretiert werden. Welche Rückschlüsse lassen die Daten zu?
Ein großer Mehrwert entsteht tatsächlich erst aus der Verknüpfung der Daten. Wir kombinieren unter anderem die Informationen aus den öffentlichen Registern mit unseren Webinformationen. Andere Informationen extrahieren oder berechnen wir. Wir haben zum Beispiel ein Verfahren entwickelt, mit dem wir auf Basis der Webseiteninformationen jede Firma in 80 Dimensionen abbilden können. Wir können so zum Beispiel den Branchencode einer Firma berechnen – und das deutlich präziser, als es viele Branchenbücher hergeben und teilweise sogar präziser als die Firmen es selbst tun. Wir sind so in der Lage, Firmen zu identifizieren, die inhaltlich in einem sehr ähnlichen Geschäftsfeld unterwegs sind.
Das dient dann der Wettbewerbsbeobachtung?
Im Gegenteil. Auch diese Informationen werden meist im Vertrieb eingesetzt, um eine Liste potenzieller Kunden zu generieren. Wenn die Unternehmen bereits eine Liste mit Kunden haben, an die sie erfolgreich verkauft haben, können sie die hochladen und sich direkt ähnliche Firmen vorschlagen lassen. So müssen sie die Spezifikation nicht zu Fuß machen. In dieser Richtung wollen wir in Zukunft mehr automatisierte Lösungen anbieten. Denkbar ist aber auch gerade jetzt, angesichts der konjunkturellen Unsicherheit und der Beeinträchtigung der Lieferketten, über das Tool alternative Zulieferer zu finden.
Bei so vielen Anwendungsbeispielen liegt der Gedanke nahe, auch allgemeine Konjunkturaussagen aus den Daten herauszulesen. Haben sich die Konjunkturforscher schon bei Ihnen gemeldet?
Tatsächlich sind VDI nachrichten die einzige Organisation, die diese Möglichkeit bislang erkannt hat. Aus den Daten konjunkturelle Schlussfolgerungen zu ziehen, ist, wie ich finde, definitiv ein vielversprechender Ansatz.
Die exklusiven Ifo-Konjunkturperspektiven der VDI nachrichten
Sie werden uns in Zukunft einmal im Quartal Daten zur konjunkturellen Lage im Maschinenbau zur Verfügung stellen, die wir für unsere Leser und Leserinnen als „VDI nachrichten Konjunkturecho“ aufbereiten werden. Gab es schon einmal Versuche, in ähnlicher Weise konjunkturelle Daten auszulesen?
Wir hatten mal einen Kunden, der versucht hat, auf Basis unserer Daten Krisen in Entwicklungsländern zu identifizieren und so eine Art Krisenmonitoringsystem zu bauen. Einer unserer Partner nutzt Echobot-Signale, um Aussagen zur Bonität von Kunden treffen zu können. Häufig konnten wir nachweisen, dass eine Insolvenz oder eine Zahlungsunfähigkeit bevorstehen könnte. Zum Beispiel, wenn sich Frühwarnindikatoren wie Nachrichten über die Entlassung von Mitarbeitern oder die Standortschließungen häufen.
VDI nachrichten Konjunkturecho
Wenn es um so etwas Wichtiges wie die eigene Bonität geht, könnten Unternehmen auch versuchen, Ihre Datensammler zu täuschen. Wie manipulierbar sind die Informationen, die Sie ja letztlich von den Unternehmen selbst erhalten?
Das ist ein wichtiger Punkt. Und die Antwort hängt natürlich stark davon ab, von welcher Quelle wir sprechen. Wir unterscheiden zwischen Nachrichten von der Firma und Nachrichten über die Firma. Alles, was von der Firma kommt, also vom firmeneigenen Facebook-Profil, dem Twitter-Kanal oder der Firmenwebsite, sind natürlich Quellen für Positivbeispiele. Keine Firma wird darüber schreiben, dass sie größere Produktionsprobleme hat. Was man gerne teilt, sind Erfolgsgeschichten, etwa dass die Umsatzerwartungen übertroffen wurden, vielleicht, dass neue Personen im Management eingestellt wurden oder dass ein neues Produkt angekündigt wird. Das funktioniert auch sehr gut. Die negativen Signale wie anhängige Rechtsstreitigkeiten, die Entlassung von Mitarbeitern oder Standortschließungen werden eher in großen Wirtschaftsmagazinen kommuniziert. Und die haben wir genau im Blick. Wir haben eine Technologie entwickelt, die solche Informationen den entsprechenden Datensätzen in unseren Systemen zuordnen kann und sie semantisch interpretiert.
Einige wichtige Quellen der Echobot-Daten kennen wir nun schon. Welche gibt es außerdem?
Wir arbeiten ausschließlich mit öffentlich verfügbaren Daten. Das ist schon deshalb notwendig, um in Sachen Datenschutz auf der sicheren Seite zu stehen. Angefangen haben wir mit den Onlinenachrichten. Das Feld haben wir in den ersten Jahren stark ausgebaut, um die komplette deutschsprachige Medienlandschaft abdecken können. Das Spektrum reicht mittlerweile von Online-News über Social Media bis hin zu Foren und Blogs. Nach und nach haben wir immer mehr internationale Leitmedien in unsere Betrachtung aufgenommen. Auch eine Le Monde oder die New York Times beobachten wir zum Beispiel. Durch die Ausrichtung auf Verkaufsintelligenz haben wir zusätzliche Datensilos erschlossen. Allen voran natürlich die öffentlich verfügbaren Register wie das Handelsregister. Darüber kann man auch Informationen zu den Anteilseignern, den Gesellschaftern oder der Geschäftsführung beziehen. Finanzkennzahlen lassen sich häufig extrahieren. Die Firmenwebseiten sind vor allem eine interessante Quelle, weil sich nicht nur die Inhalte auslesen lassen, sondern auch Informationen, etwa, wie häufig die Webseite aktualisiert wird, ob Paypal als Zahlungsmethode akzeptiert wird, ob ein bestimmter Webshop eingesetzt wird. Auch Kontaktdaten zu Ansprechpartnern im Pressebereich oder im Einkauf sind häufig mit Telefonnummer und Mailadresse genannt.
Wie sehen die nächsten Schritte für Echobot aus?
Im letzten Jahr haben wir unser Angebot auf Großbritannien ausgeweitet und seit Anfang 2022 bieten wir ein Basisdatenpaket für ganz Europa an. Im April werden wir offiziell in Frankreich starten. Im Zuge der Expansion bieten wir immer mehr landesspezifische Daten an und verarbeiten auch mehr und mehr Webseiten aus diesen Ländern.
Wie schnell wächst das Unternehmen derzeit?
Im vergangenen Jahr konnten wir den Umsatz um 70 % steigern. Wir haben unseren 100. Mitarbeiter bei Echobot begrüßt und unser Ziel ist es, bis Ende 2023 für die überwiegende Mehrheit der europäischen Länder ein Angebot machen zu können und Daten für diese Länder anbieten zu können.
Wo liegt das eigentliche technische Know-how von Echobot? Eher in der Verarbeitung der Daten als in der Generierung?
Ich sage immer, wir sind eine Eisbergfirma. Man sieht etwa 20 % über der Oberfläche. Das sind unsere Softwarelösungen, mit denen man als Kunde arbeitet und die natürlich darauf optimiert sind, für den Kunden Ergebnisse zu produzieren. Aber darunter liegt unsere stark optimierte automatisierte Datenerfassung und die Weiterverarbeitung, um Signale präzise erkennen zu können und den richtigen Unternehmen zuordnen zu können. Das ist unsere geheime Rezeptur.
Welche äußeren Einflüsse bestimmen Ihr Geschäft?
Ich behaupte, die Herausforderungen für die deutsche Wirtschaft haben sich in den letzten Jahren vervielfältigt. Zum einen war da Corona. Die Pandemie hat viele etablierte Wege der Geschäftsanbahnung deutlich verändert. Messeauftritte waren nicht mehr möglich. Auch Vertriebskanäle, die auf persönlichen Treffen beruhten, sind in ihrer Bedeutung zurückgegangen. Vieles hat sich ins Digitale verlagert. Selbst Videokonferenzen waren vor wenigen Jahren noch sehr selten und für viele ungewohnt. Mittlerweile gibt es eigentlich keinen mehr, der im Büro keine Videokamera hat. Das ist für unser Angebot mit alternativen Tools zur Vertriebsförderung ein unheimlicher Beschleuniger gewesen. Ein zweiter Aspekt ist die zusätzliche Unsicherheit, die durch den Ukrainekrieg dazugekommen ist. Auch die große Abhängigkeit von China erscheint nun in einem anderen Licht. Das führt immer mehr zu einem Umdenken in den Betrieben und macht es notwendig, die Beziehung zu Zulieferern und Kunden infrage zu stellen. Unternehmen müssen immer mehr in der Lage sein, dynamisch auf solche Veränderungen zu reagieren. Und die Fähigkeit in der akuten Krisensituation neue Lieferanten und Kunden zu identifizieren und schneller neue Geschäftsbeziehungen aufzubauen, wird immer wichtiger. Auf diesem Feld können wir unsere Kunden sehr stark unterstützen.
In der jüngsten Studie der Einkaufsberatung Inverto gab nur ein sehr kleiner Teil der befragten Unternehmen (8 %) an, Big-Data- oder KI-Technologie im Einkauf einzusetzen. Woran könnte das liegen?
Es liegt vielleicht schlicht daran, dass viele Unternehmen diese Lösungen noch nicht kennen. Unsere Kunden sind sehr aktiv mit der Software, die sie bei uns einkaufen und wir bekommen auch regelmäßig positive Rückmeldungen, dass der Einsatz zu deutlichen Verbesserungen im Vertriebsprozess führt. Im internationalen Vergleich, gerade in den USA, sind die Firmen schon viel weiter. Da gibt es einen sehr großen Marktteilnehmer, der mittlerweile eine starke Konsolidierung betrieben hat, börsennotiert ist und Umsätze im dreistelligen Millionenbereich ausweist. In Deutschland stecken wir da noch in den Kinderschuhen.