Singapur: Ein strategisches Tor für deutsche Unternehmen in Asien
Singapur hat sich als einer der wichtigsten Wirtschaftsstandorte für deutsche Unternehmen in Asien etabliert. Rund 2200 deutsche Firmen sind in dem Stadtstaat angesiedelt – so viele wie in keinem anderen Land der Region.
Singapur bietet einen einzigartigen Standortvorteil, vor allem durch seine strategische Lage, seine wirtschaftsfreundliche Politik und seine hochentwickelte Infrastruktur.
Drehscheibe für Südostasien
Als Stadtstaat der Größe von Hamburg hat sich Singapur (rund 6 Mio. Einwohner) als Drehscheibe für Südostasien und darüber hinaus etabliert. „Das Wichtigste für ausländische Firmen in Singapur ist der regionale Auftrag“, erklärt Dr. Tim Philippi, Geschäftsführer der Deutsch-Singapurischen Industrie- und Handelskammer. „Von hier aus werden oftmals die zehn ASEAN-Länder, Australien und Neuseeland betreut. In einigen Fällen kommen auch Japan oder Indien dazu. China wird aber meist separat gehandhabt.“
Insgesamt sind rund 2200 deutsche Firmen in Singapur eingetragen. Das ist insgesamt eine hohe Zahl, deutlich höher als in vielen anderen asiatischen Ländern.
Singapur überzeugt durch eine ausgezeichnete Infrastruktur. Mit dem zweitgrößten Hafen der Welt ist er ein Knotenpunkt für den Warenverkehr. Auch der Flughafen Changi gehört zu den besten weltweit und bietet eine unschlagbare Nähe zu den führenden asiatischen Märkten.
Unternehmen wie BASF und Siemens, aber auch die Deutsche Bank haben ihre Zentralen für die Region hier etabliert, von wo aus sie Südostasien und ggf. weitere Länder steuern. Dabei profitiert der Standort von seinen umfangreichen Freihandelsabkommen mit den wichtigsten Wirtschaftsmächten der Welt.
Politische Stabilität
Die politische Stabilität spielt auch eine wichtige Rolle. Seit über 60 Jahren regiert die People’s Action Party (PAP) und sorgt für Kontinuität in der Wirtschaftspolitik. Premierminister Lawrence Wong, der jüngst das Amt von Lee Hsien Loong übernommen hat, führt deren wirtschaftsfreundliche Politik weiter.
So ist auch Rechtssicherheit garantiert. „Ein verlässliches rechtliches Umfeld ist zum Beispiel entscheidend für Forschungsprojekte, da häufige politische Änderungen ansonsten die Planungen und Investitionen gefährden können“, betont Philippi.
Dass Verträge und Gerichtsurteile auf Englisch verfasst werden, mache den Rechtsrahmen überdies klar und verständlich und sei auch ein zentraler Vorteil für deutsche Unternehmen. Dazu kommt: „Es gibt faktisch keine Korruption oder sie wird konsequent bekämpft“, so Philippi.
Strategischer Standort für deutsche Unternehmen
Die meisten deutschen Unternehmen – vor allem Maschinenbauer und Anbieter von Investitionsgütern – nutzen Singapur, um von hier aus den Vertrieb in die Nachbarländer zu steuern.
Das hat die Messe Düsseldorf für sich schon in den 90ern entdeckt und veranstaltet seitdem mehrere Messen in Singapur. Doch erst dieses Jahr bündelte sie ihre Asiengeschäfte und steuert nun ihre Tochtergesellschaften in Indien, Singapur, China und Japan von Singapur aus. Die neue Struktur unter dem Namen „Messe Düsseldorf for Asia“ fördert den Ausbau asiatischer Messen und stärkt gleichzeitig die Düsseldorfer Leitmessen.
Ein Schwerpunkt liegt auf Medizintechnik und Reha. Mit der ebenfalls neu gegründeten Plattform „Medicare Asia“, die insgesamt sieben asiatische Messen verbindet, wollen die Düsseldorfer den wachsenden Bedürfnissen in diesen Bereichen gerecht werden. Marius Berlemann, operativer Geschäftsführer der Messe Düsseldorf, sieht darin eine Chance, das Wachstum im asiatischen Gesundheitsmarkt voranzutreiben: „Wir werden es nicht wie Teile der Automobilindustrie machen und den asiatischen Markt verschlafen.“
Produktion und Hightechforschung
Produktion spielt in Singapur auch eine große Rolle. Über 20 % des Bruttoinlandsprodukts stammen aus der Fertigungsindustrie, ähnlich wie in Deutschland. Elektronikunternehmen wie Pepperl+Fuchs und Infineon betreiben dort Produktionsstätten.
„Ein großer Teil der Produktion ist kapitalintensiv und die Maschinen dafür kommen idealerweise aus Deutschland“, so Philippi. Dies ist ein Grund, warum Singapur der größte Exportmarkt für deutsche Produkte in Südostasien ist.
Auch Forschung und Entwicklung wird in Singapur großgeschrieben. Die Regierung fördert gezielt F&E-Aktivitäten, unter anderem in den Bereichen wie Elektronik, Halbleiter, Luftfahrt und Pharma.
Herausforderungen: Hohe Kosten und Fachkräftemangel
Trotz der vielen Vorteile müssen Unternehmen in Singapur mit hohen Kosten rechnen. „Singapur gehört immer zu den teuersten Standorten weltweit“, weiß Philippi. Die hohen Lebenshaltungskosten und die teure Infrastruktur stellen besonders kleine und mittelständische Unternehmen vor Herausforderungen. Daher wägen viele Unternehmen genau ab, welche Funktionen in Singapur sinnvoll sind und welche nach Malaysia oder Thailand verlagert werden könnten.
So beispielweise Pepperl+Fuchs, das einen Standort in Singapur für die Produktion hat, aber auch in Indonesien und Vietnam. Teile, die mehr manuelle Arbeit erfordern, werden dort produziert. Was vor allem maschinell hergestellt werden kann, findet hingegen in Singapur statt.
Ein weiterer Engpass ist der Fachkräftemangel. „Singapur steht vor ähnlichen Problemen wie Deutschland – es gibt einfach nicht genug qualifizierte Fachkräfte“, sagt Philippi. Singapur verfügt zwar über renommierte Universitäten wie die National University of Singapore (NUS), aber die lokale Bevölkerung ist begrenzt. Viele Unternehmen müssen auf internationale Fachkräfte zurückgreifen, wobei die Einwanderungsbestimmungen berücksichtigt werden müssen.
Immerhin kommen ausländische Fachkräfte gern nach Singapur, das als Paradies für Expats gilt. „Es gibt hier gute Schulen und ein gut funktionierendes Gesundheitssystem“, so Philippi. Die hohe Lebensqualität ziehe internationale Experten und Expertinnen an.
Soziale Verantwortung
Der multikulturelle Stadtstaat, in dem Chinesen, Malaien, Inder und andere Gemeinschaften friedlich zusammenleben, wird oft für seine soziale Stabilität gelobt. Trotz dieser Harmonie bleibt jedoch die soziale Frage bestehen, insbesondere in Bezug auf die Bedingungen der vielen Arbeitsmigranten. Rund 1,5 Mio. Menschen, überwiegend aus Indien, Myanmar oder Bangladesch, arbeiten in Singapur, oft in niedrig bezahlten Jobs. Mindestlohn: Fehlanzeige.
Papst Franziskus hob bei seinem historischen Besuch Anfang September 2024 die wichtige Rolle dieser Migranten hervor, die „so viel zum Aufbau der Gesellschaft beitragen und deren angemessener Lohn garantiert werden muss“. Diese Arbeitskräfte tragen erheblich zur wirtschaftlichen Stärke Singapurs bei, doch ihre Arbeitsbedingungen bleiben ein kritisches Thema.
Übrigens: In Singapur gibt es faktisch keine Pressefreiheit. Laut Reporter ohne Grenzen rangiert das Land weltweit auf einem der unteren Plätze (126 von 180). Die Regierung kontrolliert einen Großteil der Medienlandschaft und wendet strenge Gesetze an, um regierungskritische Stimmen zu unterdrücken. Kritische Journalisten oder Aktivisten sehen sich häufig mit Verleumdungsklagen konfrontiert.