Steilemann sieht Covestro gut aufgestellt
Covestro-Chef Markus Steilemann setzt auf Kreislaufwirtschaft und machte gestern in Düsseldorf deutlich, dass er sich von den aktuellen Debatten rund um Klimaneutralität nicht „treiben lassen“ will.
Covestro-Chef Markus Steilemann wandte sich am Mittwochabend bei einer Veranstaltung der Wirtschaftspublizistischen Vereinigung in Düsseldorf gegen das oft negative öffentliche Bild der Kunststoffindustrie. Kunststoff sei nicht das Problem, sondern ein wichtiger Rohstoff und der „Werkstoff des 21. Jahrhunderts“. Lediglich etwa 6 % der weltweit geförderten Erdölmenge würden in Kunststoffe umgesetzt. 94 % des geförderten Erdöls würden verbrannt. „Aber wir machen uns um 6 % im Moment die größten Gedanken, obwohl diese eigentlich eine mindestens sehr sinnvolle Zwischenverwendung haben“, so Steilemann. Es sei vielmehr der Weg, eine Kreislaufwirtschaft zu implementieren. Für alle Anwendungsbereiche müssten die Kunststoffe wieder vernünftig zurückgeführt werden. „Warum? Weil es einen Wert dafür gibt. Die Dinge müssen wieder einen Wert zugemessen bekommen“, so Steilemann. „Wenn wir nachhaltig sein wollen, müssen wir die Sachen wieder da hinbringen, wo sie herkommen. Abbaubare Kunststoffe sind für ganz ganz bestimmte Zwecke vielleicht eine Lösung, aber in keinem Fall eine Lösung für die 360 Mio. t, die dann unkontrolliert in der Umwelt landen“, so der Covestro-Chef.
Trotz des Umsatzrückgangs bei der Leverkusener Covestro AG im letzten Jahr sieht Steilemann das Unternehmen gut aufgestellt. Der Bedarf an Kunststoffen werde steigen und das Rennen würden die Unternehmen machen, die sich wie Covestro früh auf den Weg in eine Kreislaufwirtschaft machen. „Die Lösungen dahin sind schwierig, wir haben 150 Jahre gebraucht, eine lineare Wirtschaftskette aufzubauen, wir werden ein paar Jahrzehnte brauchen, um eine Kreislaufwirtschaft zu implementieren.“
Automobilindustrie und Bauindustrie mit Potenzial
Als Zukunftsfelder mit Potenzial für Covestro nannte Steilemann die Automobilindustrie und die Bauindustrie. Lokalisation, Internetzugang zu jedem Zeitpunkt, das erfordere auch, dass der Mensch mit der Maschine interagieren kann. Dafür würden funktionale Oberflächen gebraucht. „Da kommen unsere Materialien zum Einsatz“, so Steilemann. Das Automobil werde immer mehr zu einem Raum, in dem man sich auch wohlfühlen soll. Lärmdämmung spiele eine besonders wichtige Rolle, aber auch der Leichtbau und das Thema Crashsicherheit. Batterieverpackungen müssten aus Kunststoffen gemacht werden. Die Liste der technologischen Herausforderungen, die nur über Kunststoffe gelöst werden könnten, sei schier unendlich in diesem Markt. Und ab 2021 würden in der EU Neubauten nur noch als energiearme Neubauten zugelassen sein. Auch in der Gebäudedämmung seien Materialen aus Kunststoff wichtig.
Klimaneutralität mittels Energieverbrauch
Mit Blick auf die Diskussion um Klimaneutralität erklärte Steilemann, es sei im Moment wichtig, sich nicht in den „Wettlauf um das Verkünden von Zielen“ zu begeben. Es sei ganz besonders wichtig, dass Industrieunternehmen ihre Glaubwürdigkeit wiederherstellen oder behalten. Die Lösungen seien komplex. Eile sei für ihn kein Wertmaßstab und kein Indiz dafür, wie ernst man es meine. „Uns ist es wichtig, klar herauszuarbeiten: Wie gestalten wir den Weg und wo werden wir wann sein, damit das auch messbar ist?“, betonte Steilemann. „Ein Großteil der Emissionen, die uns heute zugerechnet werden, verursachen wir nicht, sondern wir kaufen Leistungen ein, die diese Emissionen verursachen, und deshalb: Wenn wir das herunterfahren möchten, müssen wir mit anderen Partnern an Lösungen arbeiten, die helfen, dazu beizutragen.“ Der Verband der Chemischen Industrie habe zusammen mit der Dechema (Gesellschaft für Chemische Technik und Biotechnologie e.V) eine Studie erarbeitet, die unter Beweis stelle, dass die heutigen Technologien, wenn man sie alle konsequent Stück für Stück anwendet, dazu beitragen könnten, dass die Chemieindustrie in Deutschland bis 2050 komplett klimaneutral sein könnte. Technologisch sei das also möglich. „Die einzige Rahmenbedingung die wir brauchen ist, gemessen an der heutigen Struktur, zehnmal so viel elektrische Energie. Das würde dem heutigen Energieverbrauch der Bundesrepublik Deutschland entsprechen. Und dann muss die Energie auch noch ausschließlich aus Erneuerbaren kommen. Sie müssten also die Erneuerbaren aus heutiger Perspektive um den Faktor 15 ausbauen, allein um die chemische Industrie zu versorgen, da ist noch kein anderer Sektor dabei“, erklärte Steilemann. Dies mache deutlich, dass viele Änderungen außerhalb des Wirkungskreises der chemischen Industrie liegen. Er appellierte an das Zusammenspiel in der Gesellschaft: „Wir sind verzagt, mutlos. Wir brauchen mehr Mut. Es muss uns gelingen, und zwar schnell, einen gesellschaftlichen Konsens zu erreichen und gemeinsam in eine Richtung arbeiten.“ Am 19. Februar erfolgt die Bilanzpressekonferenz der Covestro AG.