AUSSENWIRTSCHAFT 24. Jun 2019 Dieter Heumann Lesezeit: ca. 3 Minuten

Trotz hoher Staatsverschuldung erholt sich Japans Wirtschaft

Die japanische Wirtschaft ist zu Jahresbeginn viel stärker gewachsen als erwartet. Trotz der weltweit höchsten Staatsverschuldung hat sich der Inselstaat aus der Rezession gekämpft. Freihandelsabkommen sollen den Aufschwung festigen.

Beim Konsum halten sich die Japaner noch zurück. Der Aufschwung wird vor allem von Investitionen getragen. Unser Foto zeigt das Einkaufsviertel Shibuya in Tokio.
Foto: Panthermedia/vichie 81

Gute Nachrichten aus Fernost: Das japanische Bruttoinlandsprodukt (BIP) stieg im ersten Quartal aufs Jahr hochgerechnet um 3,9 %, wie die Regierung vor wenigen Tagen in Tokio bekannt gab. Vor allem die Investitionen von Firmen hätten stark zugelegt.

Die neuen Zahlen untermauern die Sicht der japanischen Notenbank, dass die Wirtschaft die Rezession des vergangenen Jahres inzwischen hinter sich gelassen hat. „Das sind ziemlich positive Daten, die zeigen, dass die Erholung Fahrt aufnimmt“, sagte auch Takeshi Minami, Chefvolkswirt vom Norinchukin Forschungsinstitut. Vor allem Dienstleister steigerten ihre Ausgaben. Sie hoffen jetzt, dass die Verbraucher wieder mehr konsumieren.

Japan litt jahrelang unter fallenden Preisen, was Umsätze und Löhne drückte. Um die Deflation zu bekämpfen, pumpt die Zentralbank seit Langem viel billiges Geld in den Markt. Das schwächt auch die heimische Währung, wodurch japanische Produkte auf wichtigen Exportmärkten billiger werden.

Zuletzt hatten einige Industriebetriebe wie Panasonic und Canon Teile ihrer Produktion aus China und anderen Ländern zurückgeholt, um vom niedrigen Yen-Kurs zu profitieren.

Die wirtschaftliche Erholung hat das Land bitter nötig. Manche Ökonomen verspotten Japan seit Langem als „Land des Schwächelns“. Nach 20 Jahren mageren Wachstums mit stetig fallenden Preisen ist der Lebensstandard unter den OECD-Durchschnitt gesunken.

Zu den Problemen des Landes gehört die exorbitant hohe Staatsverschuldung von 243 % des BIP (siehe Grafik). Damit liegt Japan weltweit an der Spitze. An zweiter Stelle folgt Griechenland mit einem Staatsschuldenstand von 174 % seiner Wirtschaftsleistung.

Doch wie kommt es, dass Griechenland beinahe zahlungsunfähig ist, während das deutlich höher verschuldete Japan wieder Tritt fasst? Warum gibt es eine Griechenland- aber keine Japankrise?

Nippon hat einen entscheidenden Vorteil: Es ist kaum im Ausland verschuldet. Gläubiger des japanischen Staates sind im Wesentlichen die eigenen Bürger. Ausländer halten nur knapp 6 % der Staatsanleihen – in Griechenland sind es hingegen nach einer Untersuchung der Deutschen Bank ca. 67 %.

Bei den inländischen Investoren hilft die japanische Regierung allerdings auch nach: So zwingt sie die staatlichen Pensionsfonds mit strengen Richtlinien, der Regierung zu Mini-Zinsen Kredit zu geben. Die Fonds investieren im Schnitt 55 % ihres Vermögens in heimische Staatsanleihen.

Für Japan spricht auch das Vertrauen, das es (noch) genießt: Weltweit gilt es als sicherer Schuldner. Die Gläubiger haben kaum Zweifel, wieder an ihr Geld zu kommen. Schließlich ist das Land – anders als etwa Griechenland – wirtschaftlich breit aufgestellt, technologisch hoch entwickelt bei beachtlichem Exportanteil.

Zugunsten Japans wirkt sich zudem die eigene Währung aus. Durch eine Abwertung des Yen ist das Land jederzeit in der Lage, die Wettbewerbsfähigkeit seiner Exportwirtschaft zu erhöhen, mehr auszuführen und damit auch dem Staat höhere Einnahmen zu verschaffen.

Also alles gut in Japan? Keineswegs. Mit Gelddrucken und Konjunkturpaketen allein werde die drittgrößte Volkswirtschaft der Welt auf Dauer nicht gesunden können, warnt die OECD. Wichtig seien Reformen. Angesichts der rasanten Überalterung der Gesellschaft gelte es, die Beschäftigung von Frauen und Älteren zu verstärken und ausländische Arbeitskräfte ins Land zu holen.

Priorität hat aus Sicht der OECD auch eine stärkere Einbindung Japans in die Weltwirtschaft. Gelingen könnte dies durch Handelsvereinbarungen, etwa eine Einigung mit den USA über gegenseitige Freihandelszugeständnisse im Rahmen des transpazifischen Freihandelsabkommens TPP. Gleichen Stellenwert hätte auch ein Freihandelsabkommen mit der EU, auf das Bundeskanzlerin Angela Merkel seit Monaten drängt.

Bei einem Besuch in Tokio sprach sie sich im März für eine möglichst schnelle Unterzeichnung aus. „Wir haben die Erfahrung gemacht, dass durch solche Abkommen jeweils der gegenseitige Handel gewonnen hat“, erklärte Merkel.

Um letzteren ist es derzeit nicht allzu gut bestellt. Die deutschen Ausfuhren nach Japan waren 2013 und 2014 sogar leicht rückläufig.

Doch Hubert Lienhard, Vorsitzender des Asien-Pazifik-Ausschusses der deutschen Wirtschaft (APA), äußerte in einem Reuters-Interview vor Kurzem Zweifel, dass das Freihandelsabkommen rasch kommen wird. „Einen Abschluss noch 2015 halte ich nicht für realistisch. 2016 müsste er aber machbar sein“, sagte Lienhard, der auch der Vorsitzende der Konzerngeschäftsführung der Voith GmbH ist.

„Wir sollten wirklich versuchen, dieses Freihandelsabkommen hinzukriegen. Die nicht-tarifären Barrieren, die die Japaner gegen alle Importe aufbauen, sind wirklich hinderlich“, kritisierte der Voith-Chef. Beide Seiten könnten steigende Handelszahlen gut gebrauchen. Lienhard: „Wir sollten die Zölle aber nur in dem Maße senken, in dem sich auch Japan öffnet.“

Mit Material von Reuters und dpa

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