Wie China durch Steuertricks die WTO-Regeln unterläuft
China nutzt intensiv versteckte Subventionen, um Elektroautohersteller und andere Industrien zu unterstützen und den globalen Wettbewerb zu verzerren.
Für die Regierung in Peking sind mögliche Strafzölle der EU auf Elektroautos chinesischer Hersteller ein wunder Punkt. Gelten doch doppelt so hohe Aufschläge für diese Pkw in den USA bereits seit Ende September. China strebt beim Streit mit der EU um subventionierte Elektroautos aber eine Verhandlungslösung an. Nun meldete sich am 12. Oktober das chinesische Handelsministerium zu Wort und warnt die EU vor separaten Preisverhandlungen mit einzelnen Autobauern aus China, wie die Deutsche Presseagentur mit Verweis auf eine Pressemitteilung des Ministeriums meldet. Peking wirft Brüssel darin vor, die Regeln der Welthandelsorganisation (WTO) zu missachten. Dabei setzt China nach einem Bericht des japanischen Newsportal Nikkei Asia seit 2023 selbst sogar verstärkt auf Steuerrückerstattungen und andere versteckte Subventionen für Elektrofahrzeuge sowie weitere strategische Produkte – und unterläuft so die WTO-Regeln.
Sprich: Laut WTO wären diese Maßnahmen dann keine Subventionen, sie bewirken aber dasselbe. Die WTO verbietet ihren Mitgliedstaaten solche Subventionen zu zahlen, die der Wirtschaft anderer WTO-Mitglieder schaden könnten. Nur fallen Steuernachlässe nicht unter diese Regelungen. Dieses Schlupfloch ermögliche es China, Beschwerden zurückzuweisen, dass seine Politik den globalen Wettbewerb verzerre, so „Nikkei Asia“, und laut Toshiko Sasaki, Direktorin bei der Beratungsfirma PwC, „versucht Peking jedoch eindeutig, strategische Industrien mit Steuernachlässen zu unterstützen“.
Wie China mit versteckten Subventionen den globalen Wettbewerb schädigt
Eine Studie des Singapurer Finanzdienstleisters Shanghai DZH zeigt „Nikkei Asia“ zufolge, dass Chinas Unternehmen 2023 viermal so viele Steuerrückerstattungen kassieren wie zehn Jahre zuvor– um ihnen einen Wettbewerbsvorteil auf den Weltmärkten zu verschaffen, so die Meinung vieler Experten. Diese Erstattungen kämen zu den umfangreichen direkten Subventionen hinzu, die die Regierung des chinesischen Präsidenten Xi Jinping für Schlüsselindustrien bereitstelle. Große chinesische Unternehmen erhielten in der Regel mehr Rabatte als direkte Subventionen. Dieser Trend hätte sich bis 2022 beschleunigt, als die Rabatte aufgrund von Chinas Null-Covid-Politik und der daraus resultierenden Konjunkturabschwächung ihren Höhepunkt erreichten, wie eine Analyse der Daten von Shanghai DZH zeige. Obwohl der Wert der Rückerstattungen im letzten Jahr sank, blieben die Steuerrückerstattungen 2023 immer noch mehr als doppelt so hoch wie die offiziellen Subventionen.
Ein erheblicher Teil der Erstattungen stamme aus der Rückerstattung der Mehrwertsteuer, so die Studie. Exporteure erhielten oft Mehrwertsteuer auf Rohstoffe und Komponenten erstattet, die sie für die Herstellung ihrer Produkte gekauft hätten. Das, so „Nikkei Asia“, sei an sich nicht problematisch, solange die Mehrwertsteuer im Einklang mit den Exporten steige oder Änderungen der Steuer- und anderer Systeme widerspiegele. Doch während sich die Exporte in den letzten zehn Jahren um 50 % erhöht hätten, seien die Mehrwertsteuer-Erstattungen verfünffacht worden, so die DZH-Daten. Diese Diskrepanz habe viele Experten zu dem Verdacht veranlasst, dass es sich um versteckte Subventionen handelt. China passe häufig die Steuernachlässe für Exporte an und biete verschiedene andere steuerliche Anreize für F&E-Ausgaben und Hochtechnologiesektoren. Diese Praktiken hätten zum Eindruck beigetragen, dass Peking das Steuersystem manipuliere, um Schlüsselindustrien zu unterstützen.
Unternehmen in strategischen Branchen seien so beträchtliche Steuernachlässe gewährt worden, heißt es in dem Bericht. Als Beispiel führt „Nikkei Asia“ den Konzern BYD an, dessen Erfolg vor allem auf Elektroautos und Batterieprodukten basiert. BYD profitierte über den Fünfjahreszeitraum insgesamt von 37,1 Mrd. Yuan (rd. 4,8 Mrd. €) an Steuernachlässen, fast das Vierfache der 9,3 Mrd. Yuan (rd. 1,2 Mrd. €), die es an Subventionen erhielt. Darüber hinaus hat sich BYD langfristige Bankkredite zu Zinssätzen zwischen 2,05 % und 2,98 % gesichert, die unter dem einjährigen Leitzins von 3,35 % liegen, wie aus den Unternehmensunterlagen hervorgeht. Verständlich, dass Branchen – wie die europäischen Windkraftanlagenhersteller jüngst auf der Messe Windenergy in Hamburg Ende September – die Alarmglocke läuten angesichts chinesischer Hersteller, die mit konkurrenzlos günstigen Finanzierungskonditionen auf den europäischen Markt drängen.