Generationswechsel bei Enercon
Hans-Dieter Kettwig, langjähriger Chef des deutschen Windkraftanlagenbauers Enercon, geht zum Dezember in Ruhestand. Momme Janssen, bisher schon Mitglied der Geschäftsleitung, übernimmt.
Bei Enercon in Aurich, dem größten deutschen Hersteller für Windkraftanlagen, geht eine Ära zu Ende. Hans-Dieter Kettwig, Eigengewächs der Ostfriesen seit seinem Eintritt ins Unternehmen 1988, geht; Momme Janssen, bisher schon in der Geschäftsführung und dort zuständig für das Personal, Kommunikation, Marketing und IT, übernimmt.
Es sind raue Zeiten, in denen Janssen das Ruder übernimmt. Enercon hatte sich immer auf Windkraftanlagen auf Land fokussiert, mit einem starken Standbein im deutschen Heimatmarkt. Bedingt durch die Energiepolitik der Bundesregierung, leidet die hiesige Branche seit Längerem – auch Enercon. Die Auricher kündigten vor rund einem Jahr an, bis 2022 den Konzern umzubauen, 3000 Jobs sind in Gefahr – und Janssen als bisheriger Personalchef hält nun auch bald als CEO die Zügel dafür in der Hand.
Kettwig sah Krise der Windbranche lange voraus
Dem scheidenden CEO Hans-Dieter Kettwig muss die derzeitige Branchenkrise wie ein Desaster mit Ansage erscheinen. Podien zu rocken, war nicht Kettwigs Ding, aber zur Hannover Messe 2014 ging er höchstpersönlich in die Bütt, um die große Bühne zu nutzen – und um endlich mal Klartext zu reden. Vor Journalisten rügte er damals die Reform des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG). Damals war Enercon Deutschlands Nummer eins bei Windkraftanlagen – mit 49 % Marktanteil.
Die neue Vergütungsstruktur sorge dafür, dass die Erträge an einzelnen Standorten um bis zu einem Fünftel sinken werden; die verschärfte Reform könnte Enercon zu einem Investitionsstopp zwingen – so sah Hans-Dieter Kettwig das damals. Damals war von einem Ausbaudeckel von 2500 MW/Jahr für Windkraft an Land die Rede.
Kettwig hoffte aufs Repowering
Die damals geplante Deckelung für Standorte mit schwächerem Wind missfielen dem Enercon-Chef. Beruhigend für ihn war nur, dass er ab 2016 eine „große Erneuerungswelle“ sah. Die Enercon-Konkurrenten sahen damals die EEG-Reform weniger dramatisch. Heute weiß man, dass Kettwig recht hatte. Die Diskrepanz zwischen dem für die Energiewende notwendigem Windkraftausbau und der Realität ist eklatant; beim Repowering war allerdings seine große Hoffnung vergebens.
Kettwig – und natürlich vor ihm Firmengründer Aloys Wobben – richteten Enercon an einigen Leitlinien aus, die sich auch unter dem Einfluss der Branchenkrise erst langsam ändern. So fokussierte sich Enercon auf Deutschland und das übrige Europa. Lange waren Überseemärkte tabu.
Enercon unter Kettwig – kein China, kein Offshore
Enercon-Chef Kettwig war sehr bedacht auf das intellektuelle Eigentum, mit dem die hauseigene getriebelose und damit wartungsarme Getriebetechnik abgesichert war. Daher mied er China. Schließlich machte man auch schon schlechte Erfahrungen, so in Indien. Da war Enercon früh eingestiegen, 2011 resümierte Kettwig frustriert in der „Berliner Zeitung“: „Angesichts der eklatanten Rechtsunsicherheit in Indien betrachtet Enercon seine Mitte der 90er-Jahre getroffene Entscheidung als Fehler, dort investiert zu haben.“
Ein weiteres Tabu bei Enercon war und ist das Offshore-Geschäft. Die Abenteuer eines frühreifen Markts mit inzwischen einer Handvoll globaler Player überließ Kettwig lieber anderen.
Starke Produktion, Stress mit den Gewerkschaften
Als Mittelständler versuchte Enercon vor allem die Herstellprozesse zu optimieren. Bei einer hohen Fertigungstiefe kümmerte man sich in Aurich aber auch früh um Teilautomatisierung und den möglichen Einsatz von Robotern in der Produktion.
Anstrengend war bei Enercon von außen betrachtet oft das Verhältnis mit den Gewerkschaften, vor allem, seitdem die Branchenkrise das Unternehmen erfasst hat und in der strukturschwachen Region viele Jobs in Gefahr sind. Die Auricher haben eine Art Holding-Struktur aufgebaut, mit vielen Tochterunternehmen. Die IG Metall sah sich das Konstrukt 2018 an. „Das Vorgehen von Enercon ist in seiner Dreistigkeit einmalig“, attestierte Heiko Messerschmidt damals dem „Handelsblatt“. „Im Interesse der Beschäftigten werden wir jedenfalls nichts unversucht lassen.“
Es war eine Zeit, in der Hans-Dieter Kettwig einen runden Tisch mit Politik und Gewerkschaften verweigerte. Ein Treffen mit dem Saarländer Peter Altmaier, seines Zeichens immerhin Bundeswirtschaftsminister, kam nicht zustande; erst mit Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil redete er.
Als erste Schwerpunkte seiner neuen Tätigkeit sieht der designierte CEO Momme Janssen nach Angaben von Enercon die Fortsetzung des Turnaround-Programms, das in eine entscheidende Phase trete. In Aurich wollen sie den Prozess „mit ruhiger Hand“ umsetzen, auch wenn es ein „hartes Stück Arbeit“ werde. Viel Arbeit auf jeden Fall für Janssen. Hans-Dieter Kettwig aber ist nur um die Ecke, denn er soll nach seinem Austritt „dem Windanlagenbauer noch beratend zur Seite stehen“.