Promovierter Ingenieur Leonhard Birnbaum ab morgen neuer Eon-Chef
Ab morgen ist der promovierte Ingenieur Leonhard Birnbaum (Foto, 54) Chef des Energiekonzerns Eon. Er übernimmt das Amt von Johannes Teyssen, der die Position zehn Jahre ausfüllte. Auch bei RWE steht Ende April ein Chefwechsel an.
Ein promovierter Ingenieur an der Spitze eines Energiekonzerns: Leonhard Birnbaum, geboren am 19. Februar 1967 in Ludwigshafen, ist seit 2013 Vorstandsmitglied bei Eon, zuletzt Chief Operating Officer. Anfänglich verantwortete er die Ressorts Energiehandel und Dezentrale Energielösungen und war anschließend Chief Commercial sowie Chief Regional Officer und Chief Operating Officer Networks & Renewables und verantwortete das Innogy-Integrationsprojekt, die PreussenElektra GmbH und die interne Beratung. Von 2019 bis 2020 war er zudem Vorsitzender des Vorstands der Innogy SE. Birnbaum hat in Karlsruhe Chemieingenieurwesen studiert und nach wissenschaftlicher Tätigkeit am Forschungszentrum Karlsruhe an der Universität Cottbus promoviert. Seine berufliche Laufbahn begann der Vater von zwei Töchtern als Unternehmensberater bei McKinsey in Düsseldorf. Nach verschiedenen Stationen – u. a. im Büro Houston, USA – war er Senior-Partner für den Energie- und Industriesektor. Im Jahr 2008 wechselte er zur RWE AG und wurde im gleichen Jahr in den Vorstand berufen. Hier nahm er bis 2013 die Aufgaben des Chief Strategy Officers und Chief Commercial Officers wahr.
Die Energiewende bietet laut Birnbaum für den Konzern enormes Potenzial
Nach der Integration der RWE-Tochter Innogy komme es in den nächsten Jahren darauf an, das Unternehmen als Treiber der europäischen Energiewende weiterzuentwickeln, erklärte der Eon-Aufsichtsratsvorsitzende Karl-Ludwig Kley. „Der Aufsichtsrat ist davon überzeugt, dass Leonhard Birnbaum für diese Aufgabe der Richtige ist.“ Kley nannte den designierten Konzernchef auch einen „Brückenbauer“. Der künftige Eon-Chef Leonhard Birnbaum sieht nach eigenen Angaben in der europäischen Energiewende enormes Wachstumspotenzial für seinen Konzern. Die dafür notwendige Digitalisierung will er mit Partnerschaften angehen. „Wer nicht voll digital arbeitet, arbeitet bald gar nicht mehr“, hat Teyssen-Nachfolger Birnbaum formuliert. In Verbindung mit den Energienetzen biete die Digitalisierung große Wachstumschancen für Eon, denn ob Solaranlage oder Windrad, alle neuen Anlagen „müssen an unsere Netze angeschlossen werden“. Je entschlossener die Energiewende vorangetrieben werde, desto besser für Eon.
Vom Stromriesen zum Energienetze-Champion
Als sein Vorgänger Johannes Teyssen im Jahr 2010 zum Chef des Eon-Konzerns aufstieg, übernahm er die Leitung eines Stromriesen. Mehr als 275 Mrd. KWh produzierte Eon damals. Nur ein gutes Zehntel ist davon übrig geblieben. Wenn die letzten drei Atomkraftwerke Ende kommenden Jahres abgeschaltet sind, wird sich Eon ganz von der Stromproduktion verabschiedet haben. Teyssen hat den Konzern in den vergangenen Jahren komplett umgekrempelt – aus dem Kilowatt-Champion ist so die Nummer eins der Energienetze geworden. Unter dem Druck des Atomausstiegs und der Energiewende hatte er zunächst die Stromerzeugung aus Kohle und Gas abgestoßen und dann in einem spektakulären Deal mit dem langjährigen Rivalen RWE die Geschäftsfelder der beiden Unternehmen neu verteilt. Eon übernahm die Strom- und Gasnetze und das Kundengeschäft der RWE-Tochter Innogy und gab seine erneuerbaren Energien an RWE ab. Teyssen selbst vollzog in dieser Zeit einen Positionswechsel. Bei seinem Amtsantritt hatte er die Atomkraft als unverzichtbar bezeichnet, weil sie Kosten für die Kunden niedrig halte, ohne das Klima zu belasten. Zuletzt bezeichnete er die Kernenergie für „zu teuer, zu riskant und politisch zu brisant“. Beim Thema Atomkraft hätten er und seine Kollegen sich damals „im Labyrinth verrannt“.
Klagen vor dem Gericht der Europäischen Union
Dominant wie einst bei der Erzeugung ist Eon inzwischen beim Transport und dem Verkauf von Strom. Mit einer Länge von rund 700 000 km betreibt Eon das mit Abstand umfassendste Verteilnetz in Deutschland. Auch die Kundenzahl ist mit 14 Mio. in Deutschland unübertroffen. Europaweit beliefert Eon gut 40 Mio. Haushalte und Betriebe mit Strom und Gas. Kleinere Versorger sehen das mit Sorge. In vielen deutschen Regionen könne Eon beim Stromverkauf auf einen Marktanteil von bis zu 70 % kommen. Mit zwei Klagen vor dem Gericht der Europäischen Union versuchen sie deshalb, die Genehmigung des Deals durch die Brüsseler Kommission nachträglich zu Fall zu bringen. An der Börse hat die neue Eon bislang keine große Begeisterung ausgelöst. Der Aktienkurs ist seit der Bekanntgabe des Deals mit RWE nur wenig gestiegen, während die RWE-Aktie deutlich zugelegt hat. Eon habe ein „beträchtliches Aufholpotenzial“, räumte Teyssen bei der Bilanzpressekonferenz im März ein.
Erstmals nach Jahren mit Victoria Ossadnik eine Frau im Vorstand
Neben dem Chefwechsel gibt es noch eine weitere wichtige Personalie bei Eon. Nach Jahren rückt wieder eine Frau in den Vorstand des Energiekonzerns – und übernimmt ein neues, zukunftsweisendes Ressort: Digitalisierung. Die 52-Jährige ist seit April 2018 Vorsitzende der Geschäftsführung der Eon Energie Deutschland GmbH – und damit verantwortlich für den Vertrieb in Deutschland. Davor arbeitete sie sieben Jahre lang für den US-Softwarekonzern Microsoft. Dort leitete sie zuletzt die weltweite „Enterprise Service Data und Artificial Intelligence“-Organisation des Konzerns. „Mit Victoria Ossadnik hat Leonhard Birnbaum für sein künftiges Vorstandsteam eine international ausgewiesene Digitalisierungsexpertin gewinnen können“, sagte Aufsichtsratschef Karl-Ludwig Kley.
Bei RWE folgt auf Martin Schmitz Finanzvorstand Markus Krebber
Bei RWE folgt der Chefwechsel Ende April, wenn der Vorstandsvorsitzende Rolf Martin Schmitz (63) den Stab an seinen bisherigen Finanzchef Markus Krebber (48) übergibt. Schmitz stand als Chef des größten europäischen Braunkohleverstromers in den vergangenen Monaten viel stärker in der Kritik als Teyssen. Vor allem im Ringen um den Erhalt des Hambacher Forsts wurde er zum Buhmann der Klimaaktivisten.
Mit Material von dpa